Ainoa Murcia, Izquierda Revolucionaria im Spanischen Staat
Wie wir es bereits in anderen Perioden von wirtschaftlicher
Krise und tiefer sozialer Polarisierung gesehen haben, versucht sich auch jetzt
die Rechte erneut am Schüren von Vorurteilen, um die Arbeiterklasse anhand von
Nationalität, Geschlecht oder Herkunft zu spalten. Während der Hitze der nationalen
Wahlkampagnen der letzten Monate haben die rechten und extremrechten Kräfte im
spanischen Staat ihre Offensive gegen migrantische Arbeiter und Arbeiterinnen
verstärkt. Dasselbe passiert im Rest von Europa; sie versuchen uns mit dem
Wecken von Hass und Furcht in Einheimische und Ausländer zu spalten, um
währenddessen noch mehr Vorteile aus unserer Ausbeutung zu ziehen und die Arbeitsbedingungen
für uns alle zu verschlechtern.
Eines der am meisten verwendeten Argumente der Reaktion ist,
dass „Ausländer uns die Jobs wegnehmen“. Auf zynische aber sehr bewusste Art
machen sie die Immigration für die hohe Arbeitslosenrate und Unsicherheit
verantwortlich. Damit werfen sie Staub in die Augen der Arbeiter in dem
Versuch, vom wahren Verantwortlichen abzulenken: ihrem eigenen System. Die
großen Geschäftsleute und Kapitalisten nehmen Vorteil an der hohen
Arbeitslosigkeit, um die Arbeitsbedingungen und Löhne aller Arbeiter zu drücken
und so ihren Kapitalgewinn aufrecht zu erhalten. Dieselben Geschäftsmänner und
Großgrundbesitzer heuern lieber ausländische Arbeiter an, nutzen ihre
Verzweiflung und Rechtlosigkeit, insbesondere der undokumentierten Flüchtling,
und bieten ihnen Jobs unter noch schlechteren Bedingungen und mit weniger Lohn.
Die elenden Arbeitsbedingungen der Landarbeiter
Die Landwirtschaft ist einer der Bereiche, in denen viele Migranten
angestellt sind und in dem deren prekäre Lage deutlich wird. Immigrierte
Arbeiter nehmen Arbeitsplätze, die einheimische Arbeiter aufgrund der komplett
unmenschlichen Arbeitsbedingungen ablehnen. In Murcia zum Beispiel ist 14% der
Bevölkerung aus dem Ausland, da die regionale Landwirtschaft fast das gesamte
Jahr über Arbeitsplätze anbietet. Die Arbeitstage sind 13 bis 15 Stunden lang
und meistens wird pro Stück bezahlt.
In Huelva sind die Bedingungen sogar noch schlimmer.
Befristungen, flexible Arbeitszeiten und niedrige Löhne zwingen mehr als 2.000
migrantische Arbeiter und Arbeiterinnen in Hütten um die Erdbeerkulturen herum
zu leben. Bis jetzt sind in diesem Jahr schon sieben Feuer in diesen Siedlungen
ausgebrochen; das letzte am 23. Mai, als 300 Menschen evakuiert werden mussten,
während die 150 Hütten, in denen sie gelebt haben, verbrannt sind. Sie haben
das Bisschen, was sie zum Überleben hatten, verloren und die Verwaltung hat
noch keine Lösungen angeboten.
Aber die Realität ist sogar noch grausamer für immigrierte
Frauen. Ausbeutung der Arbeit, lange Reisen und niedrige Löhne sind genauso
begleitet von Belästigung, sexuellem Missbrauch und Gewalt durch Chefs und
Eigentümer.
Berüchtigte Beispiele wie das der Saisonarbeit von Huelva
sind keine isolierten Episoden, sondern die Regel in einem Bereich, in dem
Arbeiterinnen, die meisten von ihnen ausländisch, komplett schutzlos sind und
sich aus Angst vor Jobverlust nicht wehren können. Und auch wenn sie es wagen
vor Gericht zu gehen, will die Justiz davon nichts wissen. Die oberste
Gerichtsinstanz von La Palma del Condado (Huelva) hat eine Klage von
Saisonarbeiterinnen abgelehnt, ohne sie auch nur zu befragen. Nachdem Berufung
eingelegt wurde, hat das Landesgericht von Huelva den Fall wieder aufgenommen
und einen Untersuchungsrichter mit der Befragung der Opfer beauftragt, aber wir
wissen bereits, wie die bürgerliche und patriarchalische Justiz Frauen
behandelt, die von Misshandlungen oder sexueller Belästigung berichten, vor
allem wen sie migrantisch sind. Wir können diesem Justizsystem nicht vertrauen
und müssen auf solche Vorfälle weiterhin mit großen Mobilisierungen antworten.
