von Katharina Doll, Offensiv (Hamburg)
veröffentlicht online am 10.06.2020
Wir brauchen einen Kampf der Arbeiterklasse für die Verstaatlichung der Banken und Konzerne und ein öffentliches Gesundheitswesen!
veröffentlicht online am 10.06.2020
Wir brauchen einen Kampf der Arbeiterklasse für die Verstaatlichung der Banken und Konzerne und ein öffentliches Gesundheitswesen!
Pandemiebekämpfung
der Bosse: Corona bedroht Arbeiter und Arme – Sie kürzen unten und schenken den
Bossen Milliarden!
Die Covid 19-Krise und der wirtschaftliche Abschwung haben
die tiefen Widersprüche des kapitalistischen Systems und seines Staatssektors zum
Ausdruck gebracht. Weltweit haben Arbeiter und Arme mit ihrer Gesundheit und
ihrem Leben den Preis für Jahrzehnte der Privatisierungen und finanziellen
Ausblutung des Gesundheitswesens bezahlt.
In Deutschland ist es nicht anders: um die in die Knie gesparten
Krankenhäuser nicht zu überlasten, aber gleichzeitig die Profitmacherei in den
Konzernen nicht zu beeinträchtigen, hat sich die deutsche Regierung entschieden
die „Kurve abzuflachen“ und damit die Durchseuchung zeitlich zu strecken, statt
durch einen konsequenten Lockdown in allen Bereichen eine Ausrottung des Virus
zu ermöglichen.
Etliche Betriebe wurden erst heruntergefahren, als auch die
Just-in-time-Belieferung aus dem Ausland ausfiel. So gab es in Deutschland bis
zum heutigen Tag mit mehr als 8.800 Fällen fast doppelt so viele Coronatote wie
in China. Und obwohl die Reproduktionszahl weiter um 1 schwankt, werden nun
Schulen und Kindertagesstätten wieder geöffnet und Testzentren geschlossen.
All das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer Politik,
deren höchstes Ziel es ist, paradiesische Profite für Bosse auf dem Rücken der
Arbeitenden und Armen zu garantieren.
Ultraliberale
demonstrieren für Lockerungen und „die Verfassung“
Von einer so marktliberalen Politik haben auch viele derjenigen
profitiert, die unter der Fahne von „Widerstand 2020“ und „Querdenken“ auf die
Straße gehen. Etliche Initiatoren der
„Mitmach-Partei“ und von „Querdenken 711“ sind Selbstständige und Unternehmer,
darunter Victoria Hamm, aber auch der Stuttgarter Querdenken711-Gründer Michael
Ballweg[1]
oder der Überlinger Unternehmer Jens Meyer von der Industrievertretung Meyer
und Stiene OHG.[2]
Jens Meyer in Überlingen auf einer Demonstration gegen den Lockdown |
Wir haben es mit den Hygienedemos in Deutschland
nicht mit einer homogenen rassistischen oder faschistischen Bewegung zu tun –
wohl aber mit einer Bewegung im Interesse eines reaktionären und ultraliberalen
Sektors deutscher Kleinunternehmer, die von Demokratie reden, aber eigentlich
für die weitere Liberalisierung der Gesundheitsvorschriften am Arbeitsplatz
kämpft und dagegen, dass der Lockdown ihre Gewinne schmälert.
Das erklärt auch die Unterstützung von Teilen der
Demonstrationen für die Äußerungen des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner,
Repräsentant des marktliberalsten Flügels des deutschen Kapitals, der für
schnellere und weitreichendere Lockerungen kämpft.
Diese Schichten selbst haben von Corona wenig zu befürchten
– sie sind nicht gezwungen, in überfüllten Betrieben oder Kindergärten zu
arbeiten; sie müssen nicht auf die marode, öffentliche Gesundheitsversorgung
zurückgreifen, wenn sie krank werden. Neuere Studien haben – wenig überraschend
– gezeigt, dass ärmere Schichten der Bevölkerung doppelt so häufig an Corona
sterben, wie wohlhabende.[3]
„Widerstand 2020“: Chefs
und ihre Freunde
Diejenigen, die nun die Verfassung gegen die
„Faschisierungstendenzen“ der Merkelregierung zu Felde führen sind in Wahrheit
alles andere als Feinde einer Politik der „nationalen Einheit“ im Interesse der
Bosse, die das Handeln der Bundesregierung und das rigide Auftreten der Medien
in den letzten Monaten ausgezeichnet hat.
Diese „Opposition“ sind die Straßentrupps der liberalsten
Kapitalfraktion, fordert einen noch arbeiterfeindlicheren Umgang mit der
Coronapandemie und versteht das als „demokratischen Widerstand“, für den sie
„das Volk“ mobilisieren will. Sie sind auf der Straße, weil sie über sich und
ihren selbständigen Kleinstexistenzen den Druck des Großkapitals spüren,
verzehnfacht durch den Lockdown. Doch die Lebensbedingungen der Millionen
Lohnarbeiter unter ihnen und ihr sozialer Kampf sind ihnen fremd – und so
fliehen sie sich in Verschwörungstheorien, Populismus und Esoterik.
