Marxistische Streitigkeiten. Lenin und Rosa Luxemburg

Juan Ignacio Ramos, Generalsekretär von Izquierda Revolucionaria 
(Schwestersektion von Offensiv im spanischen Staat)
erschienen auf Spanisch am 10. April 2019.


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Es ist bekannt, dass Lenin und Rosa Luxemburg in verschiedenen Fragen der revolutionären Theorie und Praxis Polemiken austauschten: über die revolutionäre Partei, die nationale Frage und das Recht auf nationale Selbstbestimmung, die erweiterte Reproduktion und die kapitalistische Krise, die richtigen Slogans gegen den imperialistischen Krieg oder eine ganze Reihe von Fragen der Politik der bolschewistischen Partei nach dem Sieg der Oktoberrevolution.

Über die Differenzen zwischen Lenin und Luxemburg sind viele Missverständnisse und Übertreibungen entstanden, allgemein wurden über das Thema viel Unsinn und viele Halbwahrheiten verbreitet. Viele der Argumente, die in den Kontroversen zwischen Lenin und Luxemburg ausgetauscht wurden, wurden durch die Erfahrungen des Klassenkampfes bestätigt oder widerlegt. Und wichtig ist auch zu sagen, dass im Wesentlichen Rosa Luxemburg und Lenin eine sehr ähnliche Ansicht zu den wirklich prinzipiellen Fragen marxistischer Politik geteilt haben.

Der Stalinismus mumifizierte nicht nur Lenin und stellte ihn gegen den Willen des bolschewistischen Führers in einem Mausoleum aus; er nutzte seine Schriften auch, um Zitate daraus aus dem Kontext zu reißen, ihn entfremdend nachzuahmen und seine eigene Autorität so auf ihn zu stützen. Nach ihrem Tod wurde auch Rosa Luxemburg einbalsamiert: nicht körperlich, sondern geistig. Viele erklärte Antikommunisten arbeiteten an dieser Aufgabe mit, Elemente, die im Namen der „offiziellen“ Sozialdemokratie ihre Figur entstellen und sie zur Bekämpfung des Marxismus und damit des Leninismus ausnutzen wollten.

Die Versuche, Rosa Luxemburg als Anwältin eines abstrakten, bürgerlichen „Demokratismus“ zu präsentieren oder sie mit einem libertären Furnier zu überziehen, sind eine grobe Karikatur auf ihre Figur. Ein Mittel, dessen sich der Stalinismus wieder und wieder bediente, um sie für ihre vermeintliche Theorie der „Spontanität“ zu verurteilen und in Gegensatz zu den vermeintlich „leninistischen“ Werten der „einzig wahren“ Partei zu stellen.

Organisatorische Fragen der russischen Sozialdemokratie

In der Atmosphäre der internationalen Sozialdemokratie zwischen 1903 und 1910 waren die Debatten über Taktik, Organisation und Programm von einer eindeutigen Linie geprägt: es herrschte die Vorstellung eines revolutionären Sturz des Kapitalismus und einer klassenunabhängigen, proletarischen Politik. Dies stand im Gegensatz zur revisionistischen Idee, allein mit den Mitteln des Parlamentarismus und der bürgerlichen Demokratie zum Sozialismus zu gelangen. Diese Debatte war – damals ebenso wie heute – essentiell für die organisierte Arbeiterbewegung.

Als Rosa Luxemburg 1904 ihre berühmte Schrift „Organisationsfragen der russischen Sozialdemokratie“ schrieb – eine harte Kritik an den Vorstellungen, die Lenin in „Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück“ formulierte – konnte sie nicht ahnen, wie viele Lügen auf Grundlage dieser Schrift noch konstruiert werden sollten.[1]

Woher kam die Kontroverse zwischen Lenin und Luxemburg? Um Luxemburgs Haltung gegenüber Lenin zu erklären, ist es nötig, sich die Phase vor dem Erscheinen ihres Textes anzusehen, konkret die komplizierten Beziehungen, die 1903 zwischen der SDKPiL (Sozialdemokratischen Partei des Königreichs Polen und Litauen, gegründet von Rosa Luxemburg und Leo Jogiches) und den Organisatoren des Zweiten Kongresses der SDAPR (Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands) entstanden waren. Dazu kommt der Fraktionskampf zwischen Bolschewiki und Menschewiki, der auf diesem Kongress ausbrach und bei dem Lenin eine entscheidende Rolle spielte.

Allgemein schenkten Rosa Luxemburg und ihre Genossen der Herangehensweise der Iskra an den russischen Marxismus – die in der Gründung einer russischen Sozialdemokratie, die die Arbeiterklasse des gesamten Reiches ansprechen und organisieren sollte – große Aufmerksamkeit. „Seit 1903“, so schreibt es beispielsweise Paul Nettl, „war Warszawski offiziell vom polnischen Komitee ins Ausland delegiert worden, um mit dem russischen Organisationskomitee über die Teilnahme Polens am Kongress und den Beitritt des SDKPiL zur russischen Partei zu verhandeln. Doch die Polen hatten kein Interesse an den komplizierten Manövern der Ikristen innerhalb der russischen Partei, und sie kannten sich auch nicht gut damit aus. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass einer von ihnen Lenins „Was tun“ gelesen hatte, und es hat sich auch niemand von ihnen dazu geäußert.“[2]

Das gemeinsame Interesse polnischer Revolutionäre und Bolschewiki bestand darin, dass der Bund, die jüdisch-sozialistische Partei, die sich zunehmend auf nationalistische Positionen zurückzog, nicht als autonome Einheit an der neuen Partei teilnehmen sollte, wie er das angestrebt hatte. Aber seltsamerweise wurden die gleichen Bedingungen für den Beitritt der polnischen Sozialisten festgelegt. Der führende Kern der Iskra schlug die Integration der SDKPiL in die SDAPR unter den gleichen Bedingungen vor, wie sie den übrigen Gruppen angeboten wurde.

Nach mehreren zweideutigen Antworten und nach Zögern von Rosa Luxemburg und Leo Jogiches sowie einem Ad-hoc-Kongress der polnischen Sozialdemokraten, der sich mit dem Thema befassen sollte, forderte die Mehrheit der Führer der SDKPiL eine Form der Integration in die russische Partei, die ihre Autonomie in den Angelegenheiten der polnischen Arbeiter auf dem Gebiet Polens, welches unter russischer Kontrolle stand, garantieren sollte, während die SDAPR mit ihren eigenen lokalen Organisationen in Polen zusammenarbeiten sollte.

Diese Forderung durchzusetzen wurde dadurch erschwert, dass die Positionen der SDAPR an der nationalen Frage direkt denen von Rosa Luxemburg entgegen standen. Als Lenin in der Juli-Ausgabe der Iskra im Jahr 1903 offen dafür eintrat, dass die Verteidigung des Rechts auf nationale Selbstbestimmung in Artikel sieben der Satzung der neuen Partei aufgenommen werden sollte, provozierte das auf Seiten von Jogiches und Luxemburg eine heftige Reaktion. Die Tatsache, dass Lenin erklärte, dass diese Position keineswegs einer Unterstützung des Nationalismus im Allgemeinen und des polnischen Nationalismus im Besonderen bedeutete, änderte ihre Meinung nicht. „Wenn sie nicht bereit sind, Artikel 7 zu ändern, müssen wir die [vorgeschlagene] Mitgliedschaft aussetzen. Sagen Sie Sassulitsch, dass ich nach dem Artikel der Iskra kein Interesse mehr an einer Mitgliedschaft habe und dass ich [der Partei] geraten habe, keine Zugeständnisse mehr zu machen“.[3] Rosa Luxemburg war niemand, der seine Positionen leichtfertig verließ.

Lenin und die Iskra akzeptierten das Ultimatum von Rosa Luxemburg und ihren polnischen Kameraden nicht, und alle Versuche, die Verteidigung des Rechts auf Selbstbestimmung aus dem Programm der russischen Partei zu tilgen, waren erfolglos. Auf dem Zweiten Kongress kam es außerdem zu unvorhergesehenen Differenzen, die de facto die Spaltung der russischen Sozialdemokratie bedeuteten. Dies alles wird hier beschrieben, weil es nicht möglich ist, die Debatten zwischen Luxemburg und Lenin zu verstehen, ohne die heftigen Spannungen zu berücksichtigen, die zwischen den russischen Marxisten der bolschewistischen Fraktion der Sozialdemokratie und den polnischen Marxisten um Rosa Luxemburg ausgebrochen waren.

Parallel dazu taten die reformistischen Führer der deutschen Sozialdemokratie zur gleichen Zeit alles, um das Bild der russischen Sozialisten in der Öffentlichkeit völlig zu verzerren. Sie verdrehten die Positionen der Bolschewiki und stellten sich an die Seite der Menschewiki. „Die Menschewiki waren besser bekannt und unterhielten bessere Beziehungen, zumal Plechanow sich auf die Seite der Gegner Lenins gestellt hatte. Folglich ließen sich Martow, Potresov und Dan – und vor allem die Iskra, die sie heute kontrollierten – 1904 von ihren deutschen Genossen beraten. Es ging darum, Lenin zu besiegen [...]. Es war ihnen besonders wichtig, Personen wie Kautsky, Rosa Luxemburg und Parvus gegen ihn aufzubringen. [...] Als Lenin dieser kritischen Unterstützung für die Menschewiki entgegenwirken wollte, indem er Liadow schickte, um den bolschewistischen Standpunkt darzulegen, sagte Kautsky offen zu ihm: „Schau, wir kennen deinen Lenin nicht. Er ist uns unbekannt, aber wir kennen Plechanow und Axelrod sehr gut. Nur dank ihnen konnten wir etwas über das Geschehen in Russland erfahren. Wir können einfach nicht akzeptieren, was Sie über Plechanow und Axelrod sagen, sie seien plötzlich Opportunisten geworden.“[4]

Lenins Bewunderung für die deutsche Sozialdemokratie in diesen Jahren wurde von ihren Führern nie erwidert. Lenin hatte nie die Gelegenheit, dass seine Gedanken bei den Kadern und Aktivisten der deutschen Partei gehört wurden. Kautsky warf den Bolschewiki vor, sie seien „nicht in der Lage“ mit den Menschewiki „zu leben“. Denn wenn Bernstein, Kautsky und Rosa Luxemburg friedlich in der SPD koexistieren könnten, warum bestanden die Russen dann darauf, an ihren inneren Streitigkeiten festzuhalten? „Wie im Streit zwischen den französischen Sozialisten ein paar Jahre zuvor zögerten die Deutschen (....) diese Streitigkeiten nachzuvollziehen. Die Unterschiede waren für sie reine Worthülsen, wenn man bedenkt, was sie in der Praxis bedeuten und wie viel (und wirklich wichtiges) noch zu tun bleibt.“[5]

Paul Nettl beschreibt die Atmosphäre, in der Rosa die russische „Frage“ zur Diskussion stellte: „Nur zwei Menschen in Deutschland wussten wirklich etwas über die Auseinandersetzungen in der SDAPR: Parvus und Rosa Luxemburg. Sie war überzeugt, dass Kautskys Beitrag zur Lösung russischer Probleme bestenfalls allgemein und theoretisch sein würde, weil er die Details völlig ignorierte (....) Die Menschewiki wussten daher genau, was sie taten, indem sie ihre Ansprache auf Parvus und Rosa konzentrierten. Ob es ihr gefiel oder nicht, sie musste sich wieder in die Angelegenheiten Russlands einmischen, nicht als polnischer Kandidat für die Aufnahme in die russische Partei, sondern als deutsche Expertin und Schiedsrichterin unter den streitenden Fraktionen (....) Die menschewistischen Führer waren keine engen Freunde von ihr, sondern ganz im Gegenteil, aber sie hatte auch mit Lenin noch eine Rechnung an der nationalen Frage offen. (....) 1904 nutzte sie – etwas spät – die Gelegenheit, nach dem Ausscheiden Polens aus der Partei die auf dem Zweiten Kongress aufgeworfenen Fragen zu untersuchen und stieß dabei unweiterlich auf Lenins „Was tun?“. Ihre negative Reaktion auf Lenins organisatorische Vorschläge fiel zusammen mit Potresovs Bitte, einen Artikel für die Iskra zu schreiben, und so schlug sie zwei Fliegen mit einer Klasse als sie einen langen Artikel für „Die Neue Zeit“ schrieb und ihn den Russen zur Übersetzung anbot.“[6]

In diesem Artikel verteilte Luxemburg eine Reihe von Schlägen gegen Lenins angeblichen „zentralistischen Eifer“:

Das uns vorliegende Buch des Genossen Lenin, eines der hervorragenden Leiter und Streiter der Iskra in ihrer vorbereitenden Kampagne vor dem russischen Parteitag, ist die systematische Darstellung der Ansichten der ultrazentralistischen Richtung der russischen Partei. Die Auffassung, die hier in eindringlicher und erschöpfender Weise ihren Ausdruck gefunden hat, ist die eines rücksichtslosen Zentralismus, dessen Lebensprinzip einerseits die scharfe Heraushebung und Absonderung der organisierten Trupps der ausgesprochenen und tätigen Revolutionäre von dem sie umgebenden, wenn auch unorganisierten, aber revolutionär-aktiven Milieu, andererseits die straffe Disziplin und die direkte, entscheidende und bestimmende Einmischung der Zentralbehörde in alle Lebensäußerungen der Lokalorganisationen der Partei.“

[...]

„Es hieße aber den aus ihrem Wesen notwendigerweise entspringenden Konservatismus jeder Parteileitung gerade künstlich in gefährlichstem Maße potenzieren, wenn man sie mit so absoluten Machtbefugnissen negativen Charakters ausstatten wollte, wie es Lenin tut. Wird die sozialdemokratische Taktik nicht von einem Zentralkomitee, sondern von der Gesamtpartei, noch richtiger, von der Gesamtbewegung geschaffen, so ist für einzelne Organisationen der Partei offenbar diejenige Ellenbogenfreiheit nötig, die allein die völlige Ausnutzung aller von der jeweiligen Situation gebotenen Mittel zur Potenzierung des Kampfes sowie die Entfaltung der revolutionären Initiative ermöglicht. Der von Lenin befürwortete Ultrazentralismus scheint uns aber in seinem ganzen Wesen nicht vom positiven schöpferischen, sondern vom sterilen Nachtwächtergeist getragen zu sein.“[7]

Etliche ähnliche Zitate finden sich in Luxemburgs gesamten Material. Vorwürfe des Blanquismus, des Jakobinismus, der zentralistischen Herrschaft einer intellektuellen Minderheit über die proletarische Masse innerhalb der Partei. Alles Übertreibungen und eine Kritik an einem Standpunkt, den Lenin so nie vertreten hatte und bei dem Luxemburg offensichtlich von der verdrehten Darstellung der Menschewiki ausgegangen war.

Auch wenn Rosa den Vormarsch von Opportunismus und Reformismus in den Reihen der deutschen Sozialdemokratie stets ihrer Kritik unterzog, unterschätzt sie den Wert von Lenins Denunziation dieser Elemente in der russischen Partei. Es ist wahr, dass der Reformismus nicht auf der Grundlage von Gesetzen bekämpft werden kann, aber man kann die revolutionären Kader im kompromisslosen Kampf gegen diese Tendenzen erziehen, beginnend mit der harten Durchsetzung der demokratisch in Gremien, Kongressen usw. gefassten Beschlüsse und der Anwendung der Methoden der Arbeiterdemokratie als bestes Mittel gegen den kleinbürgerlichen Individualismus. Dies war die Essenz von Lenins Kampf um die Errichtung eines proletarischen Regimes in der Partei, konkret der Methode des demokratischen Zentralismus. Und diese Methode – in ihrer leninistischen Auslegung, nicht in ihrer stalinistisch-bürokratischen Verzerrung – ist weiterhin vollumfassend richtig.

