Miguel Empleado, Offensiv (Hamburg)
Veröffentlicht online am 29.09.2019
Während am 20. September 1,4 Millionen Menschen für Klimaschutz demonstriert und gestreikt haben, hat die Merkel-Regierung in einer Pressekonferenz das von ihr geplante „Klimapaket“ vorgestellt.
Veröffentlicht online am 29.09.2019
Während am 20. September 1,4 Millionen Menschen für Klimaschutz demonstriert und gestreikt haben, hat die Merkel-Regierung in einer Pressekonferenz das von ihr geplante „Klimapaket“ vorgestellt.
Das Paket beinhaltet unter anderem folgende Maßnahmen:
X Eine schrittweise
Bepreisung von CO2-Ausstoß über einen Zertifikathandel, der mit 10€ pro
Tonne beginnen und bis 2025 auf 35€/Tonne ansteigen soll.
X Eine Verteuerung von
Benzin und Diesel auf vorerst c.a. 3 Cent, die aber weiter auf 12 Cent
ansteigen soll.
X Erhöhung der
Pendlerpauschale von 30 auf 35 Cent
X Steuerentlastungen auf energiesparende
Heizsysteme
X Abwrackprämie für
alte Ölheizungen
X Kaufprämie für
Elektroautos unter 40.000€
X Senkung der
EEG-Umlage
X Senkung der Mehrwertsteuer auf Bahntickets
X Erhöhung der Flugpreise
Klimapaket: Wem es stinkt und wem es duftet
Damit wird das geplante Klimapaket vor allem
Niedrigverdienern und Armen schaden. Höhere Flug- und Treibstoffpreise werden
vor allem denjenigen schaden, die sich die Kostensteigerung nicht leisten
können oder nicht das Geld haben, arbeitsnahes Wohnen zu finanzieren. Die
geplante Pendlerpauschale wird vor allem besserverdienenden Schichten nutzen,
denn Geringverdiener zahlen gar nicht so viele Steuern, dass sie Pauschale
absetzen können. Auch die geplante Senkung der Mehrwertsteuer auf Bahntickets
ist eine Mogelpackung, weil sie nicht annähernd den Preiserhöhungen der
vergangenen (und kommenden) Jahre gleichkommt. Ein Beispiel: Das
„Schönes-Wochenende-Ticket“ kostete bei seiner Einführung 1995 15 D-Mark
(7,50€) und galt das ganze Wochenende, heute liegt der Preis für einen Tag pro
Person bei 44€. Auch ist bei all den geplanten Maßnahmen nicht auszuschließen,
dass wieder etliche Schlupflöcher für Großkonzerne geschaffen werden, um
Profiteinbußen zu umgehen, wie das auch schon bei der EEG-Umlage gemacht wurde.
Der größte Fehler des „Klimapakets“ liegt aber da, dass es
fast ausschließlich den Bereich des Konsums betrifft und die Frage der
Produktion unangetastet lässt. An unsozialen und umweltschädlichen Produktionsbedingungen
ändert das nichts. Damit werden die einfachen Verbraucher für das Profitstreben
der Chefetagen privater Unternehmen und Banken in Haftung genommen.
Heute schon hat sich das Klima im Vergleich zum
vorindustriellen Niveau um circa 1 Grad erwärmt, und jedes der vergangenen
Jahre war das heißeste je gemessene Jahr. Um die Klimakatastrophe abzuwenden,
braucht es radikale Schritte zur demokratischen Organisierung der Gesellschaft
und Wirtschaft entlang von ökologischen und sozialen Interessen. Das
vorgestellte Klimapaket der Merkel-Regierung ist dagegen ein schlechter Witz.
Eine Regierung, die vor dem Hintergrund von Artensterben und Polkappenschmelze
debattiert, ob ein Kohleausstieg 2035 möglich ist, macht sich tagtäglich überflüssig.
Die Herrschenden sind sich uneins
Massenbewegungen zwingen die Politik zur Reaktion und
rütteln die politische Landschaft auf. In den Verhandlungen zum „Klimapaket“
wurde eine tiefe Uneinigkeit zwischen den Parlamentsparteien deutlich: Die
Grünen greifen nun die CDU für die Begrenztheit des Klimapakets an und liegen
in Umfragen mit der Union gleichauf, die AfD hingegen leugnet den
menschgemachten Klimawandel und lehnt das Klimapaket deshalb grundsätzlich ab
und die FDP fürchtet zu hohe Belastungen für die Unternehmerschaft. Der Auftrieb,
den das Klimathema den Grünen verleiht, hat ein Ablaufdatum und eröffnet
außerdem Möglichkeiten für die AfD sich als „radikale Opposition“ darzustellen,
gerade wenn die Desillusionierung über die grünen Sozialverbrecher um sich
greift. Gleichzeitig ist letztendlich keine der pro-kapitalistischen Parteien
in der Lage, die drängenden sozialen und ökologischen Probleme so radikal zu
beantworten, wie sie es erfordern.
Wo steht die
Bewegung?
Die jetzt eingeführten Maßnahmen wurden in den Medien
vorbereitet, indem Reformen wie die CO2-Bepreisung als Forderung der Fridays
for Future Bewegung „von unten“ präsentiert wurden. Tatsächlich fordern
bekannte Gesichter von FFF wie stern-Kolumnistin und Grünen-Mitglied Luisa
Neubauer eine noch radikalere Bepreisung von CO2 als es das Paket schon
vorsieht. Sie tun so, als stünde die gesamte Bewegung von Millionen Menschen
vereint hinter ihnen. In Wahrheit verläuft durch die Bewegung eine tiefe soziale
Spaltung zwischen Interessensgruppen wie „Leaders for Future“ oder Kapitalisten
wie Elon Musk, die von einer CO2-Steuer und der Verkaufssteigerung von E-Autos
direkt profitieren, und den Arbeitenden und Armen, denen nur echter und sozial
gerechter Umweltschutz weiterhilft. Doch wird die Frage nach einem sozial
gerechten Umweltschutz nicht beantwortet, bleiben auch Arbeitende und Arme gespalten.
