Das Coronavirus ist nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat!
José Antonio López, Izquierda Revolucionaria
(Internationale Revolutionäre Linke im Spanischen Staat) Madrid,
18. März 2020
Patienten schlafen auf den Fluren des kaputtgesparten Klinikums in Madrid |
Das Coronavirus hat das Gesundheitssystem in Madrid ins
Chaos gestürzt. Die Ursache dafür liegt in der Spar- und Kürzungspolitik, die
in der Comunidad von Madrid (CAM) seit Jahrzehnten von der Partido Popular (PP)
betrieben wird. Jahre der Politik im Interesse der Großkonzerne fordern nun
einen hohen Tribut von den Arbeitern in Madrid und ihren Familien.
Die PP in Madrid setzt auf die private
Gesundheitsversorgung
In ihrem Versuch, die Krise zu bewältigen, umgibt sich Díaz
Ayuso (PP Politikerin und Präsidentin der Regionalregierung von Madrid, Anm. d.
Ü.) mit den Vertretern eines privatisierten Gesundheitssystems. Bestes Beispiel
dafür ist Antonio Burgueño, verantwortlich für den
„Sparplan“, der die Privatisierung von sechs öffentlichen Krankenhäusern und
die Auslagerung von 27 weiteren im Jahr 2013 beinhaltete, was der Auslöser für
die „Weiße Flut“ (Protest- und Streikwelle im Gesundheitssektor der Hauptstadt,
Anm. d. Ü.) in Madrid war. Dieser Mann war der Generaldirektor von HM
Hospitales, Pflegedirektor von Adeslas und die treibende Kraft hinter dem
ersten öffentlichen Gesundheitszentrum im spanischen Staat, das nach
privatwirtschaftlichen Richtlinien betrieben wurde. Es braucht nur einen kurzen
Blick auf diese „Erfolgsbilanz“ um zu verstehen, in
wessen Interesse Burgueño seine Geschäfte macht.
Und genau das ist, was hinter dem umfassenden Plan gegen das
Coronavirus in der Comunidad Madrid steht. Von den 200 Maßnahmen, die er
enthält, wurden nur zwei veröffentlicht: die angebliche einheitliche Kontrolle
der öffentlichen und privaten Ressourcen und die Umgestaltung von Hotels zur
medizinischen Versorgung. Die Bedingungen, unter denen dieser Plan in die Tat
umgesetzt werden soll, bleiben jedoch ein Rätsel. Werden die privatisierten
Krankenhäuser und die Hotels ihre Kapazitäten für diesen Notfall kostenlos zur
Verfügung stellen? Die Antwort ist offensichtlich nein.
Die erste Reaktion der Privaten war eine Weigerung, die
Infizierten zu behandeln. Das rief eine gewaltige öffentliche Empörung hervor
und unter diesem Druck willigten sie schließlich zu einer „Zusammenarbeit“ ein,
was sicherlich nur bedeutet, dass sie sich die von ihnen behandelten Patienten
teuer aus den öffentlichen Kassen bezahlen lassen. In die gleiche Richtung
gehen die Maßnahmen gegenüber den Hotels: Während ganze Etagen öffentlicher
Krankenhäuser aufgrund von Kürzungen geschlossen werden und Betten in
Privatkliniken leer bleiben, sollen den Hotelbetreibern in erster Linie ihre
Gewinne, geschmälert durch den Rückgang der Kundschaft während der Krise,
garantiert werden.
Diese Maßnahmen haben nichts mit dem Eingriff in den
Privatsektor zu tun, der von der Bevölkerung Madrids derzeit gefordert wird.
Stattdessen wittern die großen Versicherungsgesellschaften und Unternehmen ihre
Chance, größere Marktanteile zu erobern. Es ist höchste Zeit, den gesamten
privaten Gesundheitssektor zu enteignen, zu verstaatlichen und die
Krankenhäuser sowie ihre personellen und materiellen Ressourcen in den Dienst
der Öffentlichkeit zu stellen. Nur so kann diese Krise gelöst werden!
Das Gesundheitssystem war bereits vor dem Virus am Ende
Zufolge der im vergangenen Dezember von der UGT
veröffentlichten Daten benötigen 53% der potenziellen Patienten mehr als drei
Tage, um einen Termin zu erhalten. Zwischen 2016 und 2019 ist die Zahl der
Patienten auf der Warteliste für strukturelle Operationen um mehr als 25.000
(66,5%) gestiegen.
Paradoxerweise werden trotzdem viele Operationssäle kaum
genutzt: Entweder aus Personalmangel oder weil es in der Nähe private
Operationssäle gibt, die von der Gesundheitspolitik der PP bevorzugt werden.
Der Prozentsatz der Investitionen im Privatsektor ist dreimal so hoch wie im
öffentlichen. Allein während der letzten Legislaturperiode haben die
öffentlichen Krankenhäuser 878 Betten verloren.
Auch die Situation der Beschäftigten hat sich seit vielen
Jahren deutlich verschlechtert. 2008 gab es laut einem Bericht von Madrid Salud
etwa 76.000 Beschäftigte (ohne das Führungspersonal) im öffentlichen
Gesundheitswesen; im Januar 2020 waren es nur noch etwa 74.000. Mit anderen
Worten: Das öffentliche Gesundheitssystem von Madrid hat derzeit etwa 2.000
Beschäftigte weniger als vor der Krise. Von den insgesamt 39.782
Hochschulabsolventen im Bereich Gesundheit (hauptsächlich Ärzte und Krankenpfleger)
werden nur 131 verbeamtet! Mit fast 40% ist Zeitarbeit die vorherrschende Art
der Beschäftigung.
Aber ein Krankenhaus kommt nicht nur mit Ärzten und
Krankenschwestern aus. Nach Angaben des Madrider Gesundheitsdienstes selbst
waren 2020 von den 17.390 Beschäftigten in der Verwaltung nur 135 Beamte, aber
14.665 in den gleichen prekären Verhältnissen wie das medizinische Personal.
Inzwischen gibt es in ganz Madrid nur noch einen Aufseher, der als Beamter
anerkannt wird! Hinzu kommen die Bedingungen für Dienstleistungen wie
Reinigung, die in der überwiegenden Mehrheit ausgelagert wird; mit aller
Unsicherheit, die das mit sich bringt.
Darüber hinaus hat der Mangel an Planung dazu geführt, dass
die Krankenhäuser dieser Krise mit ernsthaften Versorgungsengpässen
entgegentreten müssen, was den Personalmangel noch zusätzlich verschlimmern
wird, da durch die fehlende Schutzausrüstung viele der Beschäftigten mit dem
Virus infiziert werden könnten. Derzeit befinden sich bereits mindestens 375
Krankenhausbeschäftigte in Quarantäne.
Diese Krise hat zu großer Kritik an den Kürzungen im
Gesundheitswesen geführt. Die Erklärungen eines Vertreters der MATS (Bewegung
der Beschäftigten im Gesundheitswesen) gegenüber dem TVE, der eben diese
Bedingungen anprangerte, haben Wirkung gezeigt. Seine Aussagen haben der
Regierung dermaßen geschadet, dass Ayuso und ihre PP-Regierung einen ekelhaften
Brief schickten, in dem sie den Rundfunk dafür attackierten, der MATS eine
Stimme zu geben. Die Politiker werden sich bewusst, dass ihre rücksichtslosen
Maßnahmen von den Arbeitern und ihren Familien mehr und mehr ins Visier
genommen werden und sie reagieren hysterisch.
Das Coronavirus überlastet das System
Nicht nur die Krankenhäuser, sondern auch die telefonischen Dienste
sind überfordert. Eine Person mit dem Verdacht auf Covid-19 braucht in der
Regel mehrere Tage, um jemand unter den offiziellen Nummern zu erreichen, wenn
es überhaupt klappt. Die Folge davon ist, dass viele Kranke gar nicht erst
behandelt werden können oder dafür in die Notaufnahme gehen müsse, was
Quarantänen unmöglich macht.
Der Notruf 061 wurde ebenfalls privatisiert und seit 2013
hat das Unternehmen Ferroser (Ferrovial) mindestens 9,6 Millionen Euro
Zuschläge dafür erhalten; mit dem einzigen Ergebnis einer Verschlechterung
dieses lebensnotwendigen Dienstes, bei dem bereits unter normalen Bedingungen
rund 3.300 Anrufe pro Tag eingehen. Für ein derartiges Arbeitsvolumen brauchte
es laut dem Vertrag von 2013 138 Arbeiter, aber im November 2019 waren es nur noch
97, von denen nur 75-80 tatsächlich Telefonisten sind.
#flattenthecurve oder Verbesserung des
Gesundheitssystems?
Auf alle vorstellbaren Arten wurde in den sozialen
Netzwerken die Notwendigkeit betont, die Empfehlungen zur Eindämmung der
Infektionen einzuhalten und so das System zu entlasten.
Natürlich müssen wir in dieser Hinsicht verantwortlich
handeln, aber es ist absolut notwendig, auf die Verantwortung der
Kürzungspolitik für den Zusammenbruch des Madrider Gesundheitswesens zu pochen.
Das gesamte Gesundheitssystem hat bereits unter normalen Umständen an der
Belastungsgrenze gearbeitet. Jede außergewöhnliche Entwicklung, wie die aktuelle,
musste unweigerlich zu einem absoluten Chaos führen.
Sowohl die Zentral- als auch die Regionalregierung haben
darauf verwiesen, dass ihre Maßnahmen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen
beruhen, aber es ist vor allem die Logik des Marktes, dir ihr Handeln bedingt.
Als die Infektionszahlen auf der Halbinsel noch unter Kontrolle hätten gebracht
werden können, wurden weitergehende Maßnahmen um jeden Preis vermieden, um die
Gewinne der Unternehmen nicht zu schmälern. Das Ergebnis davon sehen wir jetzt.
Der Kampf für die Wiederherstellung des öffentlichen
Gesundheitssystems
Die jetzige Situation zeigt deutlich, wozu Jahrzehnte der
Privatisierungen und Kürzungen führen. Es ist notwendig, konkrete Forderungen
für eine Wiederherstellung des öffentlichen Gesundheitswesens und gegen die
Kürzungen und Einsparungen aufzustellen:
1. Die sofortige Einstellung von Fachkräften ins
Gesundheitswesen (Ärzte, Krankenpfleger, Forscher, Techniker, Hilfspersonal,
Fahrer etc.) und die Anschaffung alles notwenigen Schutzmaterials, um die
Gesundheit der Beschäftigten zu gewährleisten.
2. Die Wiedereröffnung aller öffentlicher Krankenhäuser, die
derzeit aufgrund der Kürzungspolitik geschlossen sind, Ausbau und Verstärkung
aller Intensivstationen und Anschaffung alles notwenigen medizinischen und
chirurgischen Materials. Die Bedingungen der „Zusammenarbeit“ mit Hotels und
Privatkliniken müssen öffentlich gemacht werden! Wir können keine
Vergünstigungen und Zuschläge akzeptieren, die dazu dienen, öffentliche Gelder
an private Unternehmen zu übergeben.
3. Aufstellung eines Notfallplans, um die geplanten
Operationen zu gewährleisten und die kranke und gefährdete Bevölkerung
weiterhin zu versorgen. Wir müssen den Wartelisten und der Ausgliederung auf
den ambulanten und familiären Bereich ein Ende setzen! Es ist nicht hinnehmbar,
dass das Leben tausender Patienten wegen mangelnder Ressourcen in Gefahr ist.
4. Nieder mit der Regierung der PP und der Politik der
Privatisierungen, die für die derzeitige Lage verantwortlich ist.
Die Zentralregierung muss unverzüglich die Enteignung des
privaten Gesundheitssektors und dessen Eingliederung in den öffentlichen Dienst
in Angriff nehmen und einen Haushalt verabschieden, der die Ressourcen und
Mittel zur Verfügung stellt, um die Coronavirus-Krise zu bewältigen. Alle zur
Bekämpfung der Epidemie notwendigen Medikamente müssen kostenlos bereitgestellt
werden. Dafür ist eine Verstaatlichung der Pharmaindustrie unerlässlich! Nur
auf diesem Wege kann diese Krise bewältigt und ein hochwertiges, öffentliches
Gesundheitswesen aufgebaut werden.