In Hamburg wurde ein Netzwerk
kämpferischer Gewerkschafter gegründet. Es soll die gewerkschaftsübergreifende
Zusammenarbeit in unserer Stadt stärken, Arbeiterinnen und Arbeiter,
kämpferische Betriebsräte und Vertrauensleute zusammenbringen. „Wir möchten die
Gewerkschaften stärken, und gleichzeitig kämpferischer machen“ heißt es in der
Ankündigung.
Wir sprechen darüber
mit Murat Günes, Betriebsratsvorsitzender bei Neupack
Murat, wie ist das Netzwerk in Hamburg
angelaufen? Welche Ziele setzt ihr euch?
Wir wollen die Spaltung unter den Aktiven
in den Betrieben überwinden und gemeinsam eine kämpferische Gewerkschaftsarbeit
möglich machen. Wir konnten dafür schon eine Reihe von Kollegen gewinnen: eine
Gruppe von Reinigungskräften, Kollegen im Hamburger Hafen, bei einem Hersteller
von Bremsbelägen, in der Brauerei, bei einem Hersteller von Küchengeräten und
natürlich Kollegen bei mir im Betrieb. Um die 40 Kollegen haben sich bisher
beteiligt.
Wie ist denn die Situation in den
verschiedenen Betrieben?
Fast überall kommt es Schritt für Schritt
zu Entlassungen, die Arbeitsbedingungen werden immer schlechter. Bei dem
Bremsbelaghersteller waren früher über 2.000 Kollegen angestellt – heute sind
es keine 1.000 mehr. Ein größeres Fischunternehmen in Hamburg wurde ganz von
einem britischen Konzern aufgekauft. Bei Hamburger Großbrauereien gab es
Entlassungen. Bei uns bei Neupack gilt: Wer geht, für den wird nicht neu
eingestellt. Viele Aufgaben werden Leiharbeitern übertragen. Damit wir die
nicht organisieren, versucht man uns die Kommunikation zu erschweren. Außerdem
wurde bei uns im Betrieb „modernisiert“. Es kommen neue Anlagen, aber keine
neuen Kollegen. Früher haben wir im 16er-Takt gearbeitet, jetzt sind wir bei
24. So werden neue Anlagen ganz einfach über unsre Mehrarbeit finanziert. Im
Hafen arbeiten immer weniger Festangestellte, der Rest sind Leiharbeiter. Da
sagen die Chefs oft: es gibt keine Aufträge, die wirtschaftliche Lage ist
schlecht. Aber dann verschieben sie Aufträge zeitweise in eine andere Werft:
nach Lübeck, Wilhelmshaven, Bremerhaven oder Kiel. Vielen die entlassen wurden
haben sie eine Abfindung angeboten, für den Rest gab es neue Arbeitsverträge zu
schlechteren Bedingungen. Die arbeiten alle nach dem Drehtürsystem: sie
entlassen die Leute, kurz danach stellen sie sie als Leiharbeiter wieder ein.
Manchmal sagt die IG Metall dann: wir haben einen guten Sozialplan
ausgehandelt. Aber hätte der Betriebsrat wirklich gekämpft, dann hätte man viel
mehr rausholen können. So sind die Arbeitsplätze dann eben weg. Bei der Post
hat ver.di über Nacht ohne jeden Erfolg den Streik beendet. Sie haben gesagt,
die Kollegen bekommen einen freigestellten Betriebsrat. Freigestellt wurde dann
ein Kollege von der Postgewerkschaft – einer gelben Gewerkschaft. Und dann
fragt man mich: Was geht dich die Post an? Sehr viel! Was heute meinem Nachbar
passiert, kann morgen bei mir passieren!
Wie hat sich Neupack in den letzten
Jahren entwickelt?
Das hängt natürlich an den Entwicklungen in
der Kunststoffverarbeitung. Jetzt, in Zeiten der Umweltbewegung und der neuen
Kunststoffverordnung, sind andere Produkte auf dem Markt, wie Kunststoff das
mit Papier beschichtet wurde oder die neuen Plastiktüten, die zwar „Mehrweg“
sind, aber teurer sind und mehr Kunststoff enthalten. Viele haben auch mit
Polystyrol aufgehört und machen jetzt Polypropylen.
Wie denkst du über die Umweltbewegung?
Wir wollen keine verschmutzte Welt.
Natürlich muss man sehen, was und wie man produziert. Sagen wir’s so: auch wenn
kein Krieg geführt wird, ist die Waffenindustrie in der Krise. Sollen wir
deswegen dafür sein, dass Kriege geführt werden? Trotzdem muss man ganz klar
sagen: auf viele Arbeitsplätze wird sich die Umweltbewegung negativ auswirken.
Da muss man sich erstmal ansehen, welche Maßnahmen auch etwas bringen. So ist
bei den Autos das eingeführte Dieselfahrverbot in Altona relativ sinnlos.
Stattdessen bräuchte man einen kostenlosen, öffentlichen Verkehr. Ähnlich ist
es beim CO2 und den Elektroautos. Klar, wo sie gefahren werden verschmutzen sie
vielleicht weniger. Aber schauen wir uns doch mal den Rest der Welt an, die
Produktion dieser Autos braucht ja auch Energie! Allgemein ist wichtig: Wo man
Arbeitsplätze abbaut, da könnte man woanders welche aufbauen, durch
Umschulungen oder beim Ausbau der öffentlichen Infrastruktur. Aktuell zahlen
die Arbeitgeber aber oft keine Weiterbildung.
Was müssten die Gewerkschaften dafür
tun?
Die Führung der Gewerkschaften hat jetzt 30
Jahre geschlafen und ist zum Teil immer noch im Winterschlaf. Viele sind ganz
nah an den herrschenden Parteien, vor allem der SPD, und seit Schröder hat das
immer schlimmere Folgen. Die müssen aufwachen und für echte Verbesserungen
kämpfen für uns, für die Arbeiterklasse. Der einzelne Betrieb muss dabei unser
Zentrum sein. Und natürlich müssen wir da auch mit den Leuten reden, die heute
noch anders denken als wir. Ich kenne Gewerkschafter, die sind stockkonservativ
und kämpferische Betriebsräte. Natürlich müssen wir mit ihnen ins Gespräch
kommen!