Ana García, Exekutivkomitee von
Izquierda Revolucionaria
(Internationale Revolutionäre
Linke im Spanischen Staat)
Auf Spanisch veröffentlicht
am 28. März 2020
Die USA ist
weltweit das Land mit den meisten bekannten Fällen von Corona, und das
Schlimmste steht ihnen noch bevor. Dadurch, dass in den USA mehr als 27
Millionen Menschen ohne jegliche Art von Krankenversicherung leben und das
Gesundheitssystem in privater Hand ist, ist es schwer das tatsächliche Ausmaß
zu beziffern, jedoch werden Millionen mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben für die
neoliberale Politik der letzen Jahrzehnte zahlen. Als wäre das nicht genug,
kündigt sich eine wirtschaftliche Rezession mit katastrophalen Folgen an, die
noch verehrender sein könnten als
die der Rezession von 1929. All das passiert während sich die USA in einem offenen
Konflikt mit China um ihre hegemoniale Vormachtstellung befindet.
Das
Coronavirus enthüllt die Schattenseite des größten Wirtschaftswachstums der
Geschichte
Laut
UNO-Berichten sind die Vereinigten Staaten das reichste Land mit dem höchsten
Grad an Ungleichheit weltweit. Der Propaganda, die bis vor wenigen Wochen das
größte Wirtschaftswachstum in der Geschichte anpries, stehen 40 Millionen
Menschen, die in Armut leben, 18,5 Millionen in extremer Armut und 5,3
Millionen Menschen, die unter Armutsbedingungen ähnlich der Dritten Welt leben
gegenüber. Das ist das Ergebnis der Folgen der Krise von 2008: massive
Verarmung der Arbeiterklasse und der Mittelschicht (65% der Bevölkerung hat
Angst, ihre Rechnungen nicht mehr zahlen zu können)und auf der anderen Seite
streichen die großen Tycoons
dank Maßnahmen wie der Steuerreform von Donald Trump, durch die den reichsten
20% des Landes 205 Milliarden Dollar geschenkt wurden, enorme Gewinne ein.
Die Auswirkungen
der Corona-Pandemie zeigen auf, in welcher prekären Situation sich die
amerikanische Gesellschaft befindet. Es ist kein Zufall, dass sich der Kandidat
für die Vorwahl der Demokraten, Bernie Sanders, den Kampf für ein allgemeines,
öffentliches Gesundheitssystem auf die Fahne geschrieben hat. Das Fehlen
öffentlicher Gesundheitsversorgung bedeutet für viele Menschen den Ruin. Keine
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und exorbitante Arztrechnungen führen dazu,
dass Menschen ihren Job verlieren, ihre Miete oder Hypothek nicht zahlen können
oder sogar bankrott gehen. Dies ist leider
eher der Normalfall als die Ausnahme.
Diese
Pandemie ist der Tropfen, der die bereits prekäre Situation zum Überlaufen
bringen wird. Um das Ausmaß dieser Katastrophe zu veranschaulichen, die in den
USA zehntausende Menschenleben kosten wird, hier einige Zahlen: Nach einer
Analyse der Kaiser Family Foundation (einem US-Gesundheitsdienstleister) werden
sich die Behandlungskosten für jemanden, der einen leichten Verlauf des
Coronavirus hat und krankenversichert ist, auf ca. 9.763 Dollar belaufen; für
jeden, der Komplikationen während der Behandlung erleidt, steigen die Kosten
auf 20.292 Dollar; und für jeden, der gar nicht versichert ist, steigt der
Gesamtbetrag auf 34.927 Dollar. Die Tatsache, dass 20 % der US-Bevölkerung gar nicht
oder nur minimal krankenversichert sind, spricht dafür, dass das Ausmaß dieser
Pandemie verheerend sein wird. Auch weil es in den Vereinigten Staaten kein
Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt. Der Mangel an Versicherungen,
das fehlende Geld und die Angst vor Kündigung sind ein wahrer
Sprengstoffcocktail: Millionen Menschen werden keine medizinische Hilfe in
Anspruch nehmen, weil sie unmöglich exorbitante Arzt- oder
Krankenhausrechnungen zahlen können, viele werden krank zur Arbeit gehen und
andere anstecken. Erschwerend kommt hinzu, dass in den USA auf 1.000 Einwohner
2,5 Krankenhausbetten kommen (im Vergleich sind es 3 in Spanien, 3,4 in
Italien, 6,5 in Frankreich und 8,3 in Deutschland). Außerdem mangelt es an medizinischer Ausrüstung: Die
Zahl der Beatmungsgeräte beläuft sich im ganzen Land auf unter 70.000, in New
York benutzen Ärzte und Krankenschwestern Müllsäcke als Schutzanzüge. Und das
ist erst der Anfang.