In „Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück“ legte Lenin vor, was er damals (1903-1904) als Kern der Polemik zwischen Bolschewiki und Menschewiki betrachtete, und warnte die Kader vor der reformistischen und opportunistischen Anpassung der letzteren, vor ihrem kleinbürgerlichen Dilettantismus und Individualismus:

„Im Grunde genommen“, so Lenin, „begann die ganze Stellung der Opportunisten in der organisatorischen Frage bereits in den Diskussionen über den § 1 in Erscheinung zu treten: ihr Eintreten für eine verschwommene, nicht fest zusammengefügte Parteiorganisation, ihre Abneigung gegen den Gedanken (den „bürokratischen“ Gedanken) des Aufbaues der Partei von oben nach unten, ausgehend vom Parteitag und der von ihm geschaffenen Körperschaften, ihr Bestreben, von unten nach oben zu gehen und jedem Professor, jedem Gymnasiasten und „jedem an einem Streik Beteiligten“ das Recht zu geben, sich als Parteimitglied zu bezeichnen, ihre Feindseligkeit gegen den „Formalismus“, der vom Parteimitglied die Zugehörigkeit zu einer von der Partei anerkannten Organisation verlangt, ihre Vorliebe für die Psychologie des bürgerlichen Intellektuellen, der bereit ist, nur „platonisch die organisatorischen Beziehungen anzuerkennen“, ihre Nachgiebigkeit gegenüber opportunistischer Spitzfindigkeit und anarchistischen Phrasen, ihre Tendenz zum Autonomismus gegen den Zentralismus“.[8]

Und wie so oft, führte das, was als Meinungsverschiedenheit über Fragen der Organisation begann, zu prinzipiellen politischen Differenzen über die Art der russischen Revolution, das Programm der Partei, Allianzen mit der liberalen Bourgeoisie, der Bauernschaft usw.

Und eben diese Haltung – in der Frage der Organisation wie auch den darauf folgenden politischen Auseinandersetzungen – waren die zentralen Aspekte von Lenins Position, und der größte Fehler der polnischen Revolutionärin war es, sie zu übersehen. Lenin reagierte jedoch geduldig auf Rosas Kritik, in einem Artikel, den Kautsky nicht veröffentlichen wollte, und der in Ton und Form – ganz anders als gegenüber seinen menschewistischen Gegnern – zeigte, dass Lenin Rosa Luxemburg nicht als Feind ansah:

„Ich kann nicht umhin, den deutschen Genossen meinen Dank auszusprechen für die Aufmerksamkeit, die sie unserer Parteiliteratur entgegenbringen, und für ihre Versuche, die deutsche Sozialdemokratie mit dieser Literatur bekannt zu machen, muß jedoch darauf aufmerksam machen, daß Rosa Luxemburgs Artikel in der „Neuen Zeit“ die Leser nicht mit meinem Buch, sondern mit etwas anderem bekannt macht. Darüber möge man an Hand folgender Beispiele urteilen. Genossin Luxemburg sagt zum Beispiel, daß die Auffassung, die hier (d.h. in meinem Buch) in eindringlicher und erschöpfender Weise ihren Ausdruck gefunden habe, die eines „rücksichtslosen Zentralismus“ sei. Genossin Luxemburg meint also, daß ich ein Organisationssystem gegen ein anderes verteidige. Das ist in Wirklichkeit unwahr. In dem ganzen Buch, von der ersten bis zur letzten Seite, verteidige ich die elementaren Grundsätze eines jeden Systems einer jeden nur denkbaren Parteiorganisation. [...] Gen. Luxemburg meint, nach meiner Auffassung erscheine „das Zentralkomitee als der eigentliche aktive Kern der Partei“. In Wirklichkeit ist das unwahr. Ich habe diese Auffassung nirgends vertreten. Im Gegenteil, meine Opponenten (die Minderheit des II. Parteitags) beschuldigten mich in ihren Schriften, daß ich die Unabhängigkeit und Selbständigkeit des Zentralkomitees nicht genügend in Schutz nehme, daß ich es viel zu sehr der im Ausland befindlichen Redaktion des Zentralorgans und dem Rat der Partei unterordne. [...] Gen. Rosa Luxemburg sagt, für die Sozialdemokratie Rußlands sei es keine Frage, daß eine einheitliche Partei notwendig ist, und der ganze Streit drehe sich um den größeren oder geringeren Grad der Zentralisation. In Wirklichkeit ist das unwahr. Hätte sich Gen. Luxemburg die Mühe gegeben, die Resolutionen der vielen Lokalkomitees der Partei, die die Mehrheit bilden, kennenzulernen, so hätte sie leicht verstehen können (das ist übrigens auch aus meinem Buch klar ersichtlich), daß der Streit bei uns hauptsächlich darum geht, ob das Zentralkomitee und das Zentralorgan die Richtung der Parteitagsmehrheit vertreten sollen oder nicht. Über diese „ultrazentralistische“ und rein „blanquistische“ Forderung sagt die werte Genossin kein Wort; sie zieht es vor, gegen die mechanische Unterwerfung eines Teils unter das Ganze, gegen den Kadavergehorsam, gegen die blinde Unterordnung und ähnliche Schreckgespenster zu wettern. Ich bin der Gen. Luxemburg sehr dankbar für die Darlegung des höchst geistreichen Gedankens, daß der Kadavergehorsam für die Partei sehr schädlich ist, aber ich möchte gern wissen: Hält die Genossin es für normal, kann sie es zulassen, hat sie in irgendeiner Partei je gesehen, daß die Zentralbehörden, die sich Parteibehörden nennen, die Minderheit des Parteitags dominieren darf? [...] Ich führte Beweise dafür an, daß gewisse Akademiker in unserer Partei ihre Inkonsequenz und Unbeständigkeit offenbarten und daß sie keinerlei Recht hatten, ihre Disziplinlosigkeit den russischen Proletariern in die Schuhe zu schieben. Die russischen Arbeiter haben sich schon oft bei verschiedenen Gelegenheiten für die Befolgung der Parteitagsbeschlüsse ausgesprochen. [...] Gen. Luxemburg hat die faktische Analyse der verschiedenen Richtungen unserer Partei völlig außer acht gelassen. Und gerade dieser Analyse, die auf den Protokollen unseres Parteitags fußt, widme ich den größeren Teil meines Buches und mache in der Einleitung besonders darauf aufmerksam. Rosa Luxemburg will über die jetzige Lage unserer Partei sprechen und ignoriert dabei vollständig unseren Parteitag, der eigentlich den wahren Grundstein unserer Partei gelegt hat. Man muß das als ein gewagtes Unternehmen ansehen! [...] Sie wiederholt bloße Worte, ohne sich zu bemühen, ihren konkreten Sinn zu begreifen. Sie malt Schreckgespenster an die Wand, ohne erforscht zu haben, was dem Streit wirklich zugrunde liegt. Sie schreibt mir Gemeinplätze, allgemeine Prinzipien und Erwägungen, absolute Wahrheiten zu, sucht aber die relativen Wahrheiten totzuschweigen, die streng bestimmte Tatsachen betreffen und mit denen allein ich operiere. Und da beklagt sie sich noch über Schablonen und beruft sich dabei auf Marx‘ Dialektik. Dieses Abc besagt, daß es keine abstrakte Wahrheit gibt, daß die Wahrheit immer konkret ist.“[9]

Das ist der Kontext, in dem Rosa Luxemburg ihre Texte gegen Lenins Vorstellung der revolutionären Partei schrieb. Ihr Text war eine Polemik von 1904, und bis heute werden die Ideen, die Rosa Luxemburg damals äußerte, so verdreht, als hätte die polnische Revolutionärin ihre Meinung später nicht geändert, als hätte sie viele ihrer Ansichten nicht nuanciert und korrigiert. Wenn wir uns darauf beschränken, zu denken, die Unterschiede zwischen Luxemburg und Lenin wären unverändert geblieben, wie ist es dann möglich, dass Rosa Luxemburg – wenn auch spät – den Beschluss zur Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands und zur weitreichenden Zusammenarbeit mit Lenin und den Bolschewiki beim Aufbau der Dritten Internationale zu fassen?

Auch Trotzki nahm in den hier dargestellten Jahren Positionen ein, die denen von Rosa Luxemburg zu dieser Zeit sehr ähnlich waren. Er nahm als Delegierter für Sibirien an den Sitzungen des Zweiten Kongresses der SDAPR teil, und seine Kritik an Lenin und den Bolschewiki wurde in seiner Broschüre „Unsere politischen Aufgaben“ zusammengefasst.[10] Aber Trotzki konnte lange genug leben, um seine Fehler öffentlich zuzugeben. Er zog eine Bilanz seiner Meinungsverschiedenheiten mit Lenin nach der Spaltung der SDAPR zwischen Menschewiki und Bolschewiki im Jahr 1903 und schrieb Folgendes:

„Meine Trennung von Lenin erfolgte also gleichsam auf „moralischem“, ja sogar auf persönlichem Gebiet. Doch schien es nur äußerlich so. Im Grunde hatte unser Auseinandergehen einen politischen Charakter, der nur auf organisatorischem Gebiet nach außen durchbrach.

Ich zählte mich zu den Zentralisten. Aber es ist außer Zweifel, daß ich mir in jener Periode keine klare Rechenschaft darüber abzugeben vermochte, welch strenger und gebieterischer Zentralismus für eine revolutionäre Partei erforderlich sein würde, um eine Millionenmasse in den Kampf gegen die alte Gesellschaft zu führen. [...] Der Leninsche Zentralismus ergab sich für mich noch nicht aus einer klaren, selbständig durchdachten revolutionären Konzeption. Das Bedürfnis aber, ein Problem selbständig zu erfassen und aus ihm alle notwendigen Schlußfolgerungen zu ziehen, war für mich, wie mir scheint, stets das gebieterischste Bedürfnis meines geistigen Lebens. Die Zuspitzung des auf dem Kongreß entbrannten Konfliktes hatte ihren Grund sowohl in den sich bereits herauskristallisierenden prinzipiellen Fragen, wie in dem falschen Augenmaß der Alten bei der Einschätzung der Größe und der Bedeutung Lenins. [...] Die Alten, und die Alten nicht allein, hatten sich geirrt; das war nicht nur ein hervorragender Arbeiter, das war auch ein Führer, der durch und durch zielgerichtet war und der, wie wohl anzunehmen ist, gerade dann, als er Seite an Seite mit den Älteren, den Lehrern, stand, sich endgültig als Führer zu fühlen und die Überzeugung zu gewinnen begann, daß er stärker und nötiger sei als diese. [...]Wie dem auch sei, der zweite Kongreß bedeutet in meinem Leben einen großen Markstein schon allein deshalb, weil er mich für viele Jahre von Lenin getrennt hat. Die Vergangenheit als Ganzes erfassend, beklage ich das nicht. Ich bin zum zweitenmal zu Lenin gekommen, später als viele andere, aber ich bin gekommen auf eigenen Wegen, nachdem ich die Erfahrung der Revolution, der Konterrevolution und des imperialistischen Krieges durchgemacht und durchgedacht hatte. Ich bin zu ihm sicherer und ernster gekommen als jene „Schüler“, die, zu seinen Lebzeiten, nicht immer an rechter Stelle des Lehrers Worte wiederholten und seine Gesten nachahmten und die nach seinem Tode sich als hilflose Epigonen und als unbewußte Werkzeuge in der Hand feindlicher Mächte erwiesen haben.“[11]

Tatsache ist, dass sowohl Rosa Luxemburg als auch Trotzki, als die Revolution in Russland und Deutschland ausbrach, weit davon entfernt waren, sich bequem im menschewistischen oder kautskyanischen Lager niederzulassen oder sich mit den Anarchisten zu identifizieren, die eindeutig nicht in den Reihen des Bolschewismus standen. Trotzki schloss sich dem bolschewistischen Zentralkomitee an, leitete das Militärische Revolutionskomitee, das den bewaffneten Aufstand in Petrograd organisierte, wurde zum Volkskommissar des Auswärtigen in der ersten Sowjetregierung ernannt und führte die Rote Armee während des Bürgerkriegs gegen die Weißen. Rosa Luxemburg, an der Spitze des Spartakusbundes, kämpfte dafür, den Sieg für die sozialistische Revolution in Deutschland zu erringen, indem sie die Ideen, das Programm und die Methoden des Bolschewismus nachahmte. Fünfzehn Tage vor ihrer Ermordung durch Freikorps-Banden gründete sie die Kommunistische Partei Deutschlands.

Lenin und die deutsche Sozialdemokratie

Die stalinistische Bürokratie schrieb die Geschichte der Partei neu, einschließlich einer umfassenden und tiefgehenden Verzerrung des politischen Werdegangs ihrer alten Kader – eine Tendenz, die in der physischen Vernichtung der alten, leninistischen Garde gipfelte. All dies im Dienste der bürokratischen Kaste und des Personenkults um den neuen „Generalsekretär“. In diesem Zusammenhang ist es durchaus verständlich, dass die stalinistische Geschichtsschreibung nicht akzeptieren konnte, dass Lenin die deutsche Sozialdemokratie und Kautsky, zumindest bis zum Verrat des 4. August 1914,[12] als theoretischen und organisatorischen Bezugspunkt betrachtet hatte.

Der Stalinismus konzentrierte sich lieber auf die unehrliche Praxis, die politischen Debatten der Vergangenheit aus dem Zusammenhang zu reißen, sie mit Fehlern und Übertreibungen zu versehen und so als Waffe in den eigenen Händen zu nutzen. Er deformierte die Geschichte, um sie im eigenen Interesse zu nutzen und eine bürokratisierte, autoritäre und korrupte Führungsriege in der Partei zu installieren. Doch so sehr die Stalinisten auch versuchten, die Spuren der Geschichte zu beseitigen, die herausragendsten Dokumente der Polemik jener Zeit, darunter Lenins Ansichten zur deutschen Sozialdemokratie, sind in zahlreichen Schriften erhalten und leicht zugänglich.

So sah Lenin mit größerer Verzögerung, was Rosa Luxemburg durch ihre eigene Erfahrung viel früher verstehen konnte. Mitte 1905 schrieb er in seiner berühmten Broschüre „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der Demokratischen Revolution“: „Wo und wann habe ich den Revolutionarismus Bebels und Kautskys als „Opportunismus" bezeichnet? [...] Wo und wann sind zwischen mir einerseits und Bebel und Kautsky anderseits Differenzen zutage getreten, die auch nur annähernd so ernst wären, wie z. B. die Differenzen zwischen Bebel und Kautsky in der Agrarfrage in Breslau? [...] Die volle Solidarität der internationalen revolutionären Sozialdemokratie in allen wichtigen Fragen des Programms und der Taktik ist eine unwiderlegbare Tatsache.“[13]

Eineinhalb Jahre später, am 7. Dezember 1906, schrieb Lenin in seinem Artikel „Die Krise des Menschewismus“: „Haben wir doch von Anfang an erklärt (siehe „Ein Schritt vorwärts, zwei Schritt zurück"): irgendeine besondere „bolschewistische" Richtung schaffen wir nicht, wir verteidigen nur überall und stets den Standpunkt der revolutionären Sozialdemokratie. In der Sozialdemokratie aber wird es unmittelbar bis zur sozialen Revolution unbedingt einen opportunistischen und einen revolutionären Flügel geben.“[14]

Lenin bezeichnete den Menschewismus als den opportunistischen Flügel der Sozialdemokratie und dachte dabei nicht an Kautsky, sondern an Bernstein. Sowohl er als auch seine Anhänger betrachteten den Bolschewismus in diesen Jahren als die russische Form des Kautskyanertum. In seinen Werken gibt es reichlich Zitate, Artikel und Erwähnungen, die diese Ansicht bestätigen. Am 20. Dezember 1906 begrüßte Lenin begeistert Kautskys Antwort auf Plechanows Fragen zum Charakter der russischen Revolution: „Was wir gesagt haben – dass unser Kampf für die Positionen der revolutionären Sozialdemokratie gegen den Opportunismus in keiner Weise die Bildung einer ursprünglichen bolschewistischen Tendenz voraussetzt – wurde von Kautsky vollständig bestätigt.“ Auf dem Stuttgarter Kongress der Zweiten Internationale (1907) sagte Lenin: „Die deutsche Sozialdemokratie hat die revolutionäre Perspektive im Marxismus immer beibehalten.“[15]

Am 6. August 1913 veröffentlichte die Prawda einen Artikel von Lenin über das Leben und Werk von August Bebel: „Niemand hat die besonderen Eigenschaften oder Aufgaben dieser Zeit so anschaulich verkörpert wie August Bebel. Als Arbeiter war er in der Lage, einen festen Weg zu starken sozialistischen Überzeugungen zu beschreiten und ein vorbildlicher Arbeiterführer zu werden, der den Massenkampf der Lohnsklaven für ein besseres System der menschlichen Gesellschaft vertritt und daran teilnimmt.“[16] Am 4. April 1914 äußerte er sich erneut sehr deutlich und lobte nach wie vor die „großen Verdienste“ der deutschen Sozialdemokratie und ihre „marxistische Theorie, geschmiedet im unermüdlichen Kampf.“[17]

Er wird diese Haltung bis zum 4. August 1914 beibehalten; bekanntlich dachte Lenin, als er die Kopie des Vorwärts las, der über die Abstimmung der SPD-Bundestagsfraktion über Kriegskredite berichtete, dass es sich um eine Fälschung des deutschen Generalstabs handeln könnte.[18]

Lenins Lob für die SPD macht ihn nicht zu einem Revisionisten. Es ist Teil der Geschichte, in der sein Denken und Handeln geschmiedet wurde, und es wirft Licht auf die Kontroversen zwischen Rosa Luxemburg und dem bolschewistischen Führer im Laufe der Jahre. „Wenn Lenin im Jahre 1903 alles verstanden und formuliert hätte, was für künftige Zeiten erforderlich war“, schrieb Trotzki, „so hätte sein ganzes übriges Leben nur aus beständiger Wiederholung bestanden.“[19]

In jenen Jahren wurden die Beziehungen zwischen Revolutionären nicht auf schmeichelhafte und scheinheilige Weise geführt; dieses reformistische und opportunistische Prinzip „stelle dich mir nicht in den Weg und ich werde mich nicht in deinen stellen“ hatte in ihren Diskussionen keinen Platz. Lenin sah sich selbst als Schüler der deutschen Sozialdemokratie, als er versuchte, eine proletarische Organisation in Russland aufzubauen. Er hatte offensichtlich nicht die Kenntnisse von Rosa Luxemburg aus erster Hand und ihm fehlte daher der umfassende Einblick, über den sie verfügte.