Tausende ertrinken weiterhin im Mittelmeer
Viele erreichen Europa aufgrund der verbrecherischen
Flüchtlingspolitik nicht einmal. 2018 haben über 1.000 Menschen ihr Leben in
dem Versuch verloren, die Küsten Spaniens zu erreichen und 2019 scheint die
Zahl nicht geringer zu werden.
Die Seenotrettung hat entschieden, dass sie, solange die
marokkanische Küstenwache nicht einschreitet, wenn sie es „für notwendig hält“,
keine Flüchtlingsboote rettet. Und selbst normalerweise benötigen sie nach
einem Notruf mehr als fünf Stunden bis zur Ankunft. Das ist die magische Formel
von Pedro Sánchez‘ Regierung: während er leere Reden über die Menschenrechte
hält, plant er die Abschiebung von Flüchtlingen nach Marokko in ein brutales
Unterdrückerregime, wo die Leben dieser Menschen keinen Cent wert sind und sie
jeden Tag Opfer von Gewalt werden.
Nach diesen Richtlinien werden Rettungsschiffe wie die Clara
Campoamor, die im Hafen von Malaga erwartet wird, als schwimmende Plattformen genutzt,
die verhindern können, dass gerettete Immigranten an Land gehen und sie
zusammenhalten bis sie zurückgeschickt werden, anstatt für die tatsächliche
Rettung verwendet zu werden.
Gute Lebensbedingungen für Alle
Nicht nur der rechte Flügel schürt Rassismus. Die
verbrecherische Politik der PSOE Regierung und der Reformisten gegenüber der
Flüchtlingsfrage hält ihn ebenso aufrecht. Anstatt gegen rassistische
Vorurteile zu kämpfen und jedem ein vernünftiges Leben zu bieten; anstatt zu
erklären, dass weder Grenzkontrollen, Mauern und Stacheldraht, noch
Abschiebungen, Migrationsgesetze oder die Verschärfung der Asylpolitik etc.
Austeritätspolitik und Kürzungen im Sozialbereiche oder die Angriffe auf
demokratische Rechte, die wir erleben, beenden werden, echot die
Sozialdemokratie im Grunde nur dem Diskurs der Rechten nach. Am Ende sind sie
der PP gleich: Sie behandeln Immigranten und Immigrantinnen als Gefangene,
sperren sie in Auffanglager oder Schiffe und kriminalisieren sie.
Diese Situation verursacht zusammen mit der Verzweiflung und
der Angst vor Abschiebung Ausschreitungen, die von der Reaktion wieder benutzt
werden, um die Gewalttätigkeit von Flüchtlingen und die Gefahr für „unsere Art
zu leben“ zu verkünden.
Umso ungeheuerlicher ist es, dass nicht einmal die
sogenannten „Stadträte der Veränderung“, wie Manuela Carmena in Madrid,
entschiedene Schritte zum Schutz von Immigranten, jenseits vom Posieren mit
„Refugees Welcome“-Bannern, unternommen haben. Schlimmer noch: Carmena hat die
Politik ihres PP-Vorgängers im Bürgermeisteramt fortgesetzt und die Verfolgung
von „Deckenverkäufern“ betrieben. Zum Beispiel hat sie die andauernden
Polizeirazzien gegen diese Gruppen, die im Mai 2018 zum Tod von Mame Mbaye
führten, unterstützt.
Arbeiter und Arbeiterinnen sowie Jugendliche, die gegen
Arbeitslosigkeit, gegen Ausbeutung, gegen Kürzungen in der Bildung, Gesundheit
und im Sozialen und für den Erhalt unserer demokratischen Rechte kämpfen
wissen, dass Migranten nicht verantwortlich für Privatisierungen von
öffentlichen Diensten sind, genauso wenig wie für Drecksjobs, Bankenrettung
oder imperialistische Kriege, die den Exodus von Millionen Menschen weltweit
verursachen.
Wir müssen zusammen mit unseren Klassenbrüdern und
-schwestern für demokratische Rechte für jeden kämpfen und für ein Ende von
Migrationsgesetzen und jedem anderen kriminalisierenden
Gesetz. Wir brauchen ein sozialistisches Programm, um auf Attacken, Kürzungen
und Prekarität zu reagieren. Ein Programm, welches die großen Kapitalisten
enteignet, den gesamten Wohlstand unter die Kontrolle von den Arbeitern und
Arbeiterinnen – egal ob hier geboren oder nicht – stellt und ein gutes Leben
für Alle sichert.