Angesichts
dieser Notsituation gab es in den Vereinigten Staaten keine Präventionsmaßnahmen.
Die Haltung der Regierung mit mehr als 92.000 Infizierten und 1.300 Toten ist
erschütternd. Jeder Staat handelt unabhängig und unkoordiniert nach eigenen
Empfehlungen, einige Staaten raten ihren Bewohnern nicht rauszugehen,
unternehmen aber keine Anstrengung dies tatsächlich durchzusetzen, und
natürlich lassen die Kapitalisten die Unternehmen bis zur letzten Minute offen.
Es ist das gleiche Spiel wie in China, Korea, Italien, Spanien etc., die schon
in der Situation mit völlig überforderten Krankenhäusern und zehntausenden von
Toten waren. Die Forderung des Bürgermeisters von New York (mit 15x mehr Fällen
als anderen Städten) und seines Gouverneurs an das Weiße Haus, die Produktion
und Verteilung von medizinischen Geräten zu verstaatlichen, zeigt, dass sie
sich der kommenden Katastrophe sehr wohl bewusst sind.
Die von Trump
angekündigten Maßnahmen – die mit einer großen Prise Patriotismus gewürzt sind
und dem „chinesischen Virus“ alles Übel vorwerfen – haben kein anderes Ziel,
als wie immer die Interessen der großen Wirtschaftsmächte zu wahren. Parallel
zu der unbegrenzten Liquiditätsversorgung,
die die Federal Reserve (Fed) den großen Aktien- und Anleiheninhabern eingeräumt
hat, kündigte Trump vor einigen Tagen die Einrichtung von Feldkrankenhäusern in New York,
Washington und Kalifornien mit insgesamt 4.000 Betten an: dies sind weniger
Betten, als die Madrider Kommune in der IFEMA
eingerichtet hat!
Trumps Sorge ist
nicht das Leben der Millionen Menschen, die jetzt Gefahr laufen sich mit dem
Virus zu infizieren, und auch nicht das Abwenden der Folgen der
Wirtschaftskrise. Sein Gerede davon, Politik für die einfachen Leute zu machen, stellt sich als falsches Verbrechen
heraus. Seit 2008 ist das Vermögen der reichsten 10% 115x stärker gestiegen als
das der ärmsten 10%. In diesen Jahren haben große Unternehmen enorme Gewinne eingestrichen,
die größtenteils für den Rückkauf eigener Aktien verwendet wurden, wodurch ihre
Preise massiv angestiegen sind. Das Problem ist, dass diese Gewinne nicht in
die produktive Wirtschaft
geflossen sind, sondern in Aktien, die von der Realwirtschaft losgelöst sind und
künstlich aufgebläht wurden. Damit greifen
die Kapitalisten wieder zu denselben Maßnahmen, die sich schon beim Versuch das
eigentliche Problem, die Überproduktion, zu lösen, als wirkungslos erwiesen
haben.
Die großen
amerikanischen Fluggesellschaften sind ein gutes Beispiel dafür, was passiert
ist: Laut Bloomberg haben sie seit 2010 96% ihres verfügbaren Cashflows für
Aktienrückkäufe ausgegeben und fordern jetzt die Rettung durch den Staat.
Boeing verlangt 60 Milliarden Dollar, obwohl sie in den letzten zehn Jahren 65
Milliarden für die Auszahlungen von Dividenden und Rückkäufe ausgegeben haben.
Das ist keine Ausnahme, sondern, wie die bürgerliche Presse selbst einräumt,
die Linie, die die meisten großen Firmen fahren.