Nach Jahren in der deutschen Partei, aktiver Teilnahme an der täglichen Arbeit, in Gruppen, auf Kongressen, Schreiben in ihren Publikationen; nach ihrer Polemik mit Bernstein, mit dem Gewerkschaftsapparat und mit Kautsky wusste Rosa Luxemburg viel besser als Lenin, aus welchem Holz die deutsche Sozialdemokratie und vor allem auch ihr Führungskreis geschnitten war. Luxemburg wusste, dass hinter Kautskys „Marxismus“, hinter der Legende, die ihn als Engels‘ theoretischen Erben zeichnete und die er als Herausgeber des Theorieorgans der Partei nährte, ein erschöpfter Mann stand, zynisch und zugleich nachsichtig gegenüber der wachsenden Macht der privilegierten Bürokratie innerhalb der Partei. Wieder und wieder gerieten Kautsky und Luxemburg in ihrem Kampf gegen die etablierte Ordnung und die verkrusteten Strukturen der Partei aufeinander. 

Im Jahr 1910 kam es im Zuge der Diskussion über die Wahlreform zum entscheidenden Bruch zwischen Kautsky und Luxemburg. Anscheinend handelte es sich nur um einen kleinen Aspekt der Taktik der Partei, der ihre Streitigkeiten an einen Punkt bringen sollte, von dem es kein Zurück mehr gab. Tatsächlich durchlief Rosa ihr besonderes „1903“, ähnlich dem, was Lenin während des Zweiten Kongresses der SDAPR geschah. In dem Moment, als Rosa Luxemburg öffentlich mit Kautsky brach und ihn beschuldigte, einem neuen Revisionismus die Tür zu öffnen, fand sie keine Unterstützung in den Reihen der russischen Sozialdemokratie. Bedeutete das, dass Lenin keine ausreichend kriegerische Haltung gegenüber Reformismus und Opportunismus eingenommen hatte? Die Dinge so zu sehen, bedeutet, den revolutionären politischen Kampf auf eine absurde und leblose Weise zu betrachten.

Lenin“, schrieb Trotzki, „nahm an diesem Kampf keinen Anteil und unterstützte Rosa Luxemburg nicht vor 1914. Leidenschaftlich mit den russischen Angelegenheiten befaßt, verhielt er sich in internationalen Fragen überaus vorsichtig. In Lenins Augen standen Bebel und Kautsky als Revolutionäre unvergleichlich höher als in den Augen Rosa Luxemburgs, die sie aus größerer Nähe, bei ihrer praktischen Tätigkeit beobachtete und die Atmosphäre der deutschen Politik sehr viel unmittelbarer kennenlernte. Die Kapitulation der deutschen Sozialdemokratie vom 4. August war für Lenin eine völlige Überraschung. Es ist bekannt, daß Lenin die Nummer des Vorwärts mit der patriotischen Deklaration der sozialdemokratischen Fraktion für eine Fälschung des deutschen Generalstabs hielt. Erst als er sich endgültig von der scheußlichen Wahrheit überzeugt hatte, revidierte er seine Beurteilung der Hauptrichtungen der deutschen Sozialdemokratie, und zwar auf „leninistische“ Art, indem er sofort alle Konsequenzen daraus zog. “[20]

Eines der wichtigsten Merkmale der großen Marxisten, die in ihren prinzipientreuen Positionen standhaft bleiben können, ist ihre Ablehnung der Politik des „Prestiges“. Lenin wusste immer, wie man erkennt, wann man sich geirrt hat. Und in dieser Hinsicht gab Lenin unmissverständlich zu, dass Rosa Luxemburg Recht hatte und dass sie die Symptome und Ursachen des Zusammenbruchs der deutschen SPD viel klarer und früher verstanden hatte als er. Am 27. Oktober 1914, zwei Monate nach der Kapitulation der Sozialdemokratie, schrieb Lenin an A. Schljapnikow: „Ich hasse und verachte Kautsky jetzt mehr als den Rest der heuchlerischen, schurkischen, abscheulichen und autarken Herde (...) Rosa Luxemburg hatte Recht, als sie vor einiger Zeit schrieb, dass Kautsky in hohem Maße die „Unterwürfigkeit eines Theoretikers“ besaß: deutlicher noch, er war immer ein Lakai, ein Lakai der Parteimehrheit, des Opportunismus.“[21]

Wenn Lenin in der SPD das Beispiel einer disziplinierten, zentralisierten und von professionellen Revolutionären geführten Partei sah, die er in Russland aufziehen wollte, warum entwickelte sich dann keine sozialpatriotische und versöhnliche Tendenz innerhalb der bolschewistischen Fraktion? Es ist wahr, dass die Bolschewiki ein unermüdliches Werk der Organisation und Propaganda unter den russischen Arbeitern verrichtet hatten, eine Aktivität, die unter geheimen Bedingungen unter dem Feuer der polizeilichen Repression, des Gefängnisses und der Verbannung nach Sibirien durchgeführt wurde. Sie hätten sich anpassen können, wie die Menschewiki, aber das taten sie nicht. Und der Grund dafür liegt im Wesentlichen in dem unnachgiebigen Kampf, den sie auf allen Ebenen gegen die revisionistischen Tendenzen geführt haben, in ihrer unnachgiebigen Verteidigung der Prinzipien des Marxismus – für die sie bei vielen Gelegenheiten als „sektiererisch“ beschuldigt wurden – und in ihrer Verwurzelung im Proletariat, das zum Rückgrat des Bolschewismus wurde und ihm die notwendige Härte gaben, um an seinen revolutionären Zielen festzuhalten:

„Ja, die Bolschewiki arbeiteten hartnäckig und unermüdlich“, schreibt Suchanow, der zur zerbrochenen Gruppe der Menschewiki gehörte. „Sie waren Tag für Tag mit den Massen, in den Fabriken und Werkstätten [...] Die Massen lebten und atmeten zusammen mit den Bolschewiki.“ Auch Miljukow, der Führer der bürgerlichen Partei der Kadetten, bestätigt diese Ansicht: „Sie sprachen und handelten wie Männer, die eine Gewalt hinter sich wussten und erkannten, dass ihnen das Morgen gehörte“.[22]

Reformistische Unterwürfigkeit, Sozialpatriotismus und Zusammenarbeit mit der Bourgeoisie setzten sich in der Fraktion durch, die auf theoretischer Ebene gegen Lenins „autoritäre“ zentralistische und „jakobinische“ Haltung rebellierte. Die Menschewiki liefen Sturm gegen die „Diktatur des Zentralkomitees“, aber als es darauf ankam, kapitulierten sie vor der russischen Bourgeoisie, unterwarfen sich dem Imperialismus und griffen nach der Oktoberrevolution zu Waffen gegen den Arbeiterstaat.

Bewusstsein, Spontanität, Partei

Alle Kontroversen werden mithilfe von Übertreibungen geführt, die, wenn sie aus dem Zusammenhang gerissen werden, zu mehr Verwirrung als Klarheit führen und sogar den Sinn der Diskussion völlig entstellen können. Als Lenin sein berühmtes „Was tun?“ schrieb, widmete er einen wichtigen Teil seiner Überlegungen der Entblößung der opportunistischen Ideen der Ökonomisten und ihres Fetischismus bezüglich der Spontanität der Massen. Um die zentrale Rolle der revolutionären Partei zu unterstreichen, gerade als Iskra danach strebte, alle sozialdemokratischen Tendenzen in einer einzigen Partei für ganz Russland zu vereinen, ging Lenin so weit, zu behaupten, dass die Arbeiterklasse durch ihre eigenen Kräfte nur ein „gewerkschaftliches“ Bewusstsein entwickeln könne und dass die Arbeiter, um weiter zu gehen, um ein sozialistisches Bewusstsein zu erlangen, die Intervention eines externen Faktors, der revolutionären Partei, brauchten.

Diese Formulierung war den vorherrschenden, kautskyistischen Vorstellungen der damaligen Zeit geschuldet. Ende 1901 schrieb Karl Kautsky in der Neuen Zeit:

„Als Lehre hat der Sozialismus offensichtlich seine Wurzeln in den heutigen Wirtschaftsbeziehungen, ebenso wie der proletarische Klassenkampf. Wie letzterer kommt er aus dem Kampf gegen die Armut und das Elend der Massen, die durch den Kapitalismus hervorgerufen werden. Aber Sozialismus und Klassenkampf entstehen weder voneinander noch erzeugen sie sich gegenseitig, sie kommen von unterschiedlichen Voraussetzungen. Das heutige sozialistische Bewusstsein kann nur auf der Grundlage fundierter wissenschaftlicher Erkenntnisse entstehen. In der Tat ist die zeitgenössische Wirtschaftswissenschaft eine Voraussetzung für die sozialistische Produktion, wie zum Beispiel die moderne Technologie, und trotz all ihrer Wünsche wird das Proletariat nicht in der Lage sein, das eine oder andere zu schaffen, denn beide entstehen aus der gesamten gegenwärtigen sozialen Entwicklung. Daher ist der Träger der Wissenschaft nicht das Proletariat, sondern die bürgerlichen Intellektuellen. Tatsächlich liegt es in den Köpfen einiger Individuen dieser Kategorie, wo der zeitgenössische Sozialismus geboren wurde, und durch sie wurde der Sozialismus den intellektuell am weitesten entwickelten Proletariern vermittelt, die ihn dann, wenn die Bedingungen es erlauben, in den Klassenkampf des Proletariats einführen. Das sozialistische Bewusstsein ist daher ein Produkt, das von außen in den Klassenkampf des Proletariats importiert wird, und nicht etwas, das aus ihm in seiner Entstehung hervorgegangen ist. So sagte das alte Parteiprogramm von 1888 zu Recht, dass die Aufgabe der Sozialdemokratie darin besteht, das Bewusstsein über ihre Situation und das Bewusstsein für ihre Mission in das Proletariat einzubringen. Das wäre nicht nötig, wenn sich das Bewusstsein aus dem Klassenkampf entwickelt hätte.“[23]

Lenin hat in „Was tun?“ einen ziemlich ähnlichen Standpunkt vertreten:

 Die Streiks der neunziger Jahre zeigen schon viel mehr Symptome der Bewußtheit: es werden bestimmte Forderungen aufgestellt, es wird im voraus erwogen, welcher Zeitpunkt der beste ist, es werden bestimmte Fälle und Beispiele aus anderen Orten erörtert usw. Waren die Rebellionen lediglich eine Auflehnung unterdrückter Menschen, so stellten die systematischen Streiks bereits Keimformen des Klassenkampfes dar, aber eben nur Keimformen. An und für sich waren diese Streiks ein trade-unionistischer und noch kein sozialdemokratischer Kampf; sie kennzeichneten das Erwachen des Antagonismus zwischen den Arbeitern und den Unternehmern, aber den Arbeitern fehlte – und mußte auch fehlen – die Erkenntnis der unversöhnlichen Gegensätzlichkeit ihrer Interessen zu dem gesamten gegenwärtigen politischen und sozialen System, das heißt, es fehlte ihnen das sozialdemokratische Bewußtsein. [...] Wir haben gesagt, daß die Arbeiter ein sozialdemokratisches Bewußtsein gar nicht haben konnten. Dieses konnte ihnen nur von außen gebracht werden. Die Geschichte aller Länder zeugt davon, daß die Arbeiterklasse ausschließlich aus eigener Kraft. nur ein trade-unionistisches Bewußtsein hervorzubringen vermag, d.h. die Überzeugung von der Notwendigkeit, sich in Verbänden zusammenzuschließen, einen Kampf gegen die Unternehmer zu führen, der Regierung diese oder jene für die Arbeitet notwendigen Gesetze abzutrotzen u.a.m.  Die Lehre des Sozialismus ist hingegen aus den philosophischen, historischen und ökonomischen Theorien hervorgegangen, die von den gebildeten Vertretern der besitzenden Klassen, der Intelligenz, ausgearbeitet wurden. Auch die Begründer des modernen wissenschaftlichen Sozialismus, Marx und Engels, gehörten ihrer sozialen Stellung nach der bürgerlichen Intelligenz an.“[24]

Diese eher einseitige Formulierung zur Frage des Bewusstseins wurde von Lenin nach der Revolution von 1905 korrigiert, und nichts Ähnliches findet sich in seinen späteren Schriften. Lenin selbst würdigte in einem zwölf Jahre später erschienenen Artikel „Was tun“ und stellte es in den spezifischen Kontext des damaligen Parteikampfes:

„[Was tun] ist das Nachschlagewerk der Taktik und Organisationspolitik der Iskra in den 1901er und 1902er-Jahren. Ein Nachschlagewerk, nicht mehr und nicht weniger. Wer sich die Mühe macht, die Archive der Iskra von 1901 und 1902 zu prüfen, der wird zweifellos davon überzeugt sein. Und wer dieses Nachschlagewerk beurteilt, ohne den Kampf der Iskra gegen den damals vorherrschenden Ökonomismus zu kennen und ohne ihn zu verstehen, der wird nur Worte in den Wind werfen“.[25]

Die theoretischen Polemiken und taktischen Unterschiede müssen in dem historischen Rahmen beurteilt werden, in dem sie auftreten, in ihrer Entwicklung verstanden werden und als Teil der lebendigen Erfahrung des Klassenkampfes. Diese Methode ist auch auf die Diskussion über die Spontaneität anzuwenden, ein berühmtes Wort, mit dem versucht wurde, ein ganzes Amalgam aus Halbwahrheiten, Unterstellungen und Anschuldigungen zu schaffen, die nie bewiesen wurden, um zu bestätigen, dass eine tiefe Kluft die Ansichten von Rosa Luxemburg von denen Lenins‘ getrennt hätte.

Eine aufmerksame und detaillierte Untersuchung dieser vermeintlichen Polemik zeigt, dass diese Legende vor allem von den stalinistischen Epigonen erfunden wurde und später von einigen ehemaligen Marxisten wieder aufgenommen wurde, die in das Feld des Anarchismus übergelaufen sind.[26]

Die Diskussion über Spontaneität lässt sich anhand von Rosa Luxemburgs Schrift „Massenstreik, Partei und Gewerkschaften“ nachvollziehen, einem Plädoyer gegen Klassenkollaboration und dem bürokratischen Konservatismus der Spitzen von SPD und Gewerkschaften. Rosa Luxemburg betont darin die wichtige Erfahrung des revolutionären Kampfes der russischen Streikbewegungen, die enorme Bedeutung des direkten Handelns der Arbeiterklasse, die mit der Frage des Generalstreiks offensichtlich größte Bedeutung erlangt hatte, wandte sich gegen die reformistische Sklerose der deutschen Gewerkschaftsführer, und wurde deshalb von ihren Gegnern des „anarchistischen Abweichlertums“ und des „Spontanismus“ beschuldigt.