Ein Teil unterstützt die heutigen Proteste aus einem berechtigten Interesse am
Umweltschutz. Andere wiederum fallen in eine Ablehnung der Umweltbewegung, weil
sie wenig Verständnis für den öffentlichen Hype um Greta Thunberg aufbringen, aus
Alternativlosigkeit am Individualverkehr festhalten und vieles mehr. Es ist
dementsprechend kein Wunder, dass die Facebook-Gruppe „Fridays for Hubraum“
heute mehr Reichweite hat als „Fridays for Future“.
Für die Einheit der Arbeiter und Armen
Umwelt und Soziales gehören zusammen. Im Kapitalismus
berauben uns die Chefetagen der Banken und Konzerne unserer Lebensgrundlage
genauso wie unserem sozialen Auskommen. Denn was wir hier und heute brauchen
ist gute Arbeit, ein sicherer Arbeitsplatz und ein gerechter Lohn. Wir brauchen
eine Infrastruktur und eine Wohnungspolitik, die auf günstiges, arbeitsnahes
Wohnen und einen kostenlosen ÖPNV ausgelegt sind. Und natürlich brauchen
wir für ein gutes Leben nachhaltige Produktion und Umweltschutz. All das muss
sich auch die Umweltbewegung auf ihre Fahnen schreiben. Denn eine
Umweltbewegung, die gegen die sozialen Interessen der arbeitenden Menschen und
Armen handelt, wird die Unterstützung der Massen verlieren und ihre Ziele nicht
erreichen.
Es ist notwendig, dass Kräfte wie Gewerkschaften und LINKE,
die sich die soziale Gerechtigkeit auf die Fahnen schreiben, sich eindeutig
gegen das von der Bundesregierung geplante Klimapaket aussprechen und dagegen
auf der Straße mobilisieren. Wir dürfen nicht vergessen, dass es eben eine
solche „Öko“-Steuer (eine grün angemalte Umverteilung nach oben) war, die in
Frankreich über Monate Massen gegen Macron auf die Straße getrieben hat. Als
einzige Partei überhaupt wäre DIE LINKE in der Lage, die Karte eines sozial
gerechten Umweltschutzes auszuspielen und auch die Grünen in ihrer Rolle
anzugreifen. Tut sie das nicht, droht sie der AfD die Kritik am Klimapaket zu
überlassen und verschafft ihr weiteren Aufwind. Schon jetzt hat sich Alice
Weidel öffentlich über die „Abzocke“ im Klimapaket beschwert und Jörg Methen davor
gewarnt, das Klimapaket könnte „Deutschlands gesamte Industrie abschaffen“.
Vor dem Hintergrund neu angekündigter massenhafter Stellenstreichungen
u.a. bei BMW im Angesicht der kommenden wirtschaftlichen Einbrüche muss die
Frage des Arbeitsplatzabbaus auch im Zusammenhang mit dem Umweltschutz
beantwortet und von links eine Garantie aller Arbeitsplätze und die Schaffung
neuer Stellen sowie eine sofortige Abschaffung der Leiharbeit gefordert werden.
Auch die Gewerkschaften und Betriebsräte der Großbetriebe dürfen sich heute
schon zum angekündigten Stellenabbau nicht als Partner der Bosse präsentieren,
sondern müssen die Kolleginnen und Kollegen auf die Straße holen und den Chefs
den Kampf ansagen.
Dabei reicht es nicht wie Frank Bsirske die Kolleginnen und
Kollegen dazu aufzurufen, auszustempeln und auf die Straße zu gehen. Was es
bräuchte ist eine massive Mobilisierung und Vorbereitung auf ernsthafte politische
Streiks des DGB mit weitgehenden sozialen und ökologischen Forderungen. Denn
anders als es uns von Teilen der Führung der Bewegung erzählt wird, werden wir
unser Klima nicht mit den Unternehmern retten sondern nur gegen sie.
Für den Sozialismus
Die kapitalistische Privatwirtschaft wird nicht in der Lage
sein, unsere sozialen und ökologischen Interessen umzusetzen. Angela Merkel hat
richtig erkannt, dass das Klimapaket das ist, was (in dem Grenzen des Kapitalismus)
machbar ist. Die „Klimaverhandlungen“ haben einmal mehr bewiesen, dass keine
bürgerliche Partei in der Lage ist, wirklich radikale Maßnahmen zur
Umweltrettung umzusetzen. Würden wir in einer wirklich demokratischen
Gesellschaft, mit direkter Kontrolle über die Wirtschaft und ihre Planung
entlang der Interessen der Arbeitenden leben, könnten wir über Nacht über
radikale und notwendige Schritte zum Schutz der Umwelt entscheiden und müssten
nicht die Wahl zwischen Ökologie und Sozialem treffen. Groß angelegte
staatliche Wirtschaftsprogramme könnten die Wirtschaft nachhaltig
umstrukturieren, die komplette arbeitsfähige Bevölkerung beschäftigen und dabei
noch die Arbeitszeit massiv verkürzen. Für eine solche Gesellschaft, eine
sozialistische Gesellschaft im Weltmaßstab, kämpfen wir!