von Katharina Doll, Offensiv (Hamburg)
Veröffentlicht online das erste Mal am 17.09.2019
Veröffentlicht online das erste Mal am 17.09.2019
„We need a revolt against the fossil fuel industry“. Dieser Satz kommt nicht aus dem Mund eines Aktivisten von
Fridays for Future (FFF), sondern von einem der reichsten Kapitalisten unserer
Zeit und Gründer von Paypal und Tesla: Elon Musk. Mit Revolte meint Musk aber
nicht den sozialen Aufstand, sondern vor allem die Art von Veränderung, die
sich in erster Linie auf seine eigene Brieftasche auswirken wird. Nämlich das
Konzernziel von Tesla, dass bis 2040 35% aller verkauften Autos E-Autos und
größtenteils die von seinem Konzern hergestellten Modelle sind.
Damit ist Musk nicht
der einzige Repräsentant der Kapitalistenklasse, der sich für einen „grünen
Wandel“ einsetzt. Kürzlich haben auch eine Reihe superreicher US-Kapitalisten
Spenden von mehreren Hunderttausend Dollar für Gruppen wie Extinction Rebellion
(XR) angekündigt. 500.000 sollen als erste Zahlung aus dem sogenannten Climate
Emergency Fund (CEF) kommen, gegründet von Investoren wie Aileen Getty (reiche
Erbin und Enkelin des Ölmagnaten J. P. Getty, ehemals reichster Mann der Welt)
oder Trevor Neilson, Mitbegründer der Investmentgesellschaft i(x) an der Seite
von Howard Warren Buffet (Enkel von Warren Buffet, heute drittreichster Mann
der Welt). (1)
In Deutschland erklärte
VW-Pfusch-Kanzlerin Merkel schon im März ihre Unterstützung für FFF. Jetzt hat
sie zum Anlass des kommenden Klimastreiks neue „ökologische“ Gesetze
angekündigt. Aber warum greift ein Establishment, das soziale Proteste wie im
Griechenland der Krise oder gegen Hartz IV mit aller Härte bekämpft hat, die
heutige Umweltbewegung so bereitwillig auf? Warum wird Greta Thunberg wieder
und wieder eine Bühne an der Seite internationaler Eliten geboten?
Konsumsteuer
Das liegt sicher auch
an den offiziellen Forderungen der Bewegung. Gerade in Deutschland nutzen die
regierenden Politiker FFF und XR, um eine CO2-Steuer voranzutreiben. Die
bekannten Gesichter der Bewegung geben ihnen Rückenwind. Dabei werden neue
Konsumsteuern die soziale Ungleichheit weiter verschärfen, weil sie nicht mit
Reichtum der Steuerpflichtigen anwachsen sondern sich allein auf die
Konsumebene beschränken und darum arme Schichten härter treffen.
Die Gallionsfiguren der
XR- und FFF-Bewegung fallen auch immer wieder mit individualistischer
Konsumkritik auf, wie in einem Post von Greta Thunberg am 8. März, wo sie sich
darüber beklagt, dass Männer im Schnitt mehr CO2 ausstoßen als Frauen. Aber die
Zerstörung der Umwelt ist keine Geschlechter-, sondern eine Klassenfrage! Der
größte Umweltsünder sind die Chefetagen multinationaler Großkonzerne und
Banken, die über Produktionsschritte, Rohstoffe, Arbeitsbedingungen und Transportwege
entscheiden. Sie arbeiten nach der Logik des Kapitalismus im Interesse der
Profite ihrer privaten Eigentümer, nicht in dem von Mensch und Natur. Auch mit
den Konzernen von Elon Musk und Warren Buffet Jr. ist es nicht anders. Die
Führung einer Bewegung, die diese Fragen des Eigentums nicht aufwirft und
stattdessen eine CO2-Steuer vorantreibt, ist nicht rebellisch, sondern
gegenüber den herrschenden bürgerlichen Eliten völlig handzahm.
Umweltbewegung ja – aber ohne die Grüne Mafia!