Diese Angriffe, die 1906 stattfanden, wurden später von den Stalinisten aufgegriffen. „Rosa Luxemburg“,  so schreibt Frölich, „hat einen Fehler gemacht. In ihrer Schrift dachte sie nicht an die erhabenen Herren, die ihre Gedanken nach ihrem Tod korrigieren würden. Auf diese Weise konnte man ihre „Theorie der Spontaneität“ demonstrieren, indem man Dutzende von Zitaten aus ihren Schriften entriß.“

Rosa Luxemburg und Lenin verstanden vollkommen, dass die Dynamik des Klassenkampfes und die Intervention der Revolutionäre in ihn nicht durch einen in den Parteibüros ausgearbeiteten millimetergenauen Plan entschieden werden konnte. Beide wurden nicht müde, zu wiederholen, dass die Revolution komplexer und vielfältiger in den Ereignissen sei als jede doktrinäre Formel. „Die Geschichte im allgemeinen und die Geschichte der Revolutionen im besonderen ist stets inhaltsreicher, mannigfaltiger, vielseitiger, lebendiger, „vertrackter“, als die besten Parteien, die klassenbewußtesten Avantgarden der fortgeschrittensten Klassen es sich vorstellen.[27] Lenin schrieb dies 1920, und ähnliche Ansätze finden sich in Dutzenden von Werken von Rosa Luxemburg.
Ausgehend von dieser dialektischen, nicht-mechanischen Herangehensweise leugnete Rosa Luxemburg nie die Rolle der Organisation, der Partei und natürlich der revolutionären Führung in der Ausrichtung und Taktik des Arbeiterkampfes. Von einer halbanarchistischen Rosa Luxemburg zu sprechen, ist einfach eine grobe Falschdarstellung, die nicht aufrecht erhalten werden kann, wenn man ihre Schriften liest und ihre militante Laufbahn betrachtet.

Als sie 1910 mit Kautsky brach, war der Auslöser für ihre politische Trennung Rosa Luxemburgs Forderung nach einem Aktionsplan, um der preußischen Regierung ein fortschrittliches Wahlgesetz zu entreißen: „Unsere Partei muss ein klares und definiertes Konzept erarbeiten, wie sie die von ihr selbst hervorgerufenen Massenbewegungen ausweiten kann [...] Straßendemonstrationen sind nicht nur der Beginn des Kampfes [...] Der Ausdruck der Massen als Ganzes in einem politischen Kampf [...] muss verstärkt und intensiviert werden, sie müssen neue und effektivere Formen annehmen [...] Wenn es der Partei, die sie befehligt, an Entschlossenheit mangelt und sie den Massen nicht den richtigen Slogan gibt, wird es Entmutigung geben, der Impuls wird verschwinden und die ganze Aktion wird vereitelt“.[28]

Wie man sehen kann, war sich Rosa Luxemburg des Wertes der Partei, ihres entscheidenden Einflusses auf die siegreiche Entwicklung des Klassenkampfes, sehr bewusst.

In allen Phasen ihrer militanten Tätigkeit bis zu ihrer Ermordung – in der SDKPiL, in der SPD, in der USPD, als unbestrittene Führerin des Spartakusbundes und der Kommunistischen Partei Deutschlands – arbeitete Rosa Luxemburg unermüdlich am Aufbau der marxistischen Partei. Ihr Beharren auf der schöpferischen Kraft der Massen, auf ihrer Bedeutung für die Inspiration und Korrektur der Fehler der Partei, stellt in Rosas Denken eine Form von Selbstverteidigung dar, eine Möglichkeit, ihr Vertrauen in die revolutionäre Kraft der Arbeiterklasse gegen den Konservatismus des revisionistischen Apparats, gegen eine sozialdemokratische Führung, die schöne Reden zugunsten des Sozialismus auf Kongressen und Gedenkveranstaltungen hielt, sich aber in ihrer täglichen Arbeit von diesen Ideen abwandte.

Es ist wahr, dass Rosa Luxemburg auf diesem Gebiet deutlich weniger weitsichtig war als Lenin, dass sie dem organisierten Kern der revolutionären Kader nicht die herausragende Rolle zugestand, den er bei der Entwicklung des subjektiven Faktors spielen muss. Sie hat unterschätzt, welche vorbereitende, grundlegende Arbeit beim Aufbau der subjektiven Kraft der Partei geleistet werden muss, bevor die Partei in eine revolutionäre Situation eintritt, und dass Versäumnisse in diesem Prozess nicht im Nachhinein „improvisiert“ werden können. Sie hatte eine abstrakte Vorstellung der sozialistischen Partei, weniger konkret und viel weniger effektiv als die von Lenin, und dieser Mangel wurde teuer bezahlt. Der tagtägliche Kampf der Arbeiterklasse und die „großen Massenbewegungen“ bilden eine gigantische Schule, die für die Arbeiter wertvolle Lektionen bereithält. Aber das schließt nicht aus oder widerspricht der Rolle der revolutionären Partei als kollektiver Erzieher und als entscheidender Faktor für den Sieg der Sache des Proletariats.

1940, kurz vor seiner Ermordung, arbeitete Trotzki an einem Text, um denjenigen zu antworten, die Francos Triumph als Frucht der politischen „Unreife“ der spanischen Arbeiter und Bauern betrachteten, gerade als diese einen dreijährigen bewaffneten Kampf gegen den Faschismus geführt hatten. Trotzki näherte sich dem Verhältnis zwischen Bewusstsein, den objektiven Bedingungen der Revolution und der Rolle der Führung auf hervorragende Weise:

In Wirklichkeit ist die Führung durchaus nicht die „einfache Widerspiegelung“ einer Klasse oder das Produkt ihrer eigenen schöpferischen Kraft. Eine Führung wird vielmehr im Prozess der Zusammenstöße zwischen den verschiedenen Klassen oder der Reibung zwischen den verschiedenen Schichten einer gegebenen Klasse geformt. Einmal aufgestiegen, erhebt sich die Führung stets über die Klasse und wird dadurch den Einflüssen und dem Druck anderer Klassen ausgesetzt. Das Proletariat kann für lange Zeit eine Führung „dulden“, die schon eine vollständige innere Degeneration durchgemacht hat, die jedoch noch nicht die Gelegenheit hatte, dies angesichts großer Ereignisse zu zeigen.

Ein großer historischer Schock ist notwendig, um in aller Schärfe die Widersprüche zwischen der Führung und der Klasse zu enthüllen. Die mächtigsten historischen Schocks sind Kriege und Revolutionen. Genau aus diesem Grunde wird die Arbeiterklasse oft unversehens von Krieg und Revolutionen überrascht. Aber sogar dann, wenn die alte Führung ihre innere Korruption offenbart hat, kann die Klasse sich nicht aus dem Stegreif eine neue Führung schaffen, zumal wenn sie nicht aus der vorangegangenen Periode starke revolutionäre Kader ererbt hat, die fähig sind, sich den Zusammenbruch der alten führenden Partei zunutze zu machen. [...]

Im März 1917 folgte der Bolschewistischen Partei nur eine unbedeutende Minderheit der Arbeiterklasse, und darüber hinaus wurde die Partei selbst von inneren Unstimmigkeiten beherrscht. Die überwiegende Mehrzahl der Arbeiter unterstützte die Menschewiki und die „Sozialrevolutionäre“, also konservative Sozialpatrioten. In Bezug auf die Armee und die Bauernschaft war die Situation noch ungünstiger. Dazu kamen noch das allgemein niedrige Niveau im Lande und das Fehlen politischer Erfahrungen unter den breitesten Schichten des Proletariats, besonders in der Provinz, ganz zu schweigen von der Bauernschaft und den Soldaten.

Was war der Vorteil des Bolschewismus? Am Anfang der Revolution hatte nur Lenin eine klare und konsequent durchdachte revolutionäre Konzeption. Die russischen Kader der Partei waren verstreut und zu einem beträchtlichen Grade verwirrt. Aber die Partei genoss Autorität unter den fortschrittlichen Arbeitern. Lenin hatte große Autorität bei den Parteikadern. Lenins politische Konzeption entsprach der tatsächlichen Entwicklung der Revolution und wurde durch jedes neue Ereignis bekräftigt. Diese Vorteile wirkten Wunder in einer revolutionären Situation, das heißt unter den Bedingungen eines erbitterten Klassenkampfes. Die Partei richtete ihre Politik rasch nach Lenins Konzeption aus, d.h. nach dem tatsächlichen Verlauf der Revolution. Dadurch gelang es ihr, die feste Unterstützung von Zehntausenden von fortschrittlichen Arbeitern zu gewinnen. Auf die Entwicklung der Revolution gestützt, war es der Partei möglich, innerhalb weniger Monate die Mehrheit der Arbeiter von der Richtigkeit ihrer Parolen zu überzeugen. Da die Mehrheit in Sowjets organisiert war, war sie imstande, die Soldaten und Bauern anzuziehen.

Wie kann dieser dynamische, dialektische Prozess durch eine Formel der „Reife“ oder „Unreife“ des Proletariats erschöpft werden? Ein kolossaler Faktor für die Reife des russischen Proletariats im Februar oder März 1917 war Lenin. Er war nicht vom Himmel gefallen. Er verkörperte die revolutionäre Tradition der Arbeiterklasse. Damit Lenins Parolen ihren Weg zu den Massen finden konnten, mussten Kader existieren, selbst wenn es anfangs nur wenige waren; die Kader mussten Vertrauen in die Führung haben, ein Vertrauen, das auf der gesamten Erfahrung der Vergangenheit basierte. Diese Elemente aus seinen Berechnungen auszuklammern, bedeutet einfach, die lebendige Revolution zu ignorieren, sie durch eine Abstraktion, das „Kräfteverhältnis“, zu ersetzen. Denn die Entwicklung der Revolution besteht gerade darin, dass sich das Kräfteverhältnis unaufhörlich und plötzlich verändert: unter dem Einfluss der Veränderungen im Bewusstsein des Proletariats, der Anziehung rückständiger Schichten durch die fortgeschrittenen, die wachsende Zuversicht der Klasse in ihre eigene Stärke. Das wichtigste, lebendige Element in diesem Prozess ist die Partei, genau wie im Mechanismus der Partei das wichtige und lebendige Element die Führung ist. Die Rolle und die Verantwortung der Führung in einer revolutionären Epoche ist enorm.

Der Oktober-Sieg ist ein ernstes Zeugnis für die „Reife“ des Proletariats. Aber diese Reife ist relativ. Wenige Jahre später ließ dasselbe Proletariat zu, dass eine Bürokratie, die aus seinen eigenen Reihen heranwuchs, die Revolution erwürgte. Ein Sieg ist keineswegs die reife Frucht der „Reife“ des Proletariats. Der Sieg ist eine strategische Aufgabe. Die günstigen Umstände einer revolutionären Krise müssen dazu genutzt werden, die Massen zu mobilisieren; der gegebene Stand ihrer „Reife“ muss als Ausgangspunkt genommen werden, um sie weiter vorwärts zu treiben, um ihnen klarzumachen, dass der Feind keineswegs allmächtig ist, dass er von Widersprüchen zerrissen ist, dass hinter der imponierenden Fassade Panik herrscht. Hätte die Bolschewistische Partei gegenüber dieser Aufgabe versagt, so hätte vom Sieg der proletarischen Revolution nicht einmal die Rede sein können. Die Sowjets wären von der Konterrevolution hinweggefegt worden, und die kleinen Weisen aller Länder hätten Artikel und Bücher geschrieben mit dem Grundtenor, daß nur entwurzelte Schwärmer in Russland von der Diktatur des Proletariats träumen könnten, das doch zahlenmäßig so schwach und so unreif ist.“[29]

Egal wie viel Spontaneität, Hingabe, Kampfbereitschaft, Opfer und Heldentum die Massen in Aktion zeigen – all das sind wesentliche Elemente für den Sieg – nichts kann eine Führung ersetzen, die in der Lage ist, eine Strategie zur Machtergreifung zu entwickeln. In jedem Streik, und noch mehr in einer Revolution, sind alle diese Elemente weder exklusiv noch widersprüchlich.

Diejenigen, die Rosa die Autorenschaft für eine spontanistische Doktrin zugeschrieben haben, werden ihren Ansichten nicht gerecht: „Das luxemburgische Konzept der Spontaneität ist eine Ausarbeitung und Verlängerung einiger von ihr offengelegter Ideen durch andere. Bis zu einem gewissen Grad ist es eine Übertreibung. [...] Rosas Ideen wurden in dieser Hinsicht langsam gebildet; als die Unzufriedenheit mit der Politik der SPD-Führung zunahm, wurde ihr immer deutlicher, wie diese sich in Widerspruch zu den kämpfenden Massen begeben hatte. Aber dieses Konzept war untrennbar mit dem Handeln verbunden. Ihr zufolge war die Überlegenheit der Massen über die Führung nur dann sinnvoll, wenn die Massen die Aktion der Bewegungslosigkeit vorzogen.“[30]

Rosa Luxemburgs Kampf gegen den Reformismus, Konservatismus und Opportunismus des sozialdemokratischen Apparats ließ für viele deutsche Revolutionäre die Frage nach der Rolle, die eine disziplinierte, marxistische  und in der Arbeiterklasse verwurzelte Kaderpartei zu spielen hatte, in den Schatten treten. Es war ein Fehler zu denken, die „Frucht“ des Sozialismus würde allein durch das Handeln der Arbeiterklasse reifen. Eine revolutionäre Führung entsteht im Laufe mühsamer Erfahrungen, von Niederlagen und Siegen, eines harten Auswahlverfahrens. Rosa Luxemburg bestand bei zahlreichen Gelegenheiten darauf, dass Revolutionen die Folge objektiver und materieller Prozesse der Gesellschaft sind. Diese Erkenntnis ist offensichtlich. In einem solchen Prozess können die Massen den Himmel erstürmen, sie können vorübergehend an der Macht bleiben wie in der Pariser Kommune oder 1934 in Asturien. Aber um den endgültigen Sieg zu erringen, um wirklich zu triumphieren, durch die Hände der arbeitenden Klasse die politische Macht zu erobern und den Prozess des sozialistischen Umbaus der Gesellschaft zu beginnen, braucht es eine Partei, die die historische Erfahrung des Proletariats in einem Programm und einer Taktik verallgemeinert, die es ermöglichen, die Bourgeoisie zum richtigen Zeitpunkt von ihrer herrschenden Position zu stürzen.

Kapitalakkumulation und Imperialismus

In seiner Biographie von Rosa Luxemburg reflektiert Nettl sehr genau: „Keine Kontroverse über den Sozialismus endete im entsprechenden Kongress, bis Stalin die Geheimpolizei zu Aufsehern der Kongresse machte, sowohl für Ideen als auch für Männer“.[31] Zu der Zeit, als Rosa Luxemburg und Lenin lebten, war es unvorstellbar zu denken, dass die marxistische Bewegung ihre Differenzen auf andere Weise als durch Argumentation lösen konnte, indem sie ihre Ideen mit der praktischen Erfahrung verglich. Der Marxismus war und ist keine Kirche mit ihren Heiligenbildern, Päpsten und der Heiligen Inquisition.

Die Diskrepanzen zwischen Rosa Luxemburg und Lenin erstreckten sich auf verschiedene Bereiche der revolutionären Theorie, des Programms und der Taktik. Als Rosa 1913 beschloss, ihre Ansichten als Parteidozentin der SPD in ein Buch mit dem Titel „Einführung in die Nationalökonomie“ zu gießen, stieß sie auf eine von ihr so genannte „unerwartete Schwierigkeit“: „Ich konnte den gesamten Prozess der kapitalistischen Produktion, in all ihren praktischen Beziehungen und mit ihren objektiven historischen Grenzen nicht klar genug beschreiben. Eine genauere Betrachtung des Themas hat mich davon überzeugt, dass es sich nicht nur um eine Frage der bloßen Repräsentationskunst handelte und dass ein Problem zu lösen war; es bezog sich auf das theoretische Thema von Band II des Kapitals und war gleichzeitig eng mit der gegenwärtigen imperialistischen Politik und ihren wirtschaftlichen Wurzeln verbunden.“ Aus dieser Studie ging ihre wichtigste Arbeit zur politischen Ökonomie hervor, „Die Akkumulation des Kapitals“, geschrieben im Jahr 1913.

