Am vergangenen Samstag wurde in der
Allgäuer Zeitung berichtet, dass die Kollegen des Getriebeherstellers Voith in
Sonthofen zu 98 Prozent für einen unbefristeten Streiks gegen die geplante
Standortschließung gestimmt haben.
Wir sagen: Richtig so! Die
Standortschließung bedroht die Stellen von 500 Kollegen (600 zusammen mit der
geplanten Schließung in Zschopau), die mit ihren Familien finanziell von dem
Betrieb abhängig sind. Der Konzern bietet ihnen den Wechsel in einen anderen
Standort an. Doch das bedeutet für die Kollegen, samt ihrer Familien ihre
Heimat zu verlassen, als Belegschaft auseinandergerissen zu werden und
wahrscheinlich auch noch weitere Kürzungen über sich ergehen zu lassen.
Und das, obwohl der Konzern weder pleite
ist noch schlechte Umsätze einfährt! Voith produziert Spezialgetriebe für
Kraftwerke, Papierindustrie und den Flugzeugbau, beschäftigt weltweit 19.000
Mitarbeiter und macht 4,28 Milliarden Umsatz (im Jahr 2019). In seiner Bilanz
des Jahres 2019 wirbt Voith unter anderem mit folgenden Daten:
„• Auftragseingang
wächst im abgelaufenen Geschäftsjahr um 9 Prozent, Umsatz um 2 Prozent
• Höchster
Auftragsbestand seit sieben Jahren
• Jahresüberschuss
steigt um 49 Prozent, EBIT um 12 Prozent
• Umsatz-
und Kapitalrendite (ROCE) ebenfalls gesteigert
• Eigenkapitalquote
und Nettoliquidität weiter auf hohem Niveau“
und schreibt: „So strebt Voith
mittelfristig ein deutliches Umsatzwachstum und eine signifikante Steigerung
der zentralen Rentabilitätskennziffern an.“[1]
Damit ist klar, worum es bei den
geplanten Standortschließungen geht: Um die Profite. Die Stellen der Kollegen
sind das Bauernopfer.
Dabei hat die Metallverarbeitung in Sonthofen
eine lange Tradition. Viele der Kollegen haben Väter, die selbst schon in dem
Bereich beschäftigt waren. Auf den Demonstrationen zur Erhaltung des Standorts
nehmen nicht nur die 500 Kollegen, sondern auch tausende Nachbarn und
Familienmitglieder teil, die Betriebsfeste sind regelmäßig weit über die
Belegschaft hinaus besucht.
Doch was interessiert die Chefs das
Leben der Kollegen und ihrer Familien? Auch wenn sie davon sprechen, sie wären
nach wie vor ein „Familienunternehmen“ und am Auskommen ihrer Beschäftigten
interessiert: Was am Ende zählt, ist die Konzernbilanz und die fetten
Brieftaschen der Eigner.
Das wurde auch während der
Corona-Pandemie deutlich: erst Anfang April ersetzte die Geschäftsleitung den
Werksleiter Andreas Lingg, der fast 30 Jahre bei Voith in Sonthofen beschäftigt
ist. Die Woche zuvor hatte er noch Sofortmaßnahmen zum Schutz der Kollegen
gegen eine Ansteckung im Betrieb eingeleitet.
Was plant Voith?
Klar ist, dass es bei den
Standortschließungen in Sonthofen und Zschopau nicht um einen Bankrott der
Firma geht, sondern um höhere Profite. Offiziell will man auf weniger und
größere Standorte umstellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Geschichte
wird garniert mit dummen und beleidigenden Lügen der Konzernleitung von
„unproduktiven Mitarbeitern“. Auch wolle man „schmelzenden Margen“ begegnen –
und das, obwohl in der Jahresbilanz 2019 schwarz auf weiß zu lesen war, dass
Umsatz, Kapitalrendite und Überschuss gesteigert wurden?
Kein Vertrauen der Konzernleitung!
Die Konzernleitung agiert in dem Fall,
wie in allen anderen Fällen auch: auf dem Rücken der Kollegen sollen Profite
maximiert werden. Transparenz gibt es keine: die Mitarbeiter berichten, dass
sie über einen langen Zeitraum über die geplante Schließung belogen wurden.
Auch dass sich die Konzernleitung für Alternativkonzepte interessieren würde,
die die Belegschaft vorgelegt hat, ist reine Heuchelei. Entscheiden wird die
Profitmaximierung, nicht das Wohl der Arbeitenden.
Als Widerstand angekündigt wurde, wechselte
man zu blanker Erpressungsstrategie: könnte man die Schließung derzeit nicht
realisieren, so die Konzernleitung, dann könne man ja auch die gesamte „Voith
Turbo“-Sparte schließen. Und ginge man in den Streik, dann würde die Firma eben
sofort mit dem Abbau der Maschinen beginnen.
Was ist zu tun?
Der Streik der Kolleginnen und Kollegen
ist richtig und verdient volle Unterstützung! Sein Ziel muss die Erhaltung
jeder Arbeitsstelle und jedes Lohns sein. Auch dürfen wir uns vom Arbeitgeber
nicht erpressen lassen.
Damit das nicht gelingt, ist eine entschlossene
Strategie nötig. Denn wenn die Methode des Streiks nicht ausreicht, dann gibt
es auch andere Maßnahmen, die ergriffen werden können. Als in Griechenland
während der letzten Krise die Konzernleitung die Stilllegung der Fabrik Vio.me
plante, besetzten die Kolleginnen und Kollegen den Betrieb, organisierten sich
in demokratischen Strukturen und erhielten den Betrieb auf eigene Faust
aufrecht.
Eine solche Strategie ist möglich, denn
es ist klar, dass die Standortschließungen keinem sozialen Interesse, sondern
nur den Profiten der Chefs dienen sollen. Das muss sich ändern! Um
festzustellen, wie der Betrieb genau aufgestellt ist, müssen zuerst einmal alle
Geschäftsbücher geöffnet und Transparenz hergestellt werden. Die Kolleginnen
und Kollegen müssen die Entscheidungen des Konzerns streng kontrollieren – erst
auf dieser Grundlage kann die Belegschaft entscheiden, ob eine
Betriebszusammenlegung unter sozialen und ökologischen Aspekten überhaupt Sinn
macht.
Der Fall Voith macht deutlich, dass die
Konzernleitungen ihre Entscheidungen nicht nach diesen Kriterien treffen,
sondern für die Profitmarge der Eigner. Eine Lösung wäre die Verstaatlichung
des gesamten Konzerns und der Metallverarbeitung allgemein. Nur so kann
langfristig sichergestellt werden, dass ihr Wirtschaften nicht den Profiten
privater Eigner untersteht, sondern demokratisch kontrolliert werden kann!
An erster Stelle müssen nun diejenigen
stehen, die die Gewinne erwirtschaften. Reicht das Geld für Lohnzahlungen und
die Aufrechterhaltung des Standorts nicht, dann gibt es doch keinen Grund
weiter Gewinne an die Eigner auszuzahlen. Sie sollten eingefroren und für die
Aufrechterhaltung des Standorts ausgegeben werden.
Keine Salamitaktik!
Damit überhaupt entschlossene Maßnahmen
ergriffen werden können, muss die Gewerkschaft einen kämpferischen Kurs
einschlagen. Voith ist nicht das einzige Unternehmen, das nun einen Standort schließt
oder Stellen streicht.
Dass diese Situation auf uns zukommt war
lange klar! Es ist ein einziges Verbrechen, dass
gerade in einer solchen Situation die Führung der IG Metall sich darauf
einlässt, die bundesweite Tarifrunde zu unterbrechen und aufzusplitten, und in
NRW einen Tarifvertrag vereinbart hat, der keine nennenswerten sozialen
Verbesserungen für die Beschäftigten enthält – im Gegenteil! Oder dass der DGB
seine Aktivität zum 1. Mai „ins Internet“ verlegt hat.
Damit macht die Führung des DGB
deutlich, dass sie nicht Willens ist, den Kampf gegen die geplanten sozialen
Kürzungen auf voller Ebene aufzunehmen. Um an dieser Situation etwas zu ändern,
brauchen wir die kämpferischen Belegschaften, die um ihren Betrieb kämpfen und
Druck auf die Gewerkschaftsführung aufbauen, ihre Gesamtstrategie zu ändern.
Die Alternative ist, dass die Arbeitgeber in
einer Strategie der Salamitaktik die eine Belegschaft nach der anderen
abwickeln!
Wir brauchen ein, zwei viele Sonthofens, und weitere Betriebe und Branchen, die stillstehen
und für die Erhaltung aller Stellen und Löhne, für die Einstellung der
Kurzarbeit und die Reduzierung der Arbeitszeit auf 30 Stunden kämpfen.
Schluss mit Niedriglöhnen, während auf
der anderen Seite Milliardendividenden ausgezahlt werden!
Schluss mit Kurz- und Zeitarbeit,
Arbeitszeitverlängerung und anderen Kürzungen während Corona!
Verstaatlichung der Schlüsselindustrien,
der Banken und des Gesundheitswesens unter Arbeiterkontrolle!
Nur gemeinsam sind wir stark, nur wenn wir
zusammen kämpfen, können wir siegen!