„Das ist
keine Rettungsaktion, wir erwägen es nur, bestimmten Unternehmen bestimmte
Dinge zur Verfügung zu stellen“, so der früher der Finanzminister, Steve
Mnuchin. Aber natürlich ist es das! Wie 2008 werden die Reichen auf Kosten der
Armen gerettet. Wie immer in Krisenzeiten greifen die wirtschaftsliberalsten, die
Verteidiger des freien Wettbewerbs, der Steuersenkung etc. auf den Staat
zurück, um ihn mit dem Vorwand des Gemeinwohls auszuplündern. Wenn die Fed Mitte März eine Zinssenkung auf null
und einen 700 Milliarden Dollar schweren Konjunkturplan (den größten seit der
Rezession von 2008) zum Kauf von Vermögenswerten an der Börse ankündigte, dann
hat sie am Sonntag, dem 22. März, in dem Versuch, die „Märkte“ zu beruhigen, „unbegrenzte
Käufe von Vermögenswerten“ „so lange es
sein muss“ angekündigt. Offensichtlich für die großen Tycoons. Natürlich werden weder die
kleinen und mittleren Unternehmen, noch die einfachen Leute auch nur einen Penny
davon zu Gesicht bekommen. Auch werden sie nicht bei der Tilgung ihrer
laufenden Kosten oder bei Hypothekenzahlungen unterstützt.
Der Senat hat
mit rund 2 Billionen Dollar gerade den größten Rettungsplan der Geschichte für
die „Hilfe für Unternehmen und Bürger“ verabschiedet. Der wahre Betrag wird
sich, nach dem Leiter des Wirtschaftsrates des Weißen Hauses, Larry Kudlow, auf
6 Billionen Dollar belaufen, wenn man den 4 Millionen Dollar-Kredit der Fed dazurechnet.
Nach der Propaganda über die hitzigen Diskussionen, die die Demokraten mit dem Argument der
Plan solle mehr „Schutz für die Beschäftigten der geretteten Unternehmen und
eine Krankenversicherung für die Schwächsten“ bieten auslösten, einigten sich
Demokraten und Republikaner darauf, 500 Milliarden von diesen zwei Billionen direkt
für Kredite und Garantien für große Unternehmen zu verwenden, und es bleibt undurchsichtig
wie und unter welchen Bedingungen diese Kredite bereitgestellt werden. Der Plan
verspricht auch direkte Hilfe für Bürger, mit Schecks für Familien und 367 Milliarden für kleine und mittlere Unternehmen. Sie werden gezwungen sein, irgendeine Form
von Hilfe anzubieten, um einer unmittelbaren sozialen Katastrophe zu entgehen
und die Folgen für Arbeitslose und
Entlassene abzudämpfen; die Wahrheit ist aber, dass diese Maßnahmen nur ein
Tropfen auf dem heißen Stein sind, die die katastrophalen sozialen Folgen nicht
abwenden werden. Die Rechnung für diese billionenschwere Rettungsaktion lastet
wie immer auf den Schultern der Arbeiterklasse.
Viele Stimmen
sprechen bereits jetzt von einer wirtschaftlichen Katastrophe, mit größeren
Auswirkungen als der Rezession von 1929. Das Bruttoinlandsprodukt der USA ist
zwischen 1929 und 1933 um 30% gesunken; das gleiche hat Morgan Stanley für das
zweite Quartal 2020 berechnet. Andere sagen noch schlimmere Szenarien voraus.
James Bullard, Vorsitzender der Federal Reserve von Saint Louis und Mitglied
des Offenmarktausschusses der US-Notenbank, sagt für das zweite Quartal diesen
Jahres einen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts von 50% und eine
Arbeitslosenquote von 30% voraus. Um eine Vorstellung zu bekommen: Die
Arbeitslosigkeit während der Großen Depression in den USA erreichte 25%.
Dies bedeutet eine massive Zerstörung der Produktivkräfte.
Es gibt keine andere Möglichkeit, den Zyklus wieder zu beleben. Kapitalspritzen
können das zentrale Problem eines mit Rohstoffen gesättigten und nicht
aufnahmefähigen Marktes nicht lösen, bis er in einer Abwärtsspirale gerät und die
notwendige Neuanpassung
erreicht: Armut und Arbeitslosigkeit werden die Nachfrage und damit die Marktsättigung weiter senken. Der
Trend zur Konzentration des Kapitals wird sich wie im Jahr 2008 verstärken und
unweigerlich zu noch extremerer sozialen Polarisierung und Ungleichheit führen.