Die Behandlung dieses Themas in seiner Gesamtheit geht über den Anspruch dieses Papiers hinaus. Aber ohne auf alle Details einzugehen, werden wir versuchen, einige grundlegende Aspekte der Diskussion zu beleuchten.

Es ist bekannt, dass Lenin Rosas Vorstellungen von der erweiterten Reproduktion von Kapital, Krisen und Imperialismus als „grundlegend falsch“ beurteilte und dass die Polemik zwischen den beiden zum Thema der kapitalistischen Krise viele Jahre lang Bestand hatte. Um die zentralen Widersprüche zu verstehen, ist es wichtig, von dem auszugehen, was Marx in seinen wichtigsten Schriften zur politischen Ökonomie dargelegt hat: dass die Ursachen von Überproduktionskrisen nicht außerhalb des Produktionsprozesses zu finden sind, sondern dass sie einen untrennbaren Teil der inneren Dynamik der kapitalistischen Produktion und der Materialisierung und Aneignung von Mehrwert bilden. Die Zwangsjacke, die das Privateigentum an den Produktionsmitteln und die Existenz des Nationalstaates für die Entwicklung der Produktivkräfte mit sich bringt, treibt das kapitalistische System regelmäßig zu zyklischen Krisen, die sich in Ausmaß und Tiefe unterscheiden können. Mit den Worten von Marx und Engels:

„Seit Dezennien ist die Geschichte der Industrie und des Handels nur die Geschichte der Empörung der modernen Produktivkräfte gegen die modernen Produktionsverhältnisse, gegen die Eigentumsverhältnisse, welche die Lebensbedingungen der Bourgeoisie und ihrer Herrschaft sind. Es genügt, die Handelskrisen zu nennen, welche in ihrer periodischen Wiederkehr immer drohender die Existenz der ganzen bürgerlichen Gesellschaft in Frage stellen. In den Handelskrisen wird ein großer Teil nicht nur der erzeugten Produkte, sondern der bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet. In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen als ein Widersinn erschienen wäre – die Epidemie der Überproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg scheinen ihr alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zuviel Zivilisation, zuviel Lebensmittel, zuviel Industrie, zuviel Handel besitzt. Die Produktivkräfte, die ihr zur Verfügung stehen, dienen nicht mehr zur Beförderung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse; im Gegenteil, sie sind zu gewaltig für diese Verhältnisse geworden, sie werden von ihnen gehemmt; und sobald sie dies Hemmnis überwinden, bringen sie die ganze bürgerliche Gesellschaft in Unordnung, gefährden sie die Existenz des bürgerlichen Eigentums. Die bürgerlichen Verhältnisse sind zu eng geworden, um den von ihnen erzeugten Reichtum zu fassen. – Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; anderseits durch die Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung alter Märkte. Wodurch also? Dadurch, dass sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert. Die Waffen, womit die Bourgeoisie den Feudalismus zu Boden geschlagen hat, richten sich jetzt gegen die Bourgeoisie selbst.“[32]

Die immer wiederkehrenden Krisen der Überproduktion und der Kampf um die Weltherrschaft führten Marx nicht dazu, eine Theorie über eine „letzte Krise des Kapitalismus“ zu entwickeln. Die herrschende Klasse wird immer Wege aus dem organischen Zerfall ihres Systems finden, auch wenn es bedeutet, die Zivilisation an den Rand der Zerstörung zu treiben.

Während diese Überlegung schon immer ein theoretischer Ausgangspunkt für Marxisten war, hat die Frage nach den Ursachen der kapitalistischen Krisen ein ums andere Mal zu einer intensiven Polemik geführt. In „Die Akkumulation des Kapitals“ hinterfragt Rosa Luxemburg die Dynamik von Überproduktionskrisen und die Rolle des Imperialismus. Sie weist darauf hin, dass der Kapitalismus nicht in reiner Form existiert, d.h. dass die kapitalistische Gesellschaft, die in Lohnabhängige und Eigentümer von Produktionsmitteln unterteilt ist, mit anderen nicht-kapitalistischen Wirtschaftsformen koexistiert, die in den Kolonien und in den Ländern der spätkapitalistischen Entwicklung dominieren. Aus diesen Zonen und Ländern, so Luxemburg, kam die notwendige Forderung, die Schwierigkeiten der Akkumulation zu lösen, aber gleichzeitig schufen sie die Voraussetzungen für die Krise des Systems und seinen Zusammenbruch. Es würde eine Zeit kommen, in der alle Gebiete des Planeten von kapitalistischen Produktionsformen dominiert würden und die Akkumulation unrentabel würde:

„So breitet sich der Kapitalismus dank der Wechselwirkung mit nichtkapitalistischen Gesellschaftskreisen und Ländern immer mehr aus, indem er auf ihre Kosten akkumuliert, aber sie zugleich Schritt für Schritt zernagt und verdrängt, um an ihre Stelle selbst zu treten. Je mehr kapitalistische Länder aber an dieser Jagd nach Akkumulationsgebieten teilnehmen und je spärlicher die nichtkapitalistischen Gebiete werden, die der Weltexpansion des Kapitals noch offenstehen, um so erbitterter wird der Konkurrenzkampf des Kapitals um jene Akkumulationsgebiete, um so mehr verwandeln sich seine Streifzüge auf der Weltbühne in eine Kette ökonomischer und politischer Katastrophen: Weltkrisen, Kriege, Revolutionen.

Durch diesen Prozess bereitet das Kapital aber in zweifacher Weise seinen Untergang vor. Indem es einerseits durch seine Ausdehnung auf Kosten aller nichtkapitalistischen Produktionsformen auf den Moment lossteuert, wo die gesamte Menschheit in der Tat lediglich aus Kapitalisten und Lohnproletariern besteht und wo deshalb eben weitere Ausdehnung, also Akkumulation, unmöglich wird. Zugleich verschärft es, im Maße wie diese Tendenz sich durchsetzt, die Klassengegensätze, die internationale wirtschaftliche und politische Anarchie derart, dass es, lange bevor die letzte Konsequenz der ökonomischen Entwicklung – die absolute, ungeteilte Herrschaft der kapitalistischen Produktion in der Welt – erreicht ist, die Rebellion des internationalen Proletariats gegen das Bestehen der Kapitalsherrschaft herbeiführen muss.“[33]

Rosa Luxemburg hat in dieser Interpretation mehrere Fehler begangen, die sich aus der grundlegenden Prämisse ergeben, die Lösung für die Schwierigkeit der Durchführung einer erweiterten Akkumulation in einem Bereich außerhalb der kapitalistischen Produktion zu suchen: bei der Eroberung und Assimilation nichtkapitalistischer Wirtschaftsräume, also auf dem Markt und im Konsum.

Wie Marx erklärte, wird die kapitalistische Produktionsweise durch die Integration des gesamten Planeten in einen Binnenmarkt entwickelt und durchgesetzt, und zwar dank der Sozialisierung der Produktion, der weltweiten Arbeitsteilung und der Ausweitung des Welthandels. Die unvermeidliche Tendenz, dass die kapitalistische Produktion über die nationalen Grenzen hinaus expandiert, ist die Folge des Systems der groß angelegten Rohstoffproduktion und der damit verbundenen Kapitalkonzentration. Zweitens ist die Konkurrenz des Kapitals auf dem Weltmarkt – spezifischer der Kapitalistenklassen der Kolonialmächte – nicht auf die Unmöglichkeit zurückzuführen, in den imperialistischen Metropolen einen Mehrwert zu erzielen, sondern auf die damit verbundene Suche nach höheren Profitraten und die Eroberung neuer Märkte. Es ist falsch zu behaupten, dass, wenn die Menschheit nur noch aus Arbeitern und Kapitalisten besteht, jede weitere Akkumulation unmöglich ist; es ist auch falsch zu behaupten, dass an dem Punkt, an dem die kapitalistische Produktion auf dem gesamten Planeten dominiert, neue Marktanteile nicht mehr zu gewinnen wären oder eine endgültige Krise unvermeidlich wird, weil jede neue Akkumulation verhindert wird.

Lenin schenkte diesen Problemen große Aufmerksamkeit. Sein Buch „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland“ war ein großer Beitrag zur Polemik der russischen Marxisten gegen die Volkstümler, die die Möglichkeit des Sieges des Kapitalismus in Russland wegen der semi-feudalen Struktur des landwirtschaftlichen Eigentums, des Gewichts der Bauernwirtschaft und der Verarmung der Bauernmassen leugneten. In einem Artikel mit dem „Zur Charakteristik der ökonomischen Romantik“ beantwortet Lenin die Ansichten dieser Elemente und geht unter anderem auf Fragen der kapitalistischen Krise ein:

„Wenn die Volkstümler behaupten, der äußere Markt sei der „Ausweg aus der Schwierigkeit“, die der Kapitalismus sich bei Realisation des Produkts schafft, so bemänteln sie mit dieser Phrase nur den traurigen Umstand, daß der „äußere Markt“ für sie der „Ausweg aus der Schwierigkeit“ ist, in die sie geraten, weil sie die Theorie nicht verstehen... [...] [N]icht nur die Produkte, die in Form von Konsumtionsmitteln existieren, sondern auch die Produkte, die in Form von Produktionsmitteln existieren, sie werden alle in gleicher Weise nur unter „Schwierigkeiten“, unter ständigen Schwankungen realisiert, die mit der weiteren Entwicklung des Kapitalismus immer stärker werden, in einer wütenden Konkurrenz, die jeden Unternehmer zwingt, nach schrankenloser Ausdehnung der Produktion zu streben, indem er die Grenzen des betreffenden Staates überschreitet und sich auf der Suche nach neuen Märkten Ländern zuwendet, die noch nicht in die kapitalistische Warenzirkulation einbezogen sind. Jetzt sind wir auch bei der Frage angelangt, warum der äußere Markt für ein kapitalistisches Land notwendig ist. Durchaus nicht darum, weil das Produkt in der kapitalistischen Ordnung überhaupt nicht realisiert werden kann. Das ist Unsinn. Der äußere Markt ist notwendig, weil der kapitalistischen Produktion das Streben nach schrankenloser Ausdehnung eigen ist- im Gegensatz zu allen alten Produktionsweisen, die durch die Grenzen der Dorfgemeinde, des Erbguts, des Stammes, des territorialen Gebiets oder des Staates gebunden waren. Während in allen alten Wirtschaftsordnungen die Produktion jeweils in der gleichen Form und in dem gleichen Ausmaß wie vorher fortgesetzt wurde – wird in der kapitalistischen Gesellschaft diese Fortführung in gleicher Form unmöglich, und die schrankenlose Ausdehnung und dauernde Vorwärtsbewegung wird zum Gesetz der Produktion.“[34]

Im gleichen Text kritisiert Lenin Theorien der Unterkonsumtion als Erklärung für die Krisen, Ideen, die die Volkstümler von Sismondi übernommen haben:

„Die wissenschaftliche Analyse der Akkumulation in der kapitalistischen Gesellschaft und der Realisation des Produkts untergrub alle Grundlagen dieser Theorie und wies außerdem nach, daß gerade in Zeiten, die den Krisen vorausgehen, die Konsumtion der Arbeiter streigt, daß es Unterkonsumtion (die angeblich die Krisen erklärt) bei den verschiedensten Wirtschaftsordnungen gegeben hatm während die Krisen das Unterscheidungsmerkmal nur eines Systems sind, des kapitalistischen. Diese Theorie [der Marxismus] erklärt die Krisen aus einem anderen Widerspruch, nämlich dem Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion (die durch den Kapitalismus vergesellschaftet worden ist) und der privaten, individuellen Aneignungsweise. [...] Die erste Theorie erklärt sie aus dem Widerspruch zwischen der Produktion und der Konsumtion der Arbeiterkasse, die zweite aus dem Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und dem privaten Charakter der Aneignung. Die erste sieht also die Wurzel der Erscheinung außerhalb der Produktion [...] die zweite sieht sie gerade in den Produktionsbedingungen. [...] Bestreitet die zweite Theorie etwa die Tatsache eines Widerspruchs zwischen Produktion und Konsumtion, die Tatsache der Unterkonsumtion? Selbstverständlich nicht. Sie erkennt diese Tatsache durchaus an, weist ihr aber als einer Tatsache, die sich nur auf eine Abteilung der gesamten kapitalistischen Produktion bezieht, den ihr zukommenden, untergeordneten Platz an.“[35]

In seinem großen Werk „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ beantwortet Lenin auch indirekt den Fehler von Rosa Luxemburg:

Die Kapitalisten teilen die Welt nicht etwa aus besonderer Bosheit unter sich auf, sondern weil die erreichte Stufe der Konzentration sie zwingt, diesen Weg zu beschreiten, um Profite zu erzielen; dabei wird die Teilung „nach dem Kapital“, „nach der Macht“ vorgenommen – eine andere Methode der Teilung kann es im System der Warenproduktion und des Kapitalismus nicht geben. [...] daß das Charakteristische dieser Periode die endgültige Aufteilung der Erde ist, endgültig nicht in dem Sinne, daß eine Neuaufteilung unmöglich wäre – im Gegenteil, Neuaufteilungen sind möglich und unvermeidlich –, sondern in dem Sinne, daß die Kolonialpolitik der kapitalistischen Länder die Besitzergreifung unbesetzter Länder auf unserem Planeten beendet hat. Die Welt hat sich zum erstenmal als bereits aufgeteilt erwiesen, so daß in der Folge nur noch Neuaufteilungen in Frage kommen, d.h. der Übergang von einem „Besitzer“ auf den anderen, nicht aber die Besitzergreifung herrenlosen Landes.[36]

Die theoretische Kontroverse, auf die Lenin hier eingeht, betraf mehrere sozialdemokratische Führer der damaligen Zeit, so auch Kautsky oder Bucharin. Es verwundert nicht, dass komplexe ökonomische und historische Phänomene, die sich damals gerade entwickelten und für die es keine praktischen Vorläufer gab, zu einiger geistiger Unruhe führten. Offensichtlich brachten die Diskussionen auch Standpunkte zum Vorschein, die gegensätzliche Klassenpositionen widerspiegelten, aber auf jeden Fall war die Diskussion ein klarer Weg, um den Standpunkt des revolutionären Proletariats voranzubringen und zu stärken.

Jede Kontroverse kann natürlich bürokratischen Zwecken dienen. Und Rosa Luxemburgs Position zur Theorie der Akkumulation und des Imperialismus wurde vom Stalinismus natürlich als Munition benutzt. Die deutsche kommunistische Führerin Ruth Fischer intonierte – ganz im Einklang mit allen Stimmen, die sich an der Stalinisierung der Komintern beteiligten – Rosa Luxemburgs öffentliche Verurteilung: „Die deutsche Partei stützte ihre Theorie und Praxis auf das Prinzip der luxemburgischen Akkumulationstheorie, und das ist die Quelle aller Fehler, aller Theorien der Spontaneität, aller falschen Vorstellungen von Organisationsproblemen.“[37] Die neuen Orakel der Partei hatten gesprochen!

Das Recht auf nationale Selbstbestimmung

Im nächsten Kapitel werden wir uns mit Rosa Luxemburgs Kritik an der russischen Revolution und mit der von Lenin vertretenen Position zur neuen Internationalen befassen. Bevor wir zum Schluss kommen, werden wir auf den Streit über die nationale Frage eingehen, von dem wir bereits gesprochen haben.

Die nationale Frage war jahrelang ein zentraler Streitpunkt zwischen Lenin und Luxemburg. Dies begann mit ihrer frühen Arbeit zur industriellen Entwicklung Polens, erstreckte sich über ihre Texte zur polnischen nationalen Frage im offenen Kampf mit den Führern der PPS (Polnische Sozialistische Partei, A.d.Ü.) bis hin zu ihrer Weigerung, den Artikel im Programm der SDAPR zur Verteidigung des Rechts auf nationale Selbstbestimmung zu akzeptieren. Im Zuge all dieser Auseinandersetzungen entwickelte Rosa Luxemburg eine durchweg negative Haltung zur nationalen Frage.