Warum sonst behaupten die „Protestierenden“, sich gegen die
sozialen Ungerechtigkeiten von homeschooling und Kitaschließung zu richten – haben aber keinerlei Forderungen
nach sozialen Verbesserungen für Schüler, verarmte Familien und Arbeiter? Warum
sonst haben diese „Demokraten“ sich nicht für einen 1. Mai der Gewerkschaften
und Linken eingesetzt, wenn sie doch für unsere sozialen Belange und
Versammlungsfreiheit eintreten? Eben deshalb: Weil ihr Programm eines der
Deregulierung am Arbeitsplatz ist.
Um diesen Klassenwiderspruch zu kaschieren, verliert sich
„Widerstand 2020“ in allgemeinen Aussagen über „das Volk“ und populistische
Angriffe auf einen bestimmten Sektor der bürgerlichen Elite. Was viele von
ihnen antreibt ist die Furcht vor ausländischen Monopolen, sie sprechen von der
Angst vor Donald Trump, Bill Gates und der FED, und mit ihrer ständigen
Beteuerung „weder links noch rechts“ zu sein wird klar, dass sie die
Unterstützung organisierter Faschisten für ihre Ziele nicht scheuen.[4]
Kampagnenbild der Amadeo Antonio Stiftung |
Es ist die beste „Opposition“, die sich das deutsche Kapital
nur wünschen kann: sie präsentieren sich wissenschaftsfeindlich und stiften
Verwirrung, lenken von für Arbeiter und Arme hochrelevanten Fragen ab (wie die
Verlängerung der Arbeitszeit per Dekret, die massive Ausweitung der Kurzarbeit,
Milliardengeschenke für die Großkonzerne als Krisenlösung,...) und reden
Lindner und BILD in ihren Angriffen auf den Lockdown nach dem Mund.
Diese „Verfassungsdemokraten“ werden ganz und gar nicht
umsonst von den Medien rücksichtslos hochgeschrieben.[5]
Aus diesem Grund richtet auch die Bundesregierung an der Seite der Amadeo
Antonio Stiftung ihre „Angriffe“ auf diese „Scheinopposition“ gegen ihre wahren
Feinde – diejenigen, die die Macht des Finanzkapitals kritisieren.
Nein zur nationalen
Einheit
Die herrschende Klasse hat die Coronapandemie ausgenutzt, um
von der tiefen Krise des Kapitalismus abzulenken, die Arbeiterklasse zu
demobilisieren und eine Kriegsrhetorik der „nationalen Einheit“ zu schüren. Sie
haben zu diesem Zweck Fakten bis zur Unkenntlichkeit verdreht und einen
Lockdown der Bosse durchgesetzt, der möglichst nicht mit den Profitinteressen
der Privatwirtschaft in Konflikt geraten sollte – und wenn doch, wurden die
Konzerninhaber durch Milliardenhilfen reichlich entschädigt. Etliche
Verpflichtungen der Eigentümer wurden gelockert oder ganz aufgehoben, während
die Krisenlast ohne erkenntlichen Widerstand auf den Buckel der Arbeiter und
Armen abgewälzt wurde. Um das sicherzustellen, wurden Versammlungs- und
Streikrecht radikal beschnitten, Tarifrunden gecancelt und die autoritären
Tendenzen im Staatsapparat weiter ausgebaut.
Gewerkschafts- und
LINKE-Führung an der Seite der Bosse
Die Führungen der Gewerkschaften und LINKEN haben in diesem
Stück eine zentrale Rolle gespielt. Am 25. März hat DIE LINKE im Bundestag dem
„Rettungspaket“ der Bundesregierung, mit dem viele Milliarden Euro an
Großkonzerne und Banken umverteilt werden, zugestimmt – und der AfD das Feld
der Kritik an der Bundesregierung überlassen!
Die Führung der IG Metall stellt sich an die Seite der Bosse
und führt in ihrem Interesse ein Programm zu „sozial verträglicher“ Kurzarbeit
ein – sie hat nichts, aber auch gar nichts dazu zu sagen, dass allein dieses
Jahr für mehr als 10 Millionen Kollegen Kurzarbeit eingereicht wurde und völlig
unklar ist, wie viele der Kurzarbeiter je auf ihren regulären Arbeitsplatz
zurückkehren können! Und ein nicht weniger großes Verbrechen wurde durch die
Führung von ver.di mit der kampflosen Einführung der Kurzarbeit im öffentlichen
Dienst begangen!
