Fyn Hansow, Offensiv Hamburg
Die Angst vor der Ausbreitung des Corona-Virus, dessen wirtschaftlichen Folgen und einem beginnenden Ölpreiskrieg haben am Montag (09.03.) weltweit einen gewaltigen Börsen-Crash eingeleitet. Als Folge gescheiterter Verhandlungen der OPEC Länder, vor allem Saudi-Arabiens, mit Russland fiel der Ölpreis um ganze 30%. Der Deutsche Aktienindex (Dax) schloss zum Handelsschluss mit einem Einbruch von 7,94%, der Handel an der Wall Street musste wegen der extremen Kurseinbrüche kurzzeitig ausgesetzt werden und die australische Börse ging in mit einem Minus von über 20% gegenüber dem nur wenige Wochen zurückliegenden Allzeithoch in einen „Bärenmarkt“ über. Das saudische Ölunternehmen Saudi Aramco, das vor einigen Monaten noch einen der erfolgreichsten Börsengänge aller Zeiten hingelegt hatte, musste harte Einbüßen einstecken und die russische Börse folgt mit einem zunehmenden Crash zum Wochenstart am Dienstag. Das Nordsee Rohöl Brent hat seit Jahresbeginn 50% seines Wertes verloren. Das Ausmaß dieses „Schwarzen Montages“ lässt sich mit dem der Lehman-Krise 2008 oder dem Krach nach dem 11. September 2001 vergleichen.
Die spekulativen Kursentwicklungen an den weltweiten Börsen, ihre Einbrüche am Montag ebenso wie die einsetzende Erholung am Dienstagmorgen, sind aber nur die oberflächlichsten Ausdrücke der wirtschaftlichen Entwicklung. Anstatt die tatsächliche Gefahr des neuartigen Corona-Virus widerzuspiegeln, zeigen diese Entwicklungen aber vor allem die Instabilität der kapitalistischen Wirtschaft, insbesondere in der Phase nach 2008/9, auf die Marxisten seit Jahren hinweisen (unser Artikel hierzu vom letzten November: https://offensiv-marxisten.blogspot.com/p/rutscht-deutschla…). Die Überproduktion an Waren, ein Merkmal des Kapitalismus, das schon Karl Marx eingehend untersucht hat, hat in den letzten Jahren ein gewaltiges Ausmaß angenommen. Aus Mangel an produktiven Anlagemöglichkeiten ist zunehmend Kapital, motiviert durch die gelockerte Geldpolitik der Zentralbanken, in die Börsen geflossen und hat neue Spekulationsblasen geschaffen, die die Subprime- und Immobilienblase von 2008 in den Schatten stellen. Protektionistische Maßnahmen und ökonomischer Nationalismus von Ländern wie den USA haben Handelskonflikte, wie den jüngsten zwischen Saudi-Arabien und Russland, geschürt. Das Corona-Virus (oder vielmehr die Angst vor dem Corona-Virus) ist für keine dieser Entwicklungen die Ursache, sondern lediglich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Das diese Rolle durch ein Virus gespielt wird, ist ein historischer Zufall.
Das heißt keinesfalls, dass die direkten Auswirkungen der Virus nicht ebenso verheerend sind. Die Exporte Festland-Chinas sind im Zuge der Quarantänemaßnahmen um 6,5% abgefallen, das Wirtschaftswachstum der Volksrepublik als Motor der Globalisierung, dass nach der Weltwirtschaftskrise 2008/9 ein Hauptfaktor für die internationale „Erholung“ war, kommt zum Erliegen. Die Produktionsketten und Just-In-Time Produktionen, die sich bis in das wirtschaftliche Herz Europas erstrecken, drohen zusammenzubrechen. Die angeschlagene Autoindustrie weist bereits auf einen Mangel an Teilen aus China hin. In Italien ist die Sperrzone seit heute Morgen auf das ganze Land ausgeweitet worden und Madrid hat alle Schulen und Universitäten geschlossen.
