Beatriz García, Izquierda Revolucionaria - Asturias, Veröffentlicht auf Spanisch am 14. Dezember 2019
Der Internationale Währungsfond hat in seinem Juni-Bericht
die Wachstumsprognose der USA von 2,3 auf 2,6% nach oben korrigiert.
Gleichzeitig warnte es vor den „problematischen“ sozialen Indikatoren des
amerikanischen Giganten, wie der wachsenden Anzahl an Armen, deren Anzahl
mittlerweile auf 45 Millionen, 14 Prozent der Gesamtbevölkerung angewachsen
ist.
Der Niedergang der Lebensbedingungen der amerikanischen
Arbeiterklasse und einem großen Teil der Bevölkerung, beschleunigt durch die
Folgen von drei Jahren Trumpscher Politik, steht im krassen Gegensatz zur
obszönen Anhäufung ungeheuren Reichtums durch eine winzige Minderheit von
Milliardären und ist Öl im Feuer der politischen Polarisierung, die die
amerikanische Gesellschaft erschüttert.
Eine Welle von Streiks: Die Arbeiterklasse nimmt den Kampf
auf
„Mindestens 40% der Leute, die zu uns kommen arbeiten. Sie
haben zwei oder drei Jobs, sie haben Kinder, versuchen einen Schlafplatz auf
irgendeiner Couch zu bekommen, wohnen in verlassenen Häusern oder in ihren
Autos. Sie kommen hierhin zum essen und gehen zur Arbeit.“ Das berichten die
Betreiber von Essensausgaben für die Obdachlosen in Atlanta. Mittlerweile sind
46 Millionen Amerikaner auf Tafeln angewiesen, 30% mehr als 2007. Die Jobs, die
in den letzten Jahren entstanden sind, sind prekär und haben dem Phänomen „Arm
trotz Arbeit“ neuen Aufschwung gegeben.
Durch diese Not ist die Menge von Konsumkrediten sprunghaft
angestiegen. Laut der Federal Reserve Bank, der amerikanischen Zentralbank,
liegt die Höhe der Verschuldung bei privaten Haushalten mit 13,7 Milliarden
Dollar über dem vorherigen Höhepunkt 2008 während der Bankenkrise.
Gefangen in dieser Situation beteiligen sich größere Teile der amerikanischen
Arbeiterklasse an wichtigen Auseinandersetzungen. Tatsächlich wurden letztes
Jahr so viele Streiks geführt wie seit 1968 nicht. Das Startsignal kam von den
Lehrern in West Virginia. Trotz der Gesetze des Bundesstaates, die eigentlich
Streiks im öffentlichen Sektor verbieten, legten sie für neun Tage ihre Arbeit nieder und konnten eine
Lohnerhöhung von 5% durchsetzen. Inspiriert durch diesen Sieg begannen auch in
den Schulen in Arizona, Colorado, Oklahoma, North Carolina, Kalifornien und
Chicago die Angestellten für eine Verbesserungen ihrer Arbeitsbedingungen zu
kämpfen.
Häufig standen den Streikenden dabei nicht nur ihre
Arbeitgeber, sondern auch die Führung ihrer eigenen Gewerkschaften gegenüber.
Diese versuchten häufig vorschnell faule Kompromisse mit den Bossen zu
erreichen, ohne die Kampfkraft ihrer Mitglieder zu nutzen. Ein Beispiel ist die
Chicago Teachers Union, die eine schwache Vereinbarung traf und den Streik
gegen den aktiven Widerstand von fast der Hälfte der Lehrer abbrach.
Dieselbe Situation lies sich bei den historischen Streiks
bei General Motors beobachten, die am 16. September begannen. Sechs Wochen
Streik, an denen sich circa 50.000 Arbeiter beteiligten, konnten 33 Fabriken
und 22 Logistikzentren lahmlegen. Die Führung der Gewerkschaft UAW verteidigte
die Beendigung des Streiks, obwohl trotz einiger Verbesserungen für einen Teil
der Belegschaften GM nicht von seinem Vorhaben mehrere Betriebe stillzulegen
abgerückt war. 57% der Streikenden akzeptierten die Einigung, da kein Plan, den
Kampf fortzuführen vorlag, obwohl die Opposition dagegen, insbesondere bei den
schlechter bezahlten Beschäftigten und denjenigen im von der Schließung
bedrohten Wrerk in Lordstown (Ohio), in dem 80% gegen den Plan stimmten, stark
war.