Nicht nur XR, auch
andere Teile der Umweltbewegung werden von reichen Interessensgruppen
unterstützt und finanziert. Die „Deutsche Umwelthilfe“, die mit in der ersten
Reihe stand bei der Einführung der Dieselfahrverbote, wurde lange mitfinanziert
vom japanischen Autoriesen Toyota (und der EU-Kommission). Auch der Konzern
Krombacher hat die DUH lange unterstützt und ist regelmäßiger Geldgeber für
WWF. Die Grünen bekommen hohe Parteispenden aus der Solar- und Windlobby, aber
auch von gewöhnlichen Großbanken und –konzernen wie Allianz oder der
Bayerischen Elektroindustrie. Genau wie bei allen anderen bürgerlichen Parteien
wartet auch auf Grüne nach abgeschlossener Politikerkarriere oftmals ein
Spitzenposten in der Privatindustrie – wie der ehemals „grüne“ Staatssekretär
Matthias Berninger, der jetzt als Politikchef von Bayer Glyphosat bewirbt.
Aber von Konzernen gesponsorte Marionetten werden nie in der Lage sein, der
Zerstörung unserer Umwelt etwas entgegenzusetzen. Denn ohne die Frage zu
beantworten, wer in unserer Gesellschaft die Entscheidungsgewalt über
Arbeitsbedingungen und Produktion in seinen Händen hält, kann die Zerstörung
der Umwelt nicht beendet, sondern nur kaum effektive Schönheits-OPs im Rahmen
des Kapitalismus betrieben werden (wie das der Fall ist beim „Kronjuwel“ der
deutschen Grünen, der EEG-Umlage).
Kampfmethoden
Extinction Rebellion
sorgt jetzt auch in Deutschland durch spektakuläre Aktionen für einiges
Aufsehen. Vergangenes Wochenende haben XR bei den Hamburger Cruisedays
künstliches Blut verschüttet, um gegen die umweltschädlichen Kreuzfahrtschiffe
zu protestieren. Wie der Hamburger XR-Aktivist Gerrit Spiegel Online erklärt,
geht es XR gerade vor allem darum, durch Verhaftungen Aufmerksamkeit auf sich
zu ziehen. Dieses Ziel konnte durch die nachträglichen Protestanmeldungen durch
die Polizei und ihren strikt pazifistischen Protest aber bisher nicht
erreichen. Wie der Spiegel berichtet wurde ein Demoteilnehmer sogar von
„XR-Aktivisten“ von der Kundgebung entfernt, weil sein Schild „Kreuzfahrer, ihr
vergiftet uns. Haut ab!“ zu aggressiv erschien (2).
Auch wenn die Aktionen
von XR radikal wirken, sind sie vor den von FFF organisierten Schulstreiks ein
Rückschritt. Der Streik wäre ein möglicher Weg, um auch Beschäftigte zum
Mitstreiken aufzufordern. Sie haben die Kraft in ihrer Hand, die Unternehmen
wirklich lahmzulegen und die Frage der Kontrolle über Finanzwirtschaft und
Industrie aufzuwerfen, und mit ihnen müssen wir uns vereinigen! Doch
entsprechend dem Charakter einer stark kleinbürgerlich geprägten Gruppierung
umgeht XR einen solchen Weg und sucht Auswege über individuelles Märtyrertum
und „kreative und symbolische Protestaktionen“.
Klimawandel stoppen!
Die kapitalistische
Klasse und ihre Politiker haben über Jahrzehnte ihre Unfähigkeit bewiesen,
etwas an den Ursachen des Klimawandels zu ändern. Der Kapitalismus zerstört
unsere Lebensgrundlage. Gerade gibt es wieder eine Geburtenreihe von Kindern
mit schweren Verstümmelungen wie damals während dem Contergan-Skandal. Und
wieder kann es sehr gut sein, dass private Konzerne und ihre Produktionsweise
dafür verantwortlich sind: Umweltgifte wie durch Insektizide oder andere
Substanzen werden als Ursache des Skandals vermutet (3).
Aber in einer
Wirtschaft, die völlig undemokratisch nach privaten Profitinteressen funktioniert,
ist die Zerstörung der Natur nicht aufzuhalten. Und auch wenn kleine Reformen
erkämpft oder durch NGOs minimale Verbesserungen durchgesetzt werden, obliegt
es in unserem Gesellschaftssystem der Willkür einzelner Politiker, sie wieder
zurückzunehmen (das hat man an Bolsonaros Politik in Brasilien gesehen!). Das
ist so lange so, wie Banken und Konzerne und auch die Sphäre der Politik nicht
durch die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung, sondern durch eine kleine
Minderheit der Kapitalistenklasse beherrscht werden.