Rosa Luxemburg machte den Bolschewiki harte Vorwürfe, weil sie das Recht auf nationale Selbstbestimmung anerkannten, das ihrer Meinung nach in der Praxis dazu diente, den bürgerlichen Nationalismus der unterdrückten Nationen zu unterstützen. Damit irrte sie sich sehr in einer grundlegenden theoretischen Frage des Marxismus. Wie die Revolution in der Praxis gezeigt hat, können nationale Emanzipationsbewegungen einen mächtigen Hebel im Kampf um die Befreiung der Unterdrückten als Ganzes darstellen, vorausgesetzt, dass sie als unlösbare Bestandteile mit dem Kampf gegen die kapitalistische Unterdrückung und für den Sozialismus verbunden werden. Lenins Schriften sind was das angeht sehr eindeutig, obwohl viele sie vergessen haben. Wir werden nur ein relevantes Fragment seines repräsentativsten Werkes zitieren:

„Die Bourgeoisie, die am Anfang jeder nationalen Bewegung natürlicherweise als deren Hegemon (Führer) auftritt, bezeichnet als praktische Angelegenheit die Unterstützung aller nationalen Bestrebungen. [...]Jede Bourgeoisie will in der nationalen Frage entweder Privilegien für ihre eigene Nation oder exklusive Vorteile für sie, - das nennt man eben „praktisch“. Das Proletariat ist gegen jedes Privileg, gegen jede Exklusivität. Von ihm „Praktizismus“ verlangen heißt im Fahrwasser der Bourgeoisie segeln, heißt dem Opportunismus verfallen.

Soll man bei jeder Nation auf die Frage nach der Lostrennung mit „Ja oder Nein“ antworten? Das scheint eine eminent „praktische“ Forderung zu sein. In Wirklichkeit aber ist sie töricht; metaphysisch in theoretischer Hinsicht, führt sie in der Praxis zur Unterordnung des Proletariats unter die Politik der Bourgeoisie. Die Bourgeoisie stellt stets ihre eigenen nationalen Forderungen in den Vordergrund. Sie stellt sie bedingungslos. Für das Proletariat sind sie den Interessen des Klassenkampfes untergeordnet. Theoretisch läßt sich nicht im voraus mit Sicherheit sagen, ob die Lostrennung einer Nation oder ihre gleichberechtigte Stellung neben einer anderen Nation die bürgerlich-demokratische Revolution abschließen wird; für das Proletariat ist in beiden Fällen wichtig, die Entwicklung seiner Klasse zu sichern; für die Bourgeoisie ist wichtig, diese Entwicklung zu erschweren, indem sie deren Aufgaben zugunsten der Aufgaben der „eigenen“ Nation in den Hintergrund schiebt. Deshalb beschränkt sich das Proletariat auf die sozusagen negative Forderung nach Anerkennung des Rechts auf Selbstbestimmung, ohne einer Nation irgend etwas auf Kosten einer anderen Nation zu garantieren, zu gewährleisten. 

[...]

Die Bourgeoisie der unterdrückten Nationen wird im Namen des „praktischen“ Sinns ihrer Forderungen das Proletariat zur bedingungslosen Unterstützung ihrer Bestrebungen aufrufen. Am praktischsten ist es, einfach „ja“ zu sagen, sich für die Lostrennung einer bestimmten Nation, nicht aber für das Recht der Lostrennung aller und jedweder Nationen zu erklären!

Das Proletariat ist gegen einen derartigen Praktizismus: Bei Anerkennung der Gleichberechtigung und des gleichen Rechts auf einen Nationalstaat schätzt und stellt es die Vereinigung der Proletarier aller Nationen über alles andere, wobei es jede nationale Forderung, jede nationale Lostrennung unter dem Gesichtspunkt des Klassenkampfes der Arbeiter wertet. Die Losung des Praktizismus ist in Wirklichkeit nur die Losung eines unkritischen Übernehmens der bürgerlichen Bestrebungen.“[38]

In dieser Angelegenheit übersah Rosa Luxemburg die Lehren aus der Geschichte der Arbeiterbewegung. Seit seiner Gründung hat der wissenschaftliche Sozialismus der nationalen Frage und dem Kampf der unterdrückten Nationalitäten um ihre Befreiung stets große Aufmerksamkeit geschenkt. Marx und Engels nahmen den Standpunkt des revolutionären Proletariats angesichts des nationalen Problems ein: „Ein Volk, das andere unterdrückt, kann sich nicht selbst emanzipieren.“[39] In den umfangreichen Schriften von Marx und Engels finden sich zahlreiche Texte und Appelle zur Verteidigung der nationalen, demokratischen Rechte: die Vereinigung der deutschen Nation durch Revolution, der Kampf des irischen Volkes gegen das britisch-imperialistische Joch, die Unterstützung der Unabhängigkeit Polens vom russischen Absolutismus, die nationale Emanzipation der Kolonien...

Marx und Engels schrieben den Kampf um das Recht auf Selbstbestimmung der unterdrückten Nationen auf das Banner des Sozialismus. Eine durchschlagende Erklärung gegen jede Art von Unterdrückung, was in keinem Fall bedeutete, dass der Marxismus dem bürgerlichen und kleinbürgerlichen Nationalismus nachgab. Im Gegenteil, das Wesen des marxistischen Programms ist der proletarische Internationalismus, die Vereinigung der Arbeiterklasse über nationale Grenzen hinweg gegen einen international organisierten Feind, die Kapitalistenklasse, die einen einheitlichen Weltwirtschaftsmarkt geschaffen hat. Der Kampfspruch der Ersten Internationale – Proletarier aller Länder, vereinigt euch! – ist der deutlichste Ausdruck dieser Klassenposition.  

Kritik an der russischen Revolution

Lenin war fest davon überzeugt, dass die russische Revolution die Hebamme der neuen proletarischen Weltrevolution sein würde und Internationalisten in ganz Europa und dem Rest der Welt zwingen würde, endgültig mit den Sozialpatrioten und den Schlichtern nach Kautsky-Art zu brechen. Er lag dabei nicht grundsätzlich falsch. Im Falle Deutschlands hatten die Oktoberrevolution und das Beispiel der Bolschewiki einen enormen Einfluss.

Alles, was geschrieben wurde, um Rosa Luxemburg als Gegnerin der Bolschewiki und als äußerste Feindin gegenüber den „Methoden“ der russischen Revolution darzustellen, ist unwahr. Es mangelt nicht an Beispielen für die politische Solidarität und den gegenseitigen Respekt zwischen den beiden Revolutionären, auch wenn sich Stalinisten und Sozialdemokraten ein ums andere Mal bemüht haben, diese Erinnerung zu begraben.
Trotzki wies darauf hin: „In dem Artikel Geschichtliches zur Frage der Diktatur (vom Oktober 1920) schrieb Lenin im Hinblick auf die schon von der Revolution des Jahres 1905 aufgeworfene Frage der Rätemacht und der Diktatur des Proletariats:
„So hervorragende Vertreter des revolutionären Proletariats und des unverfälschten Marxismus, wie Rosa Luxemburg, erkannten sofort die Bedeutung dieser praktischen Erfahrung und traten sofort in Versammlungen und in der Presse mit einer kritischen Analyse auf, während ... Leute vom Schlage der späteren ‚Kautskyaner‘ ... sich als absolut unfähig erwiesen, die Bedeutung dieser Erfahrung zu erfassen...“[40]

Lenin spricht in diesen wenigen Zeilen seine Anerkennung für die historische Bedeutung des Kampfes von Rosa Luxemburg gegen Kautsky aus, den er selbst bei weitem nicht sofort in all seiner Bedeutung nachvollziehen konnte.[41]

Rosa Luxemburg schrieb einen Text über die russische Revolution[42] mit einer ganzen Reihe kritischer Überlegungen, die dank der Aktionen der Stalinisten und Sozialdemokraten zum Schlagbock einer Legende wurden, die sie als eine dem Bolschewismus feindliche Person darstellt. Diese Arbeit, die unter extrem schwierigen Bedingungen während ihrer Gefangenschaft im Gefängnis durchgeführt wurde, ohne dass ihr viele Informationen zur Verfügung standen, wurde erst nach ihrer Ermordung und durch einen Akt des politischen Grolls von Paul Levi, dem ehemaligen Führer des Spartakusbundes und der KPD, nach dem Bruch mit der Kommunistischen Internationale im Jahr 1922 veröffentlicht.[43]

Was die Autoren dieser Legende – darunter Einige, die sich aus der Perspektive des Anarchismus die Figur Rosa Luxemburg aneignen wollen – ist die sichtbare und durchaus bewusste Annäherung von Rosa Luxemburg an den Bolschewismus im Zuge der revolutionären Ereignisse in Deutschland. Auch kann man selbst in diesem kritischen Material aus der Feder von Rosa Luxemburg ohne jeden Zweifel ihre enthusiastische Unterstützung der Bolschewiki und des Triumphs des sowjetischen Oktobers erkennen:

„Nicht Rußlands Unreife, sondern die Unreife des deutschen Proletariats zur Erfüllung der historischen Aufgaben hat der Verlauf des Krieges und der russischen Revolution erwiesen, und dies mit aller Deutlichkeit hervorzukehren ist die erste Aufgabe einer kritischen Betrachtung der russischen Revolution. Die Revolution Rußlands war in ihren Schicksalen völlig von den internationalen Ereignissen abhängig. Daß die Bolschewiki ihre Politik gänzlich auf die Weltrevolution des Proletariats stellten, ist gerade das glänzendste Zeugnis ihres politischen Weitblicks und ihrer grundsätzlichen Festigkeit, des kühnen Wurfs ihrer Politik. [...]

In dieser Situation gebührt denn der bolschewistischen Richtung das geschichtliche Verdienst, von Anfang an diejenige Taktik proklamiert und mit eiserner Konsequenz verfolgt zu haben, die allein die Demokratie retten und die Revolution vorwärts treiben konnte. Die ganze Macht ausschließlich in die Hände der Arbeiter- und Bauernmasse, in die Hände der Sowjets - dies war in der Tat der einzige Ausweg aus der Schwierigkeit, in die die Revolution geraten war, das war der Schwertstreich, womit der gordische Knoten durchhauen, die Revolution aus dem Engpaß hinausgeführt und vor ihr das freie Blachfeld einer ungehemmten weiteren Entfaltung geöffnet wurde.

Die Lenin-Partei war somit die einzige in Rußland, welche die wahren Interessen der Revolution in jener ersten Periode begriff, sie war ihr vorwärtstreibendes Element, als in diesem Sinne die einzige Partei, die wirklich sozialistische Politik treibt.

Dadurch erklärt sich auch, daß die Bolschewiki, im Beginn der Revolution eine von allen Seiten verfemte, verleumdete und gehetzte Minderheit, in kürzester Zeit an die Spitze der Revolution geführt wurden und alle wirklichen Volksmassen: das städtische Proletariat, die Armee, das Bauerntum, sowie die revolutionären Elemente der Demokratie, den linken Flügel der Sozialisten-Revolutionäre, unter ihrer Fahne sammeln konnten. [...]

Die Lenin-Partei war die einzige, die das Gebot und die Pflicht einer wirklich revolutionären Partei begriff, die durch die Losung: alle Macht in die Hände des Proletariats und des Bauerntums, den Fortgang der Revolution gesichert hat.

Damit haben die Bolschewiki die berühmte Frage nach der „Mehrheit des Volkes“ gelöst, die den deutschen Sozialdemokraten seit jeher wie ein Alp auf der Brust liegt. Als eingefleischte Zöglinge des parlamentarischen Kretinismus übertragen sie auf die Revolution einfach die hausbackene Weisheit der parlamentarischen Kinderstube: um etwas durchzusetzen, müsse man erst die Mehrheit haben. Also auch in der Revolution: zuerst werden wir eine „Mehrheit“. Die wirkliche Dialektik der Revolutionen stellt aber diese parlamentarische Maulwurfsweisheit auf den Kopf: nicht durch Mehrheit zur revolutionären Taktik, sondern durch revolutionäre Taktik zur Mehrheit geht der Weg. Nur eine Partei, die zu führen, d.h. vorwärtszutreiben versteht, erwirbt sich im Sturm die Anhängerschaft. Die Entschlossenheit, mit der Lenin und Genossen im entscheidenden Moment die einzige vorwärtstreibende Losung ausgegeben haben: die ganze Macht in die Hände des Proletariats und der Bauern, hat sie fast über Nacht aus einer verfolgten, verleumdeten Minderheit, deren Führer sich wie Marat in den Kellern verstecken mußten, zur absoluten Herrin der Situation gemacht. 

[...]

Die Bolschewiki haben auch sofort als Zweck dieser Machtergreifung das ganze und weitgehendste revolutionäre Programm aufgestellt: nicht etwa Sicherung der bürgerlichen Demokratie, sondern Diktatur des Proletariats zum Zwecke der Verwirklichung des Sozialismus. Sie haben sich damit das unvergängliche geschichtliche Verdienst erworben, zum erstenmal die Endziele des Sozialismus als unmittelbares Programm der praktischen Politik zu proklamieren.

Was eine Partei in geschichtlicher Stunde an Mut, Tatkraft, revolutionärem Weitblick und Konsequenz aufzubringen vermag, das haben Lenin, Trotzki und Genossen vollauf geleistet. Die ganze revolutionäre Ehre und Aktionsfähigkeit, die der Sozialdemokratie im Westen gebrach, war in den Bolschewiki vertreten. Ihr Oktober-Aufstand war nicht nur eine tatsächliche Rettung für die russische Revolution, sondern auch eine Ehrenrettung des internationalen Sozialismus.“[44]

Diese Sätze lassen keinen Zweifel an Rosa Luxemburgs offener, positiver Einstellung gegenüber den Bolschewiki und der Oktoberrevolution aufkommen. Die Schrift wirft aber auch Diskrepanzen auf, die berücksichtigt werden müssen, denn auf ihrer Grundlage wurde die Legende eines Rosa-Luxemburgischen Antibolschewismus und -Leninismus gestrickt.

Welche Kritik übte Rosa an den an der Macht befindlichen Bolschewiki? Die wichtigsten Aspekte sind: 1) Agrarpolitik. 2) Die Verteidigung des Rechts auf Selbstbestimmung der Nationen durch die Bolschewiki. 3) Die Auflösung der konstituierenden Versammlung. 4) Die Frage der Demokratie und des Arbeiterstaates.

Rosa Luxemburg kritisierte, dass die Bolschewiki das Agrarprogramm der Sozialrevolutionäre (Verteilung des Eigentums) und nicht das kommunistische (Verstaatlichung und Sozialisierung des Landes) angewandt hätten. Sie brachte ihre Position auf diese Weise zum Ausdruck:

„Die sozialistische Umgestaltung der Wirtschaftsverhältnisse setzt in Bezug auf die Agrarverhältnisse zweierlei voraus. - Zunächst die Nationalisierung gerade des Großgrundbesitzes als der technisch fortschrittlichsten Konzentration der agrarischen Produktionsmittel und Methoden, die allein dem Ausgangspunkt, der sozialistischen Wirtschaftsweise auf dem Lande dienen kann. Wenn man natürlich dem Kleinbauern seine Parzelle nicht wegzunehmen braucht und es ihm ruhig anheimstellen kann, sich durch die Vorteile des gesellschaftlichen Betriebes freiwillig zuerst für den genossenschaftlichen Zusammenschluß und schließlich für die Einordnung in den sozialen Gesamtbetrieb gewinnen zu lassen, so muß jede sozialistische Wirtschaftsreform auf dem Lande selbstverständlich mit dem Groß- und Mittelgrundbesitz anfangen. Sie muß hier das Eigentumsrecht vor allem auf die Nation oder, was bei sozialistischer Regierung dasselbe ist, wenn man will, auf den Staat übertragen; denn nur dies gewährt die Möglichkeit, die landwirtschaftliche Produktion nach zusammenhängenden großen sozialistischen Gesichtspunkten zu organisieren. [...]

