Immobilienkonzerne enteignen: Entschädigungslos!

von Nadja Habibi, Veröffentlicht in "Offensiv", Printausgabe Sept./Okt. 2019


Der Wohnungsmarkt in Deutschland ist zur Hölle geworden. Eine gute Wohnung zu finden ist vor allem in Großstädten eine Ausnahme. In Hamburg sind die Mieten bei Neubezug oder Mieterwechsel in den letzten 10 Jahren um ungefähr 50% gestiegen. Auch steigen die Mieten nicht nur, sie steigen fast doppelt so schnell wie die Löhne. Dazu gibt es massiven Leerstand, der sinnvoll genutzt werden könnte, wäre da nicht das profitable Geschäft mit der Spekulation.

Enteignung als legitimes Mittel 


Diese Prozentzahlen und Probleme sind nicht abstrakt, sondern tägliche Realität von Mietern. Deshalb ist es kein Wunder, dass Kevin Kühnert mit seinen Äußerungen darüber, dass es kein legitimes Geschäftsmodell sei mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, auf offene Ohren stößt. Auch, dass die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co enteignen” Zuspruch von über 50% der Berliner erhält, ist ein Ausdruck davon wie nötig Veränderung ist. Zuletzt hat diese Initiative für die Zulassung zum Volksbegehren 77.000 Unterschriften in einem Drittel der erforderten Zeit gesammelt, und das obwohl bloß 20.000 Unterschriften in sechs Monaten nötig gewesen wären. Enteignungen sind richtig und nötig, um die Wohnungsnot zu beenden. Mietkonzerne wie Deutsche Wohnen oder auch Vonovia, der größte private Mietkonzern in Hamburg, treiben bundesweit ihr Unwesen und überall sind Mieter von Mietsteigerungen und Verdrängung betroffen. Auch kommunale Vermieter wie die SAGA-GWG arbeiten nach der Logik der Privatkonzerne und handeln nicht in unserem Interesse. Um uns dem entgegenzusetzen, müssen wir die Kampagne auf ganz Deutschland ausweiten.

Mieterinnen und Mieter organisieren


Um uns langfristig gegen Mietsteigerungen, schlechte Wohnverhältnisse oder Zwangsräumungen zu wehren, brauchen wir eine breite Organisierung. Wir müssen den Aufbau von Mieterinitiativen und eine Vernetzung in den Städten und bundesweit vorantreiben. So können wir kollektiv für die Durchsetzung von Mieterrechten bis hin zu Mieterhöhungsboykotten kämpfen. Auch die Gewerkschaften müssen auf die Wut und Kampfbereitschaft der Mieter reagieren und die Frage von Wohnen als Kampagne und in Arbeitskämpfen aufnehmen, zum Beispiel die Frage von arbeitsnahem Wohnen oder Azubi-Wohnheimen. DIE LINKE müsste – mit bundesweit über 60.000 Mitgliedern – der Bewegung nicht nur hinterherhecheln, sondern ihre Ressourcen nutzen, an der Basis mobilisieren und eine schlagkräftige Kampagne für die Enteignung der großen Immobilienkonzerne im ganzen Bundesgebiet anstoßen.

Wie hast du’s mit der Entschädigung?


Beteuerungen wie die der Berliner LINKE-Landesvorsitzenden Katina Schubert, dass Enteignungen ja nur mit Entschädigung durchgeführt werden können, lehnen wir ab. Wohnkonzerne machen Profit, der am Ende in der Tasche der Eigentümer landet. Denn wenn jeder Cent der Miete in Sanierung oder Instandhaltung gesteckt würde, würde sich das Unternehmen aus kapitalistischer Sicht nicht lohnen. Da Wohnkonzerne seit Jahrzehnten Profite auf dem Rücken der Mieter gemacht haben, sind wir gegen eine Entschädigung nach Marktwert der Wohnungen. Die Häuser, in denen wir leben gehören uns – wir müssen sie uns nur nehmen und alle lebensnotwendigen Wirtschaftssektoren wie Wohnen, Energie oder Gesundheit verstaatlichen. Den Beschäftigten der Wohnkonzerne müssen gleichwertige Arbeitsplätze in landeseigenen Wohnungsgesellschaften gestellt werden.

Wie wollen wir Wohnen organisieren?


Wir fordern Mieten, die nicht profitabel sind, sondern die die realen Kosten der Wohnungen abdecken. Dafür brauchen wir eine Offenlegung der Geschäftsbücher von Wohnkonzernen. Statt der Diktatur privater Unternehmer wollen wir Anwohnerversammlungen, die demokratisch über Stadtplanung, Renovierungen und Bauprojekte entscheiden.

Der Kampf gegen die Wohnungskrise stößt an die Grenzen des kapitalistischen Systems – deshalb muss er mit der Perspektive einer sozialistischen Gesellschaft geführt werden, in der demokratisch geplant und gewirtschaftet wird und in der nach Bedarf statt Profit entschieden wird.