Das unterstreicht die absolute Unfähigkeit der Bourgeoisie
und des Kapitalismus, auch nur das Mindeste für die Mehrheit der Bevölkerung zu
tun. Das konnten wir schon bei anderen Gelegenheiten sehen. Mit der Perspektive
von zehntausenden Todesfällen besonders in arbeitenden Familien im meist entwickelten
Land der Welt hat man schreckliche Bilder wie die der Auswirkungen des
Hurrikans Katrina im Jahr 2005 vor dem inneren Auge, die das Elend auf den Straßen
von New Orleans und den Südstaaten Nordamerikas und Unfähigkeit der größten
kapitalistischen Weltmacht enthüllt hat, die Bedürfnisse der arbeitenden und
armen Bevölkerung zu erfüllen. Dieses Mal wird es schlimmer sein, und zwar im
ganzen Land.
Die amerikanischen Kapitalisten kommen durch Trump zu Wort: „Der
Einbruch der US-Wirtschaft könnte
mehr Todesfälle verursachen als das Coronavirus (...) die Heilung kann nicht
schlimmer sein als die Krankheit selbst.“
Dieses Argument reicht anscheinend, um die wenigen Sicherheitsvorkehrungen, die
vorgenommen wurden (Schließung der Grenze und einiger Unternehmen,
Einschränkungen etc.), wieder rückgängig zu machen. Das spielt den Plänen und
Interessen der Kapitalisten in die Hände. Andere Sprecher der amerikanischen
Bourgeoisie stimmen diesem Ansatz zu. Lloyd Blankfein, ehemaliger Präsident von
Goldman Sachs, schlug vor, dass die Bürger in wenigen Wochen wieder arbeiten
sollen. Das Leben von Arbeiterinnen und Arbeitern ist in diesem System wertlos;
wenn Zehntausende (oder mehr) sterben müssen, um ihre Profite und ihre
Positionen auf dem Weltmarkt zu sichern, dann ist das halt so. Das gilt umso
mehr, wenn sie sich in einem offenen Konflikt mit China um die hegemoniale
Vorherrschaft befinden, und der
asiatische Riese klar im Vorteil ist.
Es ist unmöglich, dass diese Ereignisse kein soziales und
politisches Erdbeben auf internationaler Ebene auslösen. Die Krise von 2008 löste
Revolutionen, den Arabischen Frühling, die Besetzung der Wall Street etc. aus. Die Erfahrungen, die die Arbeiterklasse in
dieser Zeit gemacht hat, waren lehrreich. In den Vereinigten Staaten
haben Millionen Menschen Schlussfolgerungen gezogen und sie in der Praxis
umgesetzt. Schon vor Beginn dieser Krise gab es den Aufstand der Lehrer, den
Streik bei General Motors, die Androhung eines Generalstreiks, der durch den Government
Shutdown im letzten Jahr verhindert wurde, die Solidarität der Arbeiterklasse gegen
die Lager für Immigranten, die wachsende Unterstützung für Bernie Sanders etc.
Für die Arbeiterklasse und die Jugend ist das Kräfteverhältnis heute günstiger
als vor 2008, und die gesammelten Erfahrungen werden nicht in Vergessenheit
geraten.
Die Coronavirus-Krise hat nur die Lebensrealität der
Mehrheit der arbeitenden und armen Leute in einem altersschwachen und reaktionären System zum Vorschein gebracht. Dieses
Elend kann nur beendet werden, wenn es uns gelingt eine Gesellschaft zu
erkämpfen, in der Überfluss an Ressourcen kein Grund für Armut und Rückschritt
ist, sondern zum Fortschritt der Menschheit beiträgt. Wir kämpfen für eine
Gesellschaft, in der der von der Arbeiterklasse produzierte Reichtum geplant
und demokratisch organisiert wird, um alle sozialen Bedürfnisse abzudecken, für
eine revolutionäre Alternative und für den Sozialismus.