Sozialisten in den USA? Das Phänomen Sanders wächst
weiter.
Dieser Anstieg an offenen Klassenkämpfen zeigt eindeutig wie
tief die Grundfesten der amerikanischen Gesellschaft erschüttert sind. Sie sind
der treibende Faktor hinter der Popularität von Bernie Sanders, der als
einziger Kandidat der Demokraten echtes Interesse und Beteiligung an den
Streikbewegungen gezeigt hat. Auch die breite Unterstützung, die der Senator
von lokalen und nationalen Basisgewerkschaftern aus verschiedensten Sektoren
erhält, spiegeln diesen Umstand wider. Die breite Bewegung um Sanders
beunruhigt die Eliten der USA – allen voran die seiner eigenen Partei, die nun
die soziale Unruhe durch das Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump zu
kanalisieren.
Schon während der Wahlkampagne um den Präsidentschaftskandidaten 2016
erschütterte Sanders Erfolg – mit mehr als 13 Millionen Wählern auf seiner
Seite und Siegen in 22 Staaten gegen die Bürokratie der Demokraten – das Machtgefüge
der Partei und eröffnete vielen neuen, linken Kandidaten wie Alexandria
Ocasio-Cortez eine Bühne, auf der sie für ihre sozialen Anliegen kämpfen
können. Ein besonderes Beispiel ist der Fall von Kshama Sawant, die gerade ihre
Wiederwahl in den Stadtrat von Seattle gegen Egan Orion, in den der in Seattle
fast allmächtige Konzern Amazon hunderttausende Dollar investiert hatte. Dreh-
und Angelpunkt ihrer Kampagne war die Forderung, die desaströsen Sozialbehörden
der Stadt durch Besteuerung der größten Konzerne zu finanzieren.
Der Kandidat des Establishments der demokratischen Partei
wird Exvizepräsident Joe Biden und auch viele liberale Medien sind weiterhin
auf seiner Seite. Trotz der Unterstützung des Apparats liegt er in den Umfragen
momentan nur bei 28% [1], und damit nur vier Prozent vor Sanders. Der dritte
Kandidat mit Erfolgsaussichten ist Elisabeth Warren, die sich mit dem von ihr
propagierten Bild als „feministische,
progressive und vernünftige“ Kandidatin im Gegensatz zu Sanders angeblichem
„Radikalismus“ zu profilieren versucht.
Diese Daten verschleiern die spektakuläre Unterstützung die
Bernie Sanders von Basisaktivisten erhält. Als er seine Kandidatur im Februar
2019 ankündigte, erreichte er 6 Millionen Dollar Spenden von 225.000 Kleinspendern
in 24 Stunden. Bei seinen Kundgebungen kamen mehr Zuhörer als bei jedem anderen
Kandidaten, in Oktober in Queens etwa mehr als 25.000.
Die Arbeiterklasse braucht eine Partei
Sanders großer Erfolg ist es, die Bedürfnisse der
arbeitenden Klasse wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Seine Grenzen sind
auf der einen Seite sein Programm, das eher sozialdemokratisch anmutet und
keinen Bruch mit dem Kapitalismus fordert, zum anderen seine Weigerung mit der
Demokratischen Partei zu brechen, und das trotz der bürokratischen Manöver und
Hinterzimmertaktiken, die ihn 2016 die Kandidatur gegen Hillary Clinton
gekostet haben. Auch im Falle eines Sieges bei den Vorwahlen haben Clinton und
andere Funktionäre angedeutet, sie würden Sanders nicht unterstützen, wenn er
bei der Präsidentschaftswahl gegen Donald Trump zur Wahl stände. Diese
Ankündigung zeigt, wie wenig Zugeständnisse eine im Kern bürgerliche Partei
einer Politik im Sinne der Arbeiter machen kann und will, auch wenn sie sich
hundert mal als „progressiv und fortschrittlich“ bezeichnet.
Alle diese Erfahrungen zeigen das Potential und die
Notwendigkeit eine echte Arbeiterpartei mit einem sozialistischen Programm in
den USA zu organisieren. Die Vertiefung der kapitalistischen Krise und der
Aufschwung der Klassenkämpfe öffnen weite Schichten der arbeitenden Bevölkerung
für diese Aufgabe. Sollte es nicht gelingen eine politische Vernetzung und
Führung herzustellen, ist zu befürchten, dass die Arbeitskämpfe auf lokaler
Ebene versanden und an ihrer Zersplitterung scheitern.
[1]: Stand 28.1.2020, RealClearPolitics Average