Die deutsche, exportabhängige Wirtschaft wird von den Einschränkungen des internationalen Verkehrs, vor allem innerhalb der EU, besonders betroffen sein. Lufthansa hat angekündigt, die Hälfte ihrer Flotte vorerst auf Eis zu legen und offensichtlich steht auch die Tourismus- und Eventbranche vor schweren Zeiten. Die Globalisierung, in den letzten Jahren vor allem verkörpert durch die „Neue Seidenstraße“ des chinesischen Imperialismus, hat sich von einem Faktor des Antriebes in sein Gegenteil verkehrt. Entlang der Produktionsketten verbreitet sich das Virus rasend schnell und von einem Markt in Wuhan aus verstopfen nach und nach die Adern des internationalen Kapitalismus.
Der „Schwarze Montag“ markiert einen historischen Schlüsselmoment in einer Entwicklung, die wir schon seit Monaten beobachten können. Alle bürgerlichen Experten und Wirtschaftsinstitute sind sich einig, dass die weltweite, ebenso wie die deutsche Wirtschaft, die bisher rein statistisch dem Minus noch knapp entkommen konnte, nun vor einer Rezension stehen. Das ist keine Frage von Tagen oder Wochen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass auf schwarze Börsentage Tage der leichten Erholung folgen als Reaktion auf angekündigte Regierungsmaßnahmen. Donald Trump will im Laufe des Tages „drastische“ Hilfen zur wirtschaftlichen Stabilisierung verkünden und auch die Große Koalition hat Änderungen bei der Kurzarbeit umgesetzt, um Unternehmen zur Hilfe zu eilen. Aber es ist auch klar, dass viele der Ventile, die im Laufe der Weltwirtschafts- und Eurokrise Massenarbeitslosigkeit und einen drastischeren Zusammenbruch der Währungspolitik verhindert haben, bereits seit Jahren weit offen sind. Die Leitzinsen der Zentralbanken sind unten und viele Schlüsselindustrien bereits von staatlichen Zuwendungen abhängig. Gerade in Deutschland bauen viele große Unternehmen schon seit Jahren auf Leih- und Kurzarbeit und bereits zu Zeiten, als bürgerliche „Experten“ sich noch über ein Allzeithoch des DAX freuten, sahen sich Konzerne wie Airbus, VW und Audi zu massenhaftem Stellenabbau gezwungen.
Die Folgen der Rezession werden vor allem wir spüren: die Arbeiter und Arbeiterinnen. Uns wird verkauft werden, dass Flexibilisierung, Kurzarbeit und Lohnkürzungen der einzige Weg seien, dass wir alle den Gürtel enger schnallen müssen in solchen schweren Zeiten – während die Bosse und Kapitalisten weiterhin ihre Renditen einfahren, ihre Vermögen schon längst verschoben haben und ihre Schäfchen ins Trockene bringen. Das ist Heuchelei! Der einzige Weg kann nur sein, mit dem System Schluss zu machen, dass sich nicht nur komplett unfähig zeigt, mit dem Corona-Virus umzugehen, sondern auch solche Krisen immer und immer wieder hervorbringen muss; das kapitalistische System, das auf der Basis des Privateigentums an Produktionsmitteln durch die Kapitalisten mit unserer Hände Arbeit Waren produziert, mit dem einzigen Ziel der Profitmaximierung für die Kapitalisten.
Wir müssen uns in den Betrieben und Gewerkschaften organisieren: Für das klare Ziel einer Verstaatlichung der Schlüsselindustrien und Verwaltung unter der Kontrolle der Arbeiter, der entschädigungslosen Enteignung aller Banken, der Errichtung eines staatlichen Außenhandelsmonopols und der Organisierung der Wirtschaft nach einem demokratischen Plan, bestimmt nach den Interessen aller, fähig, die Verbreitung des Virus aufzuhalten.
Die Gewerkschaften des DGB müssen in die Offensive gehen, für den vollständigen Erhalt aller Arbeitsplätze, gegen Lohnkürzungen und für die 30-Stunden Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Nur mit einem gemeinsamen Kampf der Arbeiterklasse können wir in der kommenden Krise unsere Rechte verteidigen.