Extinction Rebellion spricht in ihrem neu erschienenen Handbuch von den „1%“,
die für die Zerstörung der Umwelt verantwortlich sind. Gefordert wird aber von
XR-„Vordenkern“ wie einem Professor Jem Bendell nur emotionalisierend und
schwammig etwas was sie „Earth democracy“ nennen, versetzt mit esoterischen
Glaubenssätzen an die Kraft von Mutter Erde. Abschließend schreibt Bendell,
dass es keinen Weg gibt der Verzweiflung über den Klimawandel zu entrinnen, nur
einen „und das ist es zu Lieben“.
Marxistinnen und
Marxisten leugnen nicht, dass der Klimawandel menschgemacht ist. Aber wir sind
auch keine Primitivisten oder Gegner des industriellen Fortschritts. Denn der
hat die Mittel geschaffen, Hunger und Krankheit einzudämmen und moderne Güter
zu entwickeln die unser Leben deutlich erleichtern. Deutlich besser als die
Liebe kann die Technologisierung – in unserem Interesse angewendet – Grundlage
sein für die radikale Verkürzung der Arbeitszeit bei Vollbeschäftigung und eine
deutliche Vereinfachung der Arbeitsprozesse. Sie ermöglicht auch den
ökologischen Umbau der bestehenden Unternehmen bei voller Lohnfortzahlung und
die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Auch hat die Industrialisierung nicht nur
die Massenproduktion von Fleisch ermöglicht, sondern auch seine künstliche
Ersetzung. Sie hat nicht nur umweltverschmutzende Flugzeugträger für
Kriegseinsätze erfunden, sondern auch moderne Boote zur Reinigung der
Weltmeere, Unterwasserkraftwerke und vieles mehr. Der technische Fortschritt
ist nicht der Grund für den Klimawandel, sondern allein die Diktatur der
Banken- und Konzernchefs über die Wirtschaft. Einmal von den Ketten der
Profitwirtschaft befreit, könnten umweltschädliche Produktionsmethoden sofort
gestoppt, neue Industrien geschaffen und bestehende Technologien in unserem
Interesse massenhaft eingesetzt werden.
Ein solcher Fortschritt
hängt daran, wer und in welchem Interesse über Wirtschaft und Produktionsmittel
entscheidet. Denn es gibt einen einfachen Grund, dass Krabben dreimal durch die
Welt geschifft werden, bevor man sie verkauft: Das Drücken von Löhnen beim
Pulen der Krabben im Interesse des kapitalistischen Profits. Ändern lässt sich
das alles nicht mit einer grünen Bewegung allein, sondern mit einer
sozialistischen Arbeiterbewegung. Denn sowohl unsere sozialen Interessen als
auch der Schutz der Ökologie können nur umgesetzt werden, wenn über das
Funktionieren der Wirtschaft demokratisch durch die arbeitende Bevölkerung
entschieden und auf Bundesebene ein vernünftiger Plan über die gesamte Produktion
demokratisch entwickelt wird. Darum ist es entscheidend, im Hier und Heute
unseren Kampf auf die Betriebe auszuweiten und jedem sozialen Angriff Schulter
an Schulter entgegenzutreten.
Für dieses Ziel – den
einzigen Ausweg aus der Klimakrise – stehen Marxistinnen und Marxisten. Wir
wissen, dass es auf der Straße bei Fridays for Future und den Aktionen von XR
viele Schülerinnen und Schüler gibt, die mit unseren Zielen sympathisieren und
in ihren Interessen und Forderungen deutlich weitergehen als das öffentliche
Gesicht der Bewegung. Auch deshalb wurden demokratische Diskussionsprozesse von
der Führung der Bewegung immer wieder unterbunden und Forderungen von oben
durchdiktiert. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass moderate Forderungen und
Anbiederungen an die bürgerliche Politik die Bewegung dominieren und unsere
Energie damit verpufft. Auch müssen wir uns gemeinsam gegen den Versuch wehren,
wirklich linke Kräfte für ihr Material oder ihre roten Fahnen von der Bewegung
auszuschließen. Denn es wird sich zeigen, dass gilt: wer die Eigentumsfrage
nicht beantwortet, kann unsere Umwelt nicht retten!
Mehr zum Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Klima
findest du in der ersten Ausgabe unserer Zeitung „Offensiv“ (wer sie geschickt
bekommen oder kaufen möchte, gerne schreiben).