Es kann kaum unterbetont werden, wie verbrecherisch und
fatal die politischen Entscheidungen der LINKE-Führung und der Gewerkschaften
in den letzten Monaten waren. Die IG Metall-Führung flankiert den
Arbeitsplatzabbau und die Umwälzung sozialer Kosten auf die Belegschaften; DIE
LINKE begibt sich in die nationale Einheit mit der Merkelregierung und hat zu
ihrem Kurs nicht mehr zu Protokoll zu geben als verschwindende Randnoten.
Ein offensiver Kampfplan dieser Organisationen hätte in den
vergangenen Monaten – und auch in Zukunft – für eine grundsätzlich andere
politische Gemengelage in Deutschland gesorgt. Millionen hätten mobilisiert
werden können gegen drohenden Arbeitsplatzabbau und die Zulassung der
60-Stunden-Woche. Nur weil DIE LINKE und die Gewerkschaften auf einen solchen
Kurs verzichtet haben, und weil Tarifverhandlungen aufgestückelt, abgewürgt
oder aufgeschoben wurden, ist es nun den Spinnern um Bodo Schiffmann und
anderen möglich, die politische Szenerie zu dominieren. Nur aus diesem Grund schwankt
DIE LINKE jetzt hysterisch zwischen einer Politik des sozialen Friedens mit dem
Merkel-Lager und dem verzweifelten Versuch einzelner LINKE-Vertreter, Teile der
„Querdenker“ zurückzugewinnen. Doch aus dieser Defensive heraus kann nur der
Kampf der organisierten Arbeiterklasse führen. Will DIE LINKE in diesem Kampf
noch eine Rolle spielen, dann muss ihre Führung die haltlose Anbiederung an die
SPD beenden und ihre Politik des sozialen Friedens zurücknehmen!
Für ein unabhängiges Kampfprogramm der Arbeiterklasse! Enteignet die
Ausbeuter! Ja zu Verstaatlichungen der Banken und Konzerne – Ja zu Sozialismus!
Der Verfall der kapitalistischen Gesellschaft und die
Desinformation und Verwirrung der bürgerlichen Medien sind der Nährboden, auf
dem sich irrationale und esoterische Phänomene wie Widerstand 2020 breitmachen.
Der ideologische Krieg, den die Medien im Interesse der herrschenden Klasse
führen, und dass kaum mehr Gegenstimmen zum Einheitsbrei der regierenden Eliten
in Medien und Politik geduldet werden, schafft ein Vakuum für die Agitatoren
von „Widerstand 2020“, solange er nicht von einer kämpfenden Arbeiter- und
Gewerkschaftsbewegung beantwortet wird.
Einen solchen Kampf erreichen wir nicht durch die Kanäle von
Widerstand 2020. Die Verbreitung von Corona ist keine Erfindung, und die
Arbeiterklasse und Armen – ob in Wuhan, Madrid, Bergamo oder New York – sind
die ersten Opfer des Virus, weil uns Bosse und ein privatisiertes
Gesundheitssystem keinen Ausweg aus Ansteckung und ernsthafter Erkrankung
lassen, während Milliardengeldern nur den Reichen zur Verfügung gestellt
werden.
Um daran fundamental etwas zu ändern, brauchen wir einen
entschlossenen Kampf der organisierten Arbeiterklasse um kämpferische
Gewerkschaften auf der Straße und im Betrieb, um die Kontrolle über die
wichtigsten Sektoren von Finanz und Wirtschaft und die Enteignung der
Verbrecher, die heute das alleinige Sagen über die kapitalistische Wirtschaft
haben und für die Millionen und Abermillionen Toten, für jeden verlorenen
Arbeitsplatz, Betriebsschließungen und Privatisierungen auf unseren Kosten
verantwortlich sind!
Das Gegenteil von Monopolisierung und der Diktatur des
Finanzkapitals ist für uns kein deutscher Kapitalismus; kein „naturwüchsiger“
Kapitalismus der deutschen Kleinunternehmer, wie ihn Sahra Wagenknecht und
andere fordern – wir wollen ein Ende dieses korrupten Systems, das einmal mehr
auf dem ganzen Planeten Millionen Opfer fordert! Und wir brauchen eine Partei der Arbeiterklasse, die mit einem klaren, sozialistischen Programm diesen Kampf bis
zu Ende gehen.
Wenn du dich unserem Kampf anschließen willst, schreib uns und mach mit
bei der Marxistischen Organisation Offensiv!
[1] Gründer
des IT-Unternehmens mediaaccess, das es Großunternehmen ermöglichen soll,
Kollegen im Ruhestand für Projekte „gezielt zu reaktivieren“ https://www.media-access.net/unternehmen/ueber-uns/
[4] An
ähnlichen Schichten versucht nun u.a. auch Martin Sellner bei den Hygienedemos
in Österreich anzuknüpfen https://www.youtube.com/watch?v=p5S_VA_lX6M
[5] Eine
ihrer Kundgebungen in Hamburg, an der nicht mehr als 100 Teilnehmer teilnahmen,
wurde in der Morgenpost als Versammlung mit rund 750 Teilnehmern
dargestellt.