Alex García, Izquierda Revolucionaria (Spanischer Staat)
Seit Anfang November hat das chilenische
Volk die reaktionäre Regierung Piñera durch Mobilisierungen gegen das verrottete
kapitalistische System in Schach gehalten. Es gab nicht nur die massenhaftesten
Demonstrationen der Geschichte und bis zu sechs Generalstreiks, die der
CUT-Führung von der Bewegung aufgezwungen wurden, die Jugend hat sich auch in
einem heroischen Kampf auf der Straße erhoben. Chile rebelliert weiter, aber
die Bourgeoisie und mit ihr die widerlichen Kollaborateure der reformistischen
Führungen der Sozialistischen Partei und der Kommunistischen Partei, manövriert
hart, um die Bewegung zum Niedergang zu bringen.
Die Regierung Piñera hat absolut alles
versucht. Sie hat zu brutaler Repression gegriffen, die das Leben von 30 von
Militär und Polizei getöteten Demonstranten, Tausende von Verletzten – Hunderte
von ihnen haben ihr Augenlicht verloren – und mehr als 22.000 Verhaftete
gefordert hat. Laut dem letzten Bericht des Nationalen Instituts für
Menschenrechte (INDH) wurden insgesamt 1.383 Beschwerden im Zusammenhang mit der
Repression gegen Demonstranten eingereicht, darunter 192 wegen sexueller
Gewalt, 405 wegen Folter und anderer grausamer Behandlung und 787 wegen
exzessiver Gewaltanwendung. Derzeit befinden sich mehr als 3.000 politische
Gefangene in den Gefängnissen von Piñera.
Der chilenische Staatsapparat hat seine
demokratische Maske abgenommen, und dahinter kommt zum Vorschein, dass der
Geist Pinochets in den chilenischen Institutionen fortlebt. Doch die brutale
Repression hat sich als wirkungslos gegenüber der Entschlossenheit des Volkes
erwiesen. Angesichts des Voranschreitens der Revolution war Piñera gezwungen,
einige formelle Zugeständnisse zu machen, weigerte sich aber gänzlich, seinen
Rücktritt zu erklären. Nun will er den Kampf entwaffnen, indem er eine
Volksabstimmung über die Verfassungsreform einberuft. Eine neue Farce, die mit dem
Deckmantel des demokratischen Übergangs getarnt ist – eine Neuauflage der
Strategie der 1990er-Jahre nach dem Sturz der Diktatur.
Die reformistischen Führer der chilenischen Linken retten Piñera
Die Regierung, die durch den Druck der
Massen in die Enge getrieben wurde, hatte keine andere Wahl, als sich an die
einzige verfügbare Rettungsleine zu klammern, um ihren endgültigen Sturz zu
verhindern: und diese Rettungsleine wurde ihr von den Parteien der chilenischen
Linken angeboten.
Am vergangenen 15. November unterzeichneten
die Sozialistische Partei (PS) und die Breite Front (FA) zusammen mit den rechten
Parteien das sogenannte „Abkommen für sozialen Frieden und eine neue Verfassung“.
Dieser Verrat hat die FA in zwei Teile gespalten, so dass der am meisten
rechtsgerichtete Sektor in der Koalition verbleibt. Die Kommunistische Partei
(KPCh) distanzierte sich zunächst wegen des enormen Drucks von der
Unterzeichnung des Abkommens, aber ihre Führung hat bereits ihre „kritische“ Unterstützung
für den „Verfassungskonvent“ getauften Prozess der Verfassungserneuerung
angekündigt.
Die „neue chilenische demokratische
Transition“ (Transition = Übergang, AdÜ)
soll mit der Durchführung eines Referendums am 26. April beginnen, das darüber
entscheiden soll, ob ein neuer Verfassungstext ausgearbeitet wird und auch
darüber, welcher Art das Organ sein soll, das diesen verfassen soll. Nach
dieser ersten Konsultation soll mit der Wahl der Mitglieder des künftigen
Konvents bis Oktober gewartet werden, und nach der Ausarbeitung des neuen
Verfassungstextes wird dieser erneut zur Annahme vorgelegt. Mit anderen Worten,
die chilenische reformistische Linke schlägt vor, einem Verbrecher wie Piñera
fast ein Jahr des sozialen Friedens zu gewähren, im Austausch für eine
Gesetzesreform unter ihrer strengen Kontrolle.
Die einzigen Forderungen der KP angesichts
dieser reaktionären Manöver waren die Forderung nach „Geschlechterparität“
unter den Vertretern des Verfassungskonvents, die Festlegung einer Quote für die
indigenen Völker in ihm, die Sicherstellung der Teilnahme unabhängiger
konstituierender Abgeordneter und ein niedrigeres Quorum für Abstimmungen als es die Rechte vorschlägt (als 2/3). Der Senat
hat diese Maßnahmen bereits abgelehnt. Die Position der KP wurde von ihrem Vorsitzenden
Daniel Núñez vor der Abstimmung im Plenum so zusammengefasst: „Ich werde gegen
das Projekt 'Abkommen für den Frieden' stimmen, weil es hinter dem Rücken der
mobilisierten Menschen durchgeführt wurde. Aber da wir Kommunisten Teil des
Verfassungsprozesses sind, werde ich das Plebiszit am 26. April trotz seiner
Einschränkungen billigen. Wir werden weiter für eine wirklich neue Verfassung
kämpfen.“
Dies ist eine vollständige Kapitulation,
eingehüllt in falsche Argumente. Revolutionäre sollten niemals Teil eines „konstituierenden
Prozesses“ sein, der versucht, das kapitalistische Regime zu retten und einen
Mörder wie Piñera an der Regierung zu halten. Die Pflicht einer Führung, die
sich kommunistisch nennt, besteht nicht nur darin, mit den Tausenden von
Chilenen, die auf der Straße kämpfen, Seite an Seite zu stehen, sondern auch
alle Kräfte der Partei in den Dienst einer Strategie zur revolutionären Umgestaltung
der Gesellschaft zu stellen.
Die Mesa de Unidad Social (MUS), die
wichtigste Gruppierung der sozialen Bewegungen und Gewerkschaften des Landes,
hat eine ähnliche Position eingenommen. Obwohl sie formell gegen das „Friedensabkommen“
ist, hat sie in den letzten Wochen nicht zu Streiks oder großen Mobilisierungen
aufgerufen, und das natürlich nicht ohne Grund. Das Gewicht der KP und der
CUT-Gewerkschaftsbürokratie innerhalb der MUS ist sehr groß, was zweifellos
entscheidend ist, um eine neue Streikwelle zu vermeiden, die den sozialen Frieden,
den sie so schwer durchzusetzen haben, sprengen würde.
Jetzt mehr denn je, alle Macht den Arbeitern und dem chilenischen Volk!
Die reformistischen Führungen der Linken
haben die Losung der Verfassungsgebenden Versammlung von Anfang an zum zentralen
Slogan der Bewegung gemacht. Für die Menschen, die ihr Leben auf der Straße
riskieren, hat dieser Slogan offensichtlich einen sehr konkreten Inhalt: mit
dem aktuellen Stand der Dinge zu brechen und ihre Existenzbedingungen radikal
zu verändern. Die „Verfassungsgebende Versammlung“ – ob nun mit dem Adjektiv „populär“,
„frei“ oder „souverän“ versehen – bietet jedoch nur einen parlamentarischen
Rahmen, um die strittigen Themen zu „debattieren“.
Ein neues kapitalistisches Parlament wird
die Natur des Klassenverhältnisses nicht ändern, in dem die Macht in den Händen
einer parasitären Oligarchie konzentriert ist, die niemand gewählt hat und die
ihre Diktatur über die Gesellschaft durch das Eigentum an den
Produktionsmitteln und die Kontrolle des Staatsapparates ausübt. Wenn dieses
neue Parlament – wie auch immer es heißen mag – und die neue Verfassung die
kapitalistische Ordnung anerkennen und die wirtschaftliche Macht der 10
Familien, die Chile kontrollieren, intakt lassen, wird sich für die Millionen
Arbeiter und Jugendlichen, die heldenhaft kämpfen, nichts Wesentliches ändern.
Während die Bourgeoisie von „Verfassungsreform“
spricht, stärkt sie gleichzeitig ihren Repressionsapparat, um der Bewegung
einen Schlag zu versetzen, wenn die Bedingungen günstiger sind. Deshalb ist es
eine völlige Schande, dass die Abgeordneten der Linken die neue
Anti-Streik-Gesetzgebung, die von der Rechten als „Anti-Streik-Gesetz“
präsentiert wird und die die im Strafgesetzbuch vorgesehenen Strafen gegen
Demonstranten verschärft, unterstützt oder sich wie die Abgeordneten der KP der
Stimme enthalten haben.
Die strategische Aufgabe der
klassenkämpferischen Linken in Chile ist es, diesen mächtigen Aufstand zu
vertiefen und ihm Bestand zu verleihen, indem sie sich eine Kampfstrategie zu
eigen macht für unbefristete Generalstreiks einschließlich der Besetzung von
Betrieben und Bildungsinstitutionen, und für ein konsequentes Programm im
Interesse des Volkes: für die entschädigungslose Verstaatlichung der Banken und
der Monopole des Landes und ihre demokratische Kontrolle durch die Arbeiter und
ihre Organisationen; für öffentliche, würdige, freie und allgemeine Bildung und
Gesundheitsfürsorge; würdige Löhne und stabile Beschäftigung; das Recht auf
erschwinglichen, öffentlichen Wohnraum; würdige Renten, die hundertprozentig staatlich
sind, und ein Ende der AFP (verschiedene private
Rentenfonds, AdÜ); Freiheit für alle politischen Gefangenen und sofortige
Säuberung der Armee, Polizei und Justiz von Faschisten; Prozess und Bestrafung
der Verantwortlichen für die Repression und die Verbrechen der Diktatur; alle
Rechte für das Mapuche-Volk. Für die Sozialistische Föderation Lateinamerikas!
Statt eines kapitalistischen Parlaments,
das vom Regime kontrolliert wird, müssen wir die Cabildos und
Volksversammlungen ausweiten und Aktionskomitees in allen Fabriken, Betrieben, Bildungseinrichtungen
und Vierteln aufbauen... Diese Gremien müssen auf nationaler Ebene durch
jederzeit wähl- und abwählbare Delegierte in einer Revolutionären Versammlung
koordiniert werden, die eine Regierung der Arbeiter wählt, um mit dem
kapitalistischen Regime zu brechen.
Die Kräfteverhältnisse sind nach wie vor
günstig, um diese Ziele zu erreichen. Auch die Weihnachtsfeiertage haben die
Proteste nicht gestoppt. Am Freitag, den 28. Dezember, starb ein junger
Demonstrant bei dem Versuch, dem Tränengas und den Wasserwerfern von Militär
und Polizei zu entkommen. Die traditionelle Silvesterfeier auf der Plaza Italia
wurde in einen großen Protest verwandelt, bei dem erneut der Rücktritt von
Piñera gefordert wurde. Es ist inspirierend zu sehen, wie der Widerstand des
Volkes trotz des enormen Drucks der Führung, ihn einzudämmen, aufrechterhalten
wird.
Die Arbeiterklasse und die Jugend Chiles nehmen
den Faden ihrer kämpferischen Geschichte wieder auf, und es besteht kein
Zweifel, dass der Sturz des kapitalistischen Systems in Chile schon bald
vollzogen wäre, gäbe es eine Arbeiterpartei, die bereit wäre, dieses enorme
revolutionäre Potenzial anzuführen und ihm ein Programm zu geben. Und das ist
die wichtigste Aufgabe des Augenblicks: diese Organisation mit dem Programm des
Marxismus aufzubauen, um die überwältigende Kraft in den Betrieben und auf den
Straßen in einen Sieg zu verwandeln.
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