Gemeinsam für die 30-Stunden-Woche!


Rasmus Schad, Offensiv Hamburg

Die Anpassung der Arbeitszeit war seit ihren Beginn eine der wichtigsten Forderungen der Gewerkschaftsbewegung. Nachdem die Arbeiterinnen und Arbeiter in vielen Branchen die günstige Situation der Siebziger und Achtziger Jahre nutzten um grundlegende Verbesserungen, wie die 40- oder sogar 35-Stunden-Woche zu erkämpfen, wollen Bosse und Politiker seit Beginn des neoliberalen Rollbacks und der Agenda 2010 diese Errungenschaften der Gewerkschaftsbewegung aufweichen.
Die Situation erscheint paradox: Durch die immer stärkere Automatisierung und Computisierung der Produktion steigt die Produktivität der Arbeiter rapide an, immer weniger Menschen erschaffen also immer mehr Güter in immer weniger Zeit.

In jeder vernünftigen Gesellschaft würde man nun zu dem Schluss kommen, dass man diese Entwicklung nutzen sollte, die Zeit zu senken, die jeder einzelne für den Broterwerb opfern muss, statt dessen die Arbeitslosigkeit zu senken und mehr Leuten Zugang zu diesem immensen Reichtum zu ermöglichen. Statt dessen erleben wir als Beschäftigte wie durch Leiharbeit und Auslagerungen auch noch die Mindeststandards der Tarifverträge umgangen werden.

Die Propagandisten dieser schönen, neuen „Arbeitswelt 4.0“ in den Vorstandsetagen und dem Bundesarbeitsministerium preisen die Flexibilisierungen und den Abbau von traditionellen Arbeitsmodellen als Fortschritt für Alle an, obwohl ihr einziges Ziel darin besteht, die Lohn- und Arbeitskosten noch weiter zu drücken, damit die Profite vonAktionären und Eigentümern um noch ein paar Prozente wachsen können.

Schaut man auf die Statistik, scheint die Situation gar nicht so schlimm zu sein. Die durchschnittliche Arbeitszeit aller Beschäftigten sank in Deutschland in den letzten 10 Jahren von 35,6 auf 35 Stunden. Der Ursprung dieses scheinbaren Fortschritts beruht allerdings darauf, dass mehr und mehr Menschen nur in Teilzeit beschäftigt werden und oft weniger Stunden bekommen, als sie gerne arbeiten würden. Auf der anderen Seite stieg die Anzahl derer, die mehr als 42 Stunden in der Woche arbeiten mussten. Unbezahlte Überstunden, die viele von uns oft schon in der Ausbildung leisten, werden genau so wenig erfasst, wie die Notwendigkeit, ständig über Messenger oder Email für den Chef erreichbar zu sein.

Wer 40 Stunden in der Woche arbeitet, der weiß genau, wie wenig Zeit für Freizeit und Erholung übrig bleibt. Oft genug leiden auch schon Hausarbeit und Familie darunter, was bei vielen Paaren den einen Partner, meistens Frauen in Teilzeitarbeit drängt. Dadurch zementiert die Art, wie wir unsere Arbeit organisieren auch die vorherrschenden Geschlechterrollen und macht Frauen finanziell von ihrem „Hauptversorger“ abhängig.

Trotz dieser offenkundigen Gründe, für eine Arbeitszeitverkürzung zu kämpfen, tun sich die Gewerkschaften immer noch schwer damit. In Tarifkämpfen wird das Thema selten aufgegriffen, die gültigen Rahmentarife, in denen die Arbeitszeit festgelegt ist, stammen häufig noch aus den Neunzigern. Die Gewerkschaftsbürokratie hat sich in ihrer Übereinstimmung mit der SPD-Politik der Agenda 2010 damit arrangiert, die fortschreitende Deindustrialisierung seit der Wende und den Aufbau eines der größten Niedriglohnsektoren Europas mit zu verwalten. Auch wenn diese Arbeitszeitverkürzung weder Ausbeutung noch Konkurrenzdruck und Profitmaximierung beendet,  ist es an der Zeit, als Arbeiterbewegung wieder in die Offensive zu gehen. Lasst uns in Gewerkschaft und Betrieb dafür kämpfen, ein Stück unseres eigenen Lebens zurück zu erobern!