Rezession, Krise der Demokratie und wiedererstarkende Klassenkämpfe

Juan Ignacio Ramos, Generalsekretär von Izquierda Revolucionaria
Veröffentlicht auf Spanisch am 3. September 2019

„Die bürgerlichen Produktions- und Verkehrsverhältnisse, die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse, die moderne bürgerliche Gesellschaft, die so gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, gleicht dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor. Seit Dezennien ist die Geschichte der Industrie und des Handels nur die Geschichte der Empörung der modernen Produktivkräfte gegen die modernen Produktionsverhältnisse, gegen die Eigentumsverhältnisse, welche die Lebensbedingungen der Bourgeoisie und ihrer Herrschaft sind.“

Karl Marx, Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei

Das kapitalistische System ist völlig zerrüttet. Der Wirtschaftsabschwung hin zu einer schweren Rezession – wie sie auch von den globalen Finanzinstituten und ihren Medien angekündigt wird – ist nur ein Aspekt der Situation. Blickt man auf die turbulentesten Zeiten des 20. Jahrhunderts zurück, insbesondere auf die dreißiger und siebziger Jahre, erkennt man, wie eng politische Ereignisse mit den wirtschaftlichen Ereignissen verflochten sind, die in weiten Teilen der herrschenden Klasse auf der ganzen Welt ein Klima der Unsicherheit und des Pessimismus erzeugen.

Die negativen Elemente dieser Dynamik erstrecken sich auf alle Ebenen:

1.       Der Aufschwung im interimperialistischen Kampf um die Kontrolle von Märkten, Einflussbereichen und Rohstoffen ist mit größter Intensität zu spüren. Die internationalen Beziehungen wurden stark erschüttert: Alte Bündnisse zwischen den Großmächten und ihren Vasallenstaaten fallen auseinander, während neue gegründet werden, was zu langen militärischen Konflikten und der Balkanisierung der Welt führt.

2.       Der Kampf um die politische Vorherrschaft zwischen den USA und China hat eine eigene Dynamik, die den Handelskrieg mit verheerenden Folgen befeuert. Die wettbewerbsorientierte Abwertung der Währungen – der Yuan erreichte Allzeittiefs und Trump, der die Federal Reserve zu einem drastischen Zinssenkungen drängte – verschlechtert den Trend, während der Welthandel weiter schrumpft.

3.       Der Brexit bedeutet das wichtigste Scheitern der EU und stellt ihre Zukunft in Frage. Der europäische Block stürzt weiter in Unordnung und erleidet einen Rückgang seiner Exporte auf dem Weltmarkt. Sowohl Deutschland – die dominante Macht auf dem Kontinent – als auch Großbritannien leiden bereits unter den Symptomen des rezessiven Zyklus (ihr BIP sank im zweiten Quartal um 0,1% bzw. 0,2%). Italien befindet sich mit zwei Perioden des Abschwungs, zwei Perioden der Stagnation und nur einem leichten Aufschwung über fünf Monate ebenfalls in einer politischen Krise mit unvorhersehbaren Folgen.

4.       Die wirtschaftlichen und sozialen Zersetzungserscheinungen des Kapitalismus in Lateinamerika kündigen einen Zyklus von Arbeitskämpfen und sozialen Konflikten an, der eine neue revolutionäre Krise auf die Tagesordnung setzen wird.

5.       Die Dekadenz der parlamentarischen Demokratie und die bonapartistischen und autoritären Tendenzen vieler westlicher Regierungen – das jüngste Beispiel ist Boris Johnson in Großbritannien – sind Ausdruck des Zusammenbruchs der Stabilität und des inneren Gleichgewichts des kapitalistischen Systems, das auch durch eine tiefe Spaltung der herrschenden Klasse in jedem Land gekennzeichnet ist. Die tiefe soziale und politische Polarisierung, die Spaltung des Bürgertums nach rechts und links sowie die Delegitimierung der Sozialdemokratie und der traditionellen konservativen Parteien sind das Ergebnis der Zunahme der Ungleichheit nach Jahren des Sozialabbaus und des Sparkurses.

6.       Obwohl die nationalistische Reaktion heute eine größere Macht innehat als in den vorangegangenen Jahrzehnten (Trump, Bolsonaro und Salvini sind Beispiele dafür), wäre es ein Beweis für politische Blindheit, wenn man nur diesen Aspekt der Realität betrachtet. Der heutige historische Prozess zeigt viele widersprüchliche Elemente und tiefliegende Prozesse im Bewusstsein der Massen, die sich unter dem Deckel dieser Regierungen entwickeln. Die konservativen Traditionen, die der demokratische Staat seit Jahrzehnten befördert hat, wenden sich zu einer Infragestellung des Kapitalismus bei großen Teilen der Arbeiterklasse und Jugend, die sich der Linken zuwenden. Die riesigen Mobilisierungen von arbeitenden Frauen für ihre Rechte oder die Streiks der Jugend gegen den Klimawandel sind nur die Spitze des Eisbergs des Aufbruchs und der Radikalisierung des Klassenkampfes auf der ganzen Welt.

Finanzspekulation und Verschuldung. Die Lehren aus der Vergangenheit wurden nicht gezogen

Es kann nicht geleugnet werden, dass ein großer Verdienst des Kapitalismus darin besteht, die Technik und Produktivität der Arbeit auf das höchste Niveau gehoben zu haben und eine globale Wirtschaft und die objektiven Bedingungen dafür bereitet zu haben, die Ressourcen des Planeten rational zu nutzen. Aber der Kapitalismus des 21. Jahrhunderts ist nicht nur weiter denn je von der Erfüllung dieser Aufgabe entfernt, sondern der Überfluss an Kapital und Rohstoffen sowie der Fortschritt der Technologie sind unter dem Dach des Privateigentums und des Nationalstaates zu einer der Hauptursachen für Kürzungen, Armut, strukturelle und Massenarbeitslosigkeit und extreme Arbeitsplatzunsicherheit geworden.

Die kapitalistische Agenda, die zur Abwehr der Großen Rezession von 2008 eingesetzt wurde, war nicht in der Lage, auf die Herausforderung zu reagieren und hat die strukturellen Widersprüche, die vor einem Jahrzehnt die Krise verursachten, weiter verschärft. Die Weltbourgeoisie beabsichtigte keineswegs dieses Ergebnis, aber die Produktivkräfte haben sich ihrer Kontrolle entrissen und werden die Gesellschaft letztendlich entweder in den Ruin oder in die Revolution treiben.

Die globale Stagnation hat sich auch im Welthandel deutlich gezeigt. Es sei daran erinnert, dass in den 90er Jahren und zu Beginn des neuen Jahrhunderts wichtige politische Faktoren wie der Zusammenbruch des Stalinismus in der UdSSR, Osteuropa und China die Erschließung neuer Märkte und Produktionszweige zur Förderung einer neuen internationalen Arbeitsteilung ermöglichten. Die Ausweitung des Handels war ein Schlüsselfaktor für den europäischen und US-amerikanischen Kapitalismus und China, um zwei Jahrzehnte lang ein nachhaltiges Wachstum zu erzielen, das mit kurzen Rezessionen (etwa von 1987 bis 2007) verbunden war. Der durchschnittliche Anteil der Exporte und Importe am Welt-BIP stieg von 20% im Jahr 1995 auf 30% im Jahr 2014, und im gleichen Zeitraum vervierfachten sich die weltweiten Exporte von Rohstoffen.

Der Rückgang des Welthandels ist nun eine Tatsache: Nach einem durchschnittlichen Wachstum von 7% vor einem Jahrzehnt wird er 2019 um lächerliche 2,6% zunehmen (im ersten Quartal des Jahres gingen die weltweiten Exporte um 2,7% zurück und die Importe um 3,1%).

Auch die privaten Investitionen, ein Schlüsselfaktor für die Wiederbelebung des Konjunkturzyklus, unterliegen einem starken Rückgang. Nach den im vergangenen April veröffentlichten OECD-Daten schrumpften die weltweiten ausländischen Direktinvestitionen (FDI) im Jahr 2018 um 27% und im Jahr 2017 um 16%.

Nach Ausbruch der Krise 2008 endeten die G7 (oder G8, während Russland teilnahm) und G20-Gipfel für gewöhnlich mit großen Erklärungen zugunsten einer starken Regulierung der Investmentbanken und der öffentlichen Kontrollen, um eine neue Spekulationsblase zu vermeiden. Aber diese Propaganda konnte nicht verbergen, was die Regierungen weltweit wirklich taten: wahllose Liquiditätszufuhr, um die Großbanken, Finanzkonzerne und hochverschuldeten Unternehmen mit großen Solvenzproblemen zu retten, öffentliche Ressourcen durch wilde Sozialkürzungen und massive Privatisierungen zu plündern.

Dies ist der Grund für beispiellose finanzielle Profite, die den parasitären Charakter dieser Art von Kapital verdeutlichen, das zunehmend fiktiv und von der Realwirtschaft getrennt ist, die Kapitalgewinne nicht aus produktiven Investitionen und dem Verkauf von Rohstoffen, sondern aus seiner Verbreitung an den Aktienmärkten durch spekulative Finanzprodukte erzielt. Derzeit besitzen die US-Banken 157 Billionen Dollar an Finanzderivaten, also das Doppelte des Welt-BIP und 12% mehr als 2008. (1)

Zusammen mit der großen spekulativen Blase, die in rasanten Schritten voranschreitet, hat die globale Verschuldung, sowohl die öffentliche als auch die private, alle Rekorde gebrochen, die die Erholung behindern und die Voraussetzungen für einen noch dramatischeren Rückfall in die Krise schaffen. Nach Angaben des Institute of International Finance (IIF) beliefen sich die Verschuldungen von Haushalten, Unternehmen, Banken und Regierungen Ende 2018 weltweit auf 243,2 Billionen US-Dollar, was 317% des globalen BIP entspricht.

Rezessionstendenzen werden auch noch an zwei weiteren Phänomenen deutlich: Die Staatsverschuldung vieler Länder mit negativen Zinssätzen (wie im Falle Deutschlands) ist in den letzten drei Monaten um 50% auf 15 Billionen Dollar gestiegen. Diese Ausnahmesituation hat dazu geführt, dass der ehemalige Vorsitzende der Fed Alan Greenspan erklärt hat: „Definitiv ist etwas außer Kontrolle geraten. Die Zentralbanken haben so viel Liquidität auf den Markt gebracht, dass Risiko und Wert eine sehr geringe Bedeutung haben.“

Der andere Faktor ist die exzessive Rendite der zweijährigen US-Anleihe, die derzeit höher ist als die der 10-jährigen Anleihe. Mit anderen Worten, Großinvestoren sind skeptisch, was mittelfristig mit der US-Wirtschaft passieren könnte, trotz brillanter Wachstumszahlen und geringer Arbeitslosigkeit.

Kampf um Hegemonie

Der Handelskrieg zwischen den USA und China stellt eine qualitative Veränderung der internationalen Beziehungen in einem viel größeren Kampf um die Weltherrschaft dar. Obwohl die USA in vielerlei Hinsicht weiterhin die führende Position einnehmen, können sie ihre großen Schwierigkeiten nicht verbergen, mit der Stärke des chinesischen Imperialismus mitzuhalten.
Einige Daten können als Beispiel dienen. Zwischen 2000 und 2015 stieg China von 3% der weltweiten Stahlproduktion auf 50%, und nur zwischen 2011 und 2013 verbrauchte es mehr Zement als die Vereinigten Staaten im gesamten 20. Jahrhundert (International Cement Review).
                      
Im Jahr 1980 machten die chinesischen Exporte nur 1% der Weltproduktion aus, aber 2018 hat sich China mit rund 12,8% als wichtigste Exportmacht der Welt positioniert, gefolgt von den USA (8,5%) und Deutschland (8%). Das US-Handelsdefizit mit China lag 2018 bei über 420 Milliarden US-Dollar. China macht 30% der weltweiten Autoverkäufe aus, 43% der Elektrofahrzeuge und 42% der Einzelhandelsverkäufe von kommerziellen Transaktionen (diese und andere Daten aus China und der Welt: „Inside a changing economic relationship“, Bericht des McKinsey Global Institute). China ist auch führend im elektronischen Handel: 50 Milliarden Pakete wurden 2018 innerhalb der Landesgrenzen verschickt, 71 Milliarden werden voraussichtlich im nächsten Jahr verschickt. Das Beratungsunternehmen eMarketer prognostiziert, dass der elektronische Handel in China im Jahr 2020 einen Umfang von 2,5 Billionen Dollar erreichen wird, fast eine Billion mehr als der Rest der Welt zusammengenommen.

China machte 2017 etwa 10% der weltweiten ausländischen Direktinvestitionen (FDI) aus, verglichen mit nur 1% im Jahr 2000, und war für mehr als ein Drittel des globalen Wachstums in den letzten zehn Jahren verantwortlich. Es ist auch zur „Bank der USA“ geworden, die 18,7% der US-Schulden kontrolliert: 1,18 Billionen Dollar.

China kämpft in zahlreichen Bereichen mit den USA um die Weltmärkte und investiert dank seiner hohen Handelsüberschusses und seiner gigantischen Devisenreserven Milliarden von Dollar, um die Kontrolle über die Produktion strategischer Rohstoffe zu erlangen.

Aber auch der chinesische Staatskapitalismus betreibt Überproduktion, und trotz aller staatlichen Konjunkturprogramme wuchs sein BIP 2018 nur um 6,6%, das niedrigste Niveau seit 1990. Das ist der objektive Grund, warum das Pekinger Regime nicht nachgeben kann. Mit dem Megaprojekt „One Belt One Road“ führen sie eine aggressive Politik internationaler Vereinbarungen durch, die Millionen von Dollar in Infrastrukturinvestitionen binden und das Mittel sein sollen, zukünftig um die Kontrolle und Führung des Welthandels zu kämpfen.

Die