Die Parole nun, die von den Bolschewiki herausgegeben wurde: sofortige Besitzergreifung und Aufteilung des Grund und Bodens durch die Bauern, mußte geradezu nach der entgegengesetzten Richtung wirken. Sie ist nicht nur keine sozialistische Maßnahme, sondern sie schneidet den Weg zu einer solchen ab, sie türmt vor der Umgestaltung der Agrarverhältnisse im sozialistischen Sinne unüberwindliche Schwierigkeiten auf.“[45]

Rosas Kritik war wohlbegründet, aber, wie Marx immer sagte, paraphrasierte Goethes Faust: „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum.“ Unter günstigen Bedingungen wäre die Verstaatlichung des Landes das rationalste Mittel gewesen, um die Produktivität der landwirtschaftlichen Arbeit zu steigern und eine schnelle Anhäufung des landwirtschaftlichen Überschusses zu begünstigen. Auf diese Weise wäre ein rascher Fortschritt der sozialistischen Wirtschaft als Ganzes zweifellos begünstigt worden. Aber die Bedingungen in Russland 1917 waren nicht günstig.

Der Krieg hatte zu einer Dislozierung des Wirtschaftsapparats und der Bauern geführt, die die unerfüllten Versprechungen der Sozialrevolutionäre und Menschewiki hatten, ab August 1917 gegen die Grundbesitzer rebellierten und nun ihre Hoffnung auf die Bolschewiki setzten. Unter diesen Umständen war es notwendig, maximale Entschlossenheit zu zeigen und auf ihre Wünsche zu reagieren, um das revolutionäre Bündnis mit der Bauernschaft aufrechtzuerhalten, und diese konzentrierten sich auf die Beschlagnahme und Verteilung von Land. Anders zu verfahren, hätte in diesem entscheidenden Moment bedeutet, die Unterstützung der Bauernschaft für die Revolution zu verlieren.

Lenin war sich dieser – und anderer – Zugeständnisse bewusst, aber er verstand sie als ein vorübergehendes und leicht lösbares Phänomen, sobald sich der Arbeiterstaat konsolidierte und die sozialistische Revolution auf das industrielle Europa, insbesondere Deutschland, ausbreitete. Auf diese Weise würde es die Hilfe der am weitesten entwickelten Volkswirtschaften ermöglichen, der Rückständigkeit der russischen Landschaft ein Ende zu setzen, und durch die Einführung von Landmaschinen, modernen landwirtschaftlichen Techniken und qualifiziertem Personal könnte der Bauernschaft in der Praxis und nicht nur in der Theorie gezeigt werden, dass die Kollektivierung und Sozialisierung des Landes viel mehr Vorteile als Nachteile bietet.

Die weitere Entwicklung der Ereignisse folgte dem ungünstigsten Kurs, den Lenin sich hätte vorstellen können. Mit dem Scheitern der europäischen Revolution und der Isolation der russischen Revolution wurde das Bauernproblem immer wieder neu aufgeworfen, und die kleinbürgerlichen Tendenzen, die die Landverteilung genährt hatte – genau das, wovor Rosa Luxemburg in ihrem Schreiben gewarnt hatte – wurden zu einem objektiven Hindernis für den Vormarsch des Sozialismus. Tief im Inneren blieb das Problem die materielle Rückständigkeit der russischen Wirtschaft und die Unmöglichkeit, diesen Widerspruch im nationalen Rahmen zu lösen. Der Sozialismus kann nicht in einem Land aufgebaut werden.

Bei der Umsetzung des Rechts auf Selbstbestimmung der vom Zarismus unterdrückten Nationalitäten durch die Bolschewiki war Rosas Position nichts anderes als eine Fortsetzung ihrer früheren Fehler: „Statt die Proletarier in den Randländern vor jeglichem Separatismus als vor rein bürgerlichem Fallstrick zu warnen, haben sie vielmehr die Massen in allen Randländern durch ihre Parole verwirrt und der Demagogie der bürgerlichen Klassen ausgeliefert. Sie haben durch diese Forderung des Nationalismus den Zerfall Rußlands selbst herbeigeführt, vorbereitet und so den eigenen Feinden das Messer in die Hand gedrückt, das sie der russischen Revolution ins Herz stoßen sollten.“[46]

Lenin hatte diese Positionen bereits in seinem berühmten Buch zum Selbstbestimmungsrecht der Nationen  bekämpft, das mit einer Polemik gegen Rosa Luxemburg zu diesem Thema beginnt. Während Rosa Luxemburg seine Positionen als den nationalistischen Interessen der polnischen Bourgeoisie dienlich interpretierte, argumentierte Lenin das Gegenteil: dass die Verteidigung des Rechts auf Selbstbestimmung, gekoppelt mit anderen programmatischen Punkten, genau der beste Weg sei, um dem Einfluss des bürgerlichen Nationalismus auf die arbeitenden und bäuerlichen Massen der unterdrückten Nationalitäten entgegenzuwirken.

Nun, Lenins Verteidigung des Rechts auf Selbstbestimmung, zu der auch das Recht auf Loslösung gehört, ist nur ein Teil der marxistischen Haltung zur nationalen Frage. Es ist wichtig festzustellen, dass für Lenin das Recht auf Selbstbestimmung nicht bedeutete, die nationale Unabhängigkeit zu fördern. Die Bolschewiki kämpften klar und deutlich gegen jede nationale Unterdrückung und gleichzeitig für die maximale Einheit der Arbeiterklasse:

„Die Anhänger der Freiheit der Selbstbestimmung, d. h. der Freiheit der Lostrennung, zu beschuldigen, sie förderten den Separatismus, ist die gleiche Dummheit und die gleiche Heuchelei, wie die Anhänger der Freiheit der Ehescheidung zu beschuldigen, sie förderten die Zerstörung der Familienbande. Ähnlich wie in der bürgerlichen Gesellschaft die Verteidiger der Privilegien und der Käuflichkeit, auf denen die bürgerliche Ehe beruht, gegen die Freiheit der Ehescheidung auftreten, so bedeutet im kapitalistischen Staat die Ablehnung der Freiheit der Selbstbestimmung, d. h. der Lostrennung der Nationen, nur eine Verteidigung der Privilegien der herrschenden Nation und der Polizeimethoden in der Verwaltung zum Schaden der demokratischen Methoden. [...]

Die Interessen der Arbeiterklasse und ihres Kampfes gegen den Kapitalismus erfordern volle Solidarität und unlösbare Einheit der Arbeiter aller Nationen, sie erfordern Gegenwehr gegen die nationalistische Politik der Bourgeoisie, welcher Nationalität sie auch sei. Deshalb wäre es ein Ausweichen vor den Aufgaben der proletarischen Politik und eine Unterordnung der Arbeiter unter die bürgerliche Politik, sowohl wenn die Sozialdemokraten das Selbstbestimmungsrecht, d. h. das Recht der unterdrückten Nationen auf Lostrennung, leugnen wollten, als auch wenn die Sozialdemokraten dazu übergingen, jede nationale Forderung der Bourgeoisie der unterdrückten Nationen zu unterstützen. Dem Lohnarbeiter ist es ganz gleichgültig, ob er vorwiegend von der großrussischen Bourgeoisie ausgebeutet wird, die gegenüber der fremdstämmigen den Vorrang hat, oder von der polnischen Bourgeoisie, die gegenüber der jüdischen den Vorrang hat usw. Dem Lohnarbeiter, der sich seiner Klasseninteressen bewußt geworden ist, sind die staatlichen Privilegien der großrussischen Kapitalisten ebenso gleichgültig wie die Versprechungen der polnischen oder ukrainischen Kapitalisten, die das Paradies auf Erden verheißen, wenn sie selbst staatliche Privilegien erlangen. Die Entwicklung des Kapitalismus schreitet fort und wird fortschreiten, so oder anders, in einem bunten Einheitsstaat wie in gesonderten Nationalstaaten.“[47]

Ohne einen konsequenten Kampf gegen die nationale Unterdrückung, ohne ein Programm, dessen Grundlage das Recht der Nationen auf Selbstbestimmung ist, wäre es für die Bolschewiki unmöglich gewesen, die Massen der unterdrückten Nationen – meist Bauern – für die Sache der sozialistischen Revolution zu gewinnen, und es wäre extrem schwierig gewesen, die sowjetische Oktoberrevolution zum Sieg zu führen. Mit ihr bestanden Lenins Thesen zur nationalen Frage den Praxistest. Trotzki schrieb in seiner Geschichte der Russischen Revolution zu Recht, dass „unabhängig vom endgültigen Schicksal Sowjetrußlands (....) Lenins nationale Politik für immer in das Erbe der Menschheit eingehen wird.“

Rosa Luxemburg verfügte über sehr eingeschränkte Informationen und hatte keine wahrheitsgetreuen Daten über die Aktionen der Menschewiki und Sozialrevolutionäre gegen die revolutionäre Macht und die Zusammenarbeit vieler ihrer Führer mit den weißen Generälen. Die Paragraphen ihrer Kritik an der Auflösung der Verfassungsgebenden Versammlung wurden von den sozialdemokratischen Parteien als endgültiger „Beweis“ für den „demokratischen Geist“ des luxemburgischen Sozialismus angesichts des leninistischen Autoritarismus verbreitet, der bereits „vorweggenommen“ hat, was später unter dem Stalinismus geschehen würde.

„Es ist eine Tatsache“, schreibt Rosa Luxemburg, „daß Lenin und Genossen bis zu ihrem Oktobersiege die Einberufung der Konstitutionsversammlung stürmisch forderten, daß gerade die Verschleppungspolitik der Kerenski-Regierung in dieser Sache einen Anklagepunkt der Bolschewiki gegen jene Regierung bildete und ihnen zu heftigsten Ausfällen Anlaß gab. Ja, Trotzki sagt in seinem interessanten Schriftchen „Von der Oktoberrevolution bis zum Brester Friedensvertrag“, der Oktoberumschwung sein geradezu „eine Rettung für die Konstituante“ gewesen, wie für die Revolution überhaupt. „Und als wir sagten“, fährt er fort, „daß der Eingang zur konstituierenden Versammlung nicht über das Vorparlament Zeretellis, sondern über die Machtergreifung der Sowjets führe, waren wir vollkommen aufrichtig.“

Und nun war nach diesen Ankündigungen der erste Schritt Lenins nach der Oktoberrevolution - die Auseinandertreibung derselben konstituierenden Versammlung, zu der sie den Eingang bilden sollte.“[48]

Rosa schlug eine Kooperation der Sowjets (Organen der Arbeitermacht) und der konstituierenden Versammlung (einem bürgerlich-institutionellen Organ) vor, was im Wesentlichen bedeutete, die zwischen Februar und Oktober bestehende Doppelmacht zu reproduzieren. Neben den Sowjets verteidigte sie die Verfassung und das allgemeine Wahlrecht.[49] Doch der Kampf um die Konstituante war ein bürgerlich-demokratischer Slogan, aber diese Phase der Revolution war mit dem Sieg im Oktober weitgehend überwunden.

Ironischerweise wurde Rosa Luxemburg mit diesem Aspekt ihrer Auseinandersetzung mit Lenin im Jahr 1918 ganz klar und deutlich in „deutscher Sprache“ konfrontiert. Als die deutsche Revolution nach dem Novemberaufstand voranschritt und die sozialdemokratischen Führer sich mit dem Aufruf zur Bildung einer „Verfassungsgebenden Versammlung“ gegen den von den Spartakisten befürworteten Slogan für eine „Sozialistische Räterepublik“ wandten, verurteilte Rosa die Position der zentristischen Führer der USPD, die es allen Recht machen wollten, und den Slogan „Betriebsräte und Nationalversammlung“ einführten: „Wer heute zur Nationalversammlung greift“, schrieb Rosa in einem Artikel am 20. November 1918, „schraubt die Revolution bewußt oder unbewußt auf das historische Stadium bürgerlicher Revolutionen zurück; er ist ein verkappter Agent der Bourgeoisie oder ein unbewußter Ideologe des Kleinbürgertums.“[50]

Die Kontroverse über dieses Thema wiederholte sich auf dem Gründungskongress der Kommunistischen Partei Deutschlands im Dezember 1918. Damals stellte Rosa Luxemburg die Auflösung der Konstituierenden Versammlung in Russland durch die Bolschewiki nicht mehr in Frage, aber sie warnte die deutschen Kommunisten davor, eine schlechte Kopie der bolschewistischen Taktik abzugeben, indem sie die Auflösung und den Boykott der von Ebert und Scheidemann einberufenen Konstituierenden Versammlung forderten, ohne zuvor ein paar Räte unter der Führung der Kommunisten und eine revolutionäre Regierung wie die von Lenin und Trotzki in Russland zu haben.

Alles in allem hinderte Luxemburgs Kritik an der russischen Revolution, mit der wir uns hier kurz und bündig beschäftigt haben, sie nicht daran, zu behaupten, dass die meisten der von den Bolschewiki offenbarten Mängel auf die Isolation der russischen Revolution zurückzuführen seien und dass in dieser Hinsicht in erster Linie die internationale Sozialdemokratie verantwortlich sei. Das ist der wesentliche Aspekt, den Rosa immer wieder betont hat und den einige ebenfalls auslassen:

„Die Bolschewiki haben gezeigt, daß sie alles können, was eine echte revolutionäre Partei in den Grenzen der historischen Möglichkeiten zu leisten imstande ist. Sie sollen nicht Wunder wirken wollen. Denn eine mustergültige und fehlerfreie proletarische Revolution in einem isolierten, vom Weltkrieg erschöpften, vom Imperialismus erdrosselten, vom internationalen Proletariat verratenen Lande wäre ein Wunder. Worauf es ankommt, ist, in der Politik der Bolschewiki das Wesentliche vom Unwesentlichen, den Kern von dem Zufälligen zu unterscheiden. In dieser letzten Periode, in der wir vor entscheidenden Endkämpfen in der ganzen Welt stehen, war und ist das wichtigste Problem des Sozialismus geradezu die brennende Zeitfrage: nicht diese oder jene Detailfrage der Taktik, sondern: die Aktionsfähigkeit des Proletariats, die Tatkraft der Massen, der Wille zur Macht des Sozialismus überhaupt. In dieser Beziehung waren Lenin und Trotzki mit ihren Freunden die ersten, die dem Weltproletariat mit dem Beispiel vorangegangen sind, sie sind bis jetzt immer noch die einzigen, die mit Hutten ausrufen können: Ich hab's gewagt!

Dies ist das Wesentliche und Bleibende der Bolschewiki-Politik. In diesem Sinne bleibt ihnen das unsterbliche geschichtliche Verdienst, mit der Eroberung der politischen Gewalt und der praktischen Problemstellung der Verwirklichung des Sozialismus dem internationalen Proletariat vorangegangen zu sein und die Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit in der ganzen Welt mächtig vorangetrieben zu haben. In Rußland konnte das Problem nur gestellt werden. Es konnte nicht in Rußland gelöst werden. Und in DIESEM Sinne gehört die Zukunft überall dem „Bolschewismus“.“[51]

Wenige Monate nach dem Schreiben dieser Zeilen wurde Rosa Luxemburg aus dem Gefängnis entlassen und wandte all ihre Energien dem revolutionären Prozess zu. Dabei brachten ihr die Erfahrungen der vergangenen Tage neue Herangehensweisen und Argumente. Sie hatte nachgedacht und einige ihrer Positionen geändert. Als die meisten ihrer alten Mitstreiter in der SDKPiL bereits eng mit den Bolschewiki zusammenarbeiteten, fragte einer der polnischen Führer, der die besten Beziehungen zu Rosa hatte, Warszawski, sie nach der Sowjetmacht. In ihrem Antwortschreiben vom November 1918 schrieb Rosa folgendes:

„Wenn unsere Partei [in Polen] vom Bolschewismus begeistert ist und sich gleichzeitig gegen Brests Frieden und seine Position mit dem Slogan „Selbstbestimmung der Völker“ stellt, ist das Begeisterung gepaart mit einem kritischen Sinn... Was können wir mehr verlangen? Auch ich habe alle Ihre Vorbehalte und Zweifel geteilt, aber ich habe sie in den wichtigsten Fragen aufgegeben, und in anderen bin ich nicht so weit gegangen wie Sie. Es stimmt, dass der Terrorismus[52] eine große Schwäche bezeichnet, aber er richtet sich gegen die inneren Feinde, die ihre Hoffnungen auf den Fortbestand des Kapitalismus außerhalb Russlands stützen und von ihm unterstützt und ermutigt werden. Wenn die europäische Revolution stattfände, würden die russischen Konterrevolutionäre nicht nur diese Unterstützung, sondern – viel wichtiger noch – auch ihren Mut verlieren. Der bolschewistische Terror ist vor allem Ausdruck der Schwäche des europäischen Proletariats. Es ist wahr, dass die geschaffene agrarische Situation der ernsthafteste und gefährlichste Punkt für die russische Revolution ist. Aber auch hier gilt die große Wahrheit, dass die größte Revolution nur das Reife vollbringen kann. Diese Wunde kann nur durch die europäische Revolution geheilt werden, und sie wird kommen!“[53]

Paul Nettl, der Autor einer der vollständigsten und detailliertesten Biographien der polnischen Revolutionärin, äußert sich auch zu diesem Thema: „Rosa Luxemburg hatte immer mit größter Energie postuliert, dass viele der schlechten Aspekte der russischen Revolution in den Tiegel einer europäischen Revolution übergehen würden; das Aufkommen dieser [der deutschen, A.d.Ü.] Revolution veränderte automatisch den Kontext der meisten ihrer Beobachtungen. Damit hörten die Probleme, die sie im Sommer 1918 beschäftigt hatten, auf, so wichtig zu sein. Tatsache ist, dass alle Beweise darauf hindeuten, dass sie bereit und bestrebt war, mit den Russen zusammenzuarbeiten, aus ihren Erfahrungen zu lernen und sich so energisch wie möglich für eine Verbindung zwischen dem revolutionären Russland und dem revolutionären Deutschland einzusetzen.“[54]

Ein „Adler des Sozialismus“

Bis zum Triumph der stalinistischen Reaktion war der Bolschewismus von intensiver und fruchtbarer ideologischer Diskussion geprägt. Die Idee einer monolithischen Partei, die von einem erstickenden inneren Regime getragen wird, in dem sich die Führung in einen Heiligenschein der Unfehlbarkeit hüllt und der Kult der Persönlichkeit die Achse des Parteienlebens ist, ist eine Karikatur, die dem Marxismus und Leninismus völlig fremd ist. Offensichtlich war die stalinistische Schule der Fälschung auch dafür verantwortlich, Rosa Luxemburgs Gedanken zu manipulieren und zu verzerren, bis hin zu ihrem Verbot ihrer Schriften in der UdSSR unter dem Vorwurf der „trotzkistischen Abweichung“.

Stalins negative Referenzen an Rosa Luxemburg wurden weiterhin reproduziert und in allen Sektoren der bürokratisierten Kommunistischen Internationale verbreitet. In einem Artikel von 1931 behauptet Stalin skrupellos:

„1905 entstanden die Diskrepanzen zwischen Bolschewiki und Menschewiki in Russland über den Charakter der russischen Revolution. Die Bolschewiki verteidigten die Idee der Allianz der Arbeiterklasse mit den Bauern unter der Hegemonie des Proletariats. Die Bolschewiki behaupteten, dass die revolutionäre demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauern verfolgt werden sollte, um sofort von der bürgerlich-demokratischen Revolution zur sozialistischen Revolution überzugehen und die Unterstützung der armen Bauern zu erhalten. Die Menschewiki in Russland lehnten die Idee der Hegemonie des Proletariats in der bürgerlich-demokratischen Revolution ab. Der Politik des Bündnisses der Arbeiterklasse mit den Bauern zogen sie die Politik der Kompromisse mit der liberalen Bourgeoisie vor und brachten die revolutionäre demokratische Diktatur des Proletariats und die Bauern in Konflikt mit der Entwicklung der bürgerlichen Revolution und des reaktionären weißen Systems. Welche Haltung nahmen die Linken der deutschen Sozialdemokratie, Parvus und Rosa Luxemburg, in Bezug auf diese Diskussionen ein? Sie erfanden ein utopisches und semimenschewistisches Schema der permanenten Revolution (deformiertes Bild des marxistischen Schemas der Revolution), das von der menschewistischen Negation der Allianz zwischen der Arbeiterklasse und den Bauern bis ins Mark durchdrungen war, und wandten sich gegen das bolschewistische Schema der revolutionären demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauern. Später wurde dieses semimenschewistische Schema in der permanenten Revolution von Trotzki (und teilweise von Martow) übernommen und zu einer Waffe des Kampfes gegen den Leninismus gemacht.“[55]

Es wurde viel über die „unvereinbaren“ Unterschiede zwischen Rosa Luxemburg und Lenin geschrieben, aber eine ernsthafte und unvoreingenommene Studie über ihre Arbeit und ihr revolutionäres Handeln kann uns nur zu einem Schluss führen: Es gibt eine unbestreitbare Gemeinschaft im politischen Denken beider. Lenin zweifelte nie daran und hielt Rosa Luxemburg immer für eine einzigartige Führerin des internationalen Marxismus.

Lelio Basso, ein Veteran der italienischen Linken, Gründer der Italienischen Sozialistischen Partei der Proletarischen Einheit, schrieb ein Buch im Gedenken an Rosa Luxemburg. In seinem Vorwort verweist er auf eine Tatsache, die viel mehr ist als eine einfache Anekdote: „Was den Grad der Rücksichtnahme betrifft, den Lenin auf Rosa Luxemburg hatte, so lässt sich dies leicht an der Präsenz einer großen Anzahl luxemburgischer Schriften in seiner Bibliothek erkennen, deren Katalog kürzlich in Moskau veröffentlicht wurde [hier wird eine lange und detaillierte Liste der in der Lenin-Bibliothek vorhandenen Schriften Rosa Luxemburgs dargeboten]. [...] Schließlich gab es weitere Aufsätze von Rosa Luxemburg, die in Sammelwerken mehrerer Autoren enthalten waren, zwei Bände, die ihr zu Ehren geschrieben und 1919 in Petrograd bzw. 1921 in Moskau veröffentlicht wurden (der erste auch zu Ehren von Liebknecht), eine russische Bibliographie über Rosa Luxemburg und Liebknecht, die 1922 in Petrograd veröffentlicht wurde, einen Band von Zetkin über Rosa Luxemburg, polnische Übersetzungen und so weiter. Mindestens zwölf dieser Bände befanden sich im Arbeitszimmer von Lenin, d.h. unter den Bänden, die Lenin immer zur Hand hatte.“[56]

Um zum Ende zu kommen. Lenin wusste sehr wohl, was er sagte, als er sich auf Rosa Luxemburg bezog. Sein theoretischer Hintergrund erlaubte es ihm, ihre Größe zu sehen und ihre Fehler nicht zu ignorieren, aber er tat dies auf die Art eines bolschewistischen Revolutionärs:

Paul Levi will sich jetzt bei der Bourgeoisie – und folglich bei der II. und 2½. Internationale, ihren Agenten – dadurch besonders verdient machen, dass er gerade diejenigen Werke Rosa Luxemburgs neu herausgibt, in denen sie unrecht hatte. Wir antworten darauf mit zwei Zeilen aus einer guten russischen Fabel: ein Adler kann wohl manchmal auch tiefer hinabsteigen als das Huhn, aber nie kann ein Huhn in solche Höhen steigen wie ein Adler. Rosa Luxemburg irrte in der Frage der Unabhängigkeit Polens; sie irrte 1903 in der Beurteilung des Menschewismus; sie irrte in der Theorie der Akkumulation des Kapitals; sie irrte, als sie im Juli 1914 neben PlechanowVanderveldeKautsky u. a. für die Vereinigung der Bolschewiki mit den Menschewiki eintrat; sie irrte in ihren Gefängnisschriften von 1918 (wobei sie selbst beim Verlassen des Gefängnisses Ende 1918 und Anfang 1919 ihre Fehler zum großen Teil korrigierte). Aber trotz aller dieser ihrer Fehler war sie und bleibt sie ein Adler; und nicht nur wird die Erinnerung an sie den Kommunisten der ganzen Welt immer teuer sein, sondern ihre Biographie und die vollständige Ausgabe ihrer Werke (mit der sich die deutschen Kommunisten in unmöglicher Weise verspäten, wofür sie nur teilweise mit der unerhörten Menge der Opfer in ihrem schweren Kampf zu entschuldigen sind) werden eine sehr nützliche Lehre darstellen zur Erziehung vieler Generationen von Kommunisten der ganzen Welt. „Die deutsche Sozialdemokratie ist nach dem 4. August 1914 ein stinkender Leichnam“ – mit diesem Ausspruch Rosa Luxemburgs wird ihr Name in die Geschichte der Arbeiterbewegung der ganzen Welt eingehen. Auf dem Hinterhof der Arbeiterbewegung aber, zwischen den Misthaufen, werden Hühner von der Art Paul Levis, Scheidemann, Kautskys und dieser ganzen Sippschaft, wie es sich versteht, über die Fehler der großen Kommunistin in ganz besondere Verzückung geraten. Jedem das Seine.“[57]




[1] In „Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück“, führt Lenin eine detaillierte Analyse des Zweiten Kongresses der SDAPR durch, um die Spaltung zwischen Bolschewiki und Menschewiki und den opportunistischen und reformistischen Charakter der von Martow und Axelrod geleiteten Fraktion zu erklären.
[2] Nettl, Paul: Rosa Luxemburg, Era Editions, Mexiko, 1974. S. 231. (frei übersetzt aus dem Spanischen, A.d.Ü.)
[3] Zitiert in Nettl, S. 237. (frei übersetzt aus dem Spanischen, A.d.Ü.)
[4] Ebd., S. 241. (frei übersetzt aus dem Spanischen, A.d.Ü.)
[5] Ebd.
[6] Ebd.
[7] Rosa Luxemburg, „Organisationsfragen der russischen Sozialdemokratie“, 1904.
[8] W. I. Lenin, „Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück. Die Krise in unserer Partei“, 1904
[9] W. I. Lenin, „Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück. Antwort von N. Lenin an R. Luxemburg“, 1904.
[10] Leo Trotzki: „Unsere politischen Aufgaben“, 1904.
[11] Leo Trotzki: „Mein Leben“, 1929.
[12] Der Zustimmung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion zu den Kriegsanleihen, mit denen der 1. Weltkrieg finanziert werden sollte. Am selben Tag veröffentlichten die französischen und belgischen sozialistischen Parteien Erklärungen zur Unterstützung ihrer jeweiligen Regierungen im Krieg, A.d.Ü.
[13] W.I. Lenin: „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution“, 1905.
[14] W.I. Lenin: „Die Krise des Menschewismus“, 1906.
[15] Broué, „The German Revolution 1917-1923“, 1973. Frei übersetzt aus dem Englischen, A.d.Ü.
[16] frei übersetzt aus dem Spanischen, A.d.Ü., Quelle: Lenin: „August Bebel“, 1913.
[17] frei übersetzt aus dem Spanischen, A.d.Ü.
[18] Leo Trotzki: „Hände weg von Rosa Luxemburg!“, 1932.
[19] Ebd.
[20] Ebd. frei übersetzt aus dem Spanischen, A.d.Ü.
[21] Leninski sbornik II, S.200.
[22] Aus: Leo Trotzki: „Geschichte der russischen Revolution“, 1930.
[23] Kautsky: La revisión del programa socialdemócrata en Alemania, zitiert in Guérin, S. 135. frei übersetzt aus dem Spanischen, A.d.Ü.
[24] W.I. Lenin, „Was tun?“, 1902.
[25] Spanische Zitation: „Lenin. Prólogo a la recopilación En doce años, en ¿Qué hacer?, p. 484.“
[26] Ein Beispiel für Letzteres ist Daniel Guérin, ein linkssozialistischer Militanter in den 1930er-Jahren, Zentrist, Verteidiger des POUM gegen Trotzki und in den 1960er-Jahren Übergelaufen in die Reihen des „libertären Kommunismus“.
[27] W.I. Lenin, „Der „Linke Radikalismus“, die Kinderkrankheit im Kommunismus“, 1920.
[28] Nettl, S. 342. Frei übersetzt aus dem Spanischen, A.d.Ü.
[29] Leo Trotzki: „Klasse, Partei und Führung: Warum wurde das spanische Proletariat besiegt?“, unvollendet, 20. August 1940.
[30] Nettl, S. 202. Frei übersetzt aus dem Spanischen, A.d.Ü.
[31] Ebd. S.94. Frei übersetzt aus dem Spanischen, A.d.Ü.
[32] Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. (Karl) Dietz Verlag, Berlin. Band 4, 6. Auflage 1972, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1959, Berlin/DDR. S. 459-493.
[33] Rosa Luxemburg, „Die Akkumulation des Kapitals oder Was die Epigonen aus der Marxschen Kritik gemacht haben“. 1915
[34] W.I. Lenin: „Zur Charakteristik der ökonomischen Romantik“, 1897.
[35] Ebd.
[36] W.I. Lenin, „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“, 1917.
[37] Die Internationale, Band VIII, Nr. 3, 1925. Zitiert in Nettl, S. 212. Frei übersetzt aus dem Spanischen, A.d.Ü.
[38] W.I. Lenin, „Über das Selbstbestimmungsrecht der Nationen“, 1914.
[39]  F. Engels, Eine polnische Proklamation, MEW 18, 527.
[40] Leo Trotzki: „Hände weg von Rosa Luxemburg!“, 1932.
[41] Ebd.
[42] Rosa Luxemburg, „Zur russischen Revolution“, zuerst veröffentlicht 1922 von Paul Levi nach dem handschriftlichen Manuskript aus dem Nachlaß.
[43] „Diese berühmte kritische Broschüre über die russische Revolution wurde posthum mit polemischen Absichten von Paul Levi – Mitglied des Spartakusbundes und der deutschen KPD, dann Dissident und Überläufer zur SPD – veröffentlicht. Es sollte hinzugefügt werden, dass Rosa ihre Meinung über ihr eigenes Pamphlet geändert hat, während sie selbst an der deutschen Revolution teilnahm. Diese Schrift wurde jedoch verwendet, um Rosa gegen die russische Revolution und vor allem gegen Lenin in Stellung zu bringen (so wie diese Operation später wiederholt wurde, indem Gramsci gegen Lenin oder, näher an uns, Che Guevara gegen die Kubanische Revolution in Stellung gebracht wurde). Auf diese Weise wollten sie einen verfärbten und „gut bekömmlichen“ Luxemburgismus für die bürgerliche Herrschaft konstruieren“ (Néstor Kohan, „Rosa Luxemburg, eine rote Rose für das 21. Jahrhundert“, Juan Marinello Research Centre, Havanna, 2001 S. 109).
[44] Rosa Luxemburg, „Zur russischen Revolution“, zuerst veröffentlicht 1922 von Paul Levi nach dem handschriftlichen Manuskript aus dem Nachlaß.
[45] Ebd.
[46] Ebd.
[47] W.I. Lenin, „Über das Selbstbestimmungsrecht der Nationen“, 1914.
[48] Rosa Luxemburg, „Zur russischen Revolution“, zuerst veröffentlicht 1922 von Paul Levi nach dem handschriftlichen Manuskript aus dem Nachlaß.
[49] Ebd.
[50] Rosa Luxemburg: „Die Nationalversammlung“, 20.November 1918.
[51] Rosa Luxemburg, „Zur russischen Revolution“, zuerst veröffentlicht 1922 von Paul Levi nach dem handschriftlichen Manuskript aus dem Nachlaß.
[52] Anspielung auf den roten Terror, die Unterdrückung des weißen Terrorismus, der nach dem Triumph der russischen Revolution von den Feinden der Revolution losgetreten wurde.
[53] Zitiert in Frölich, S. 357. (frei übersetzt aus dem Spanischen, A.d.Ü.)
[54] Nettl, S. 526.
[55] Stalin: Zu einigen Themen in der Geschichte des Bolschewismus. (frei übersetzt aus dem Spanischen, A.d.Ü.)
[56] Basso, Lelio: El pensamiento político de Rosa Luxemburgo, Ed. Península, Barcelona 1976, S. 8.
[57] W.I. Lenin: „Notizen eines Publizisten“, 1922. Zu finden in: Ausgewählte Werke, Band 10. Die Kommunistische Internationale. Moskau 1937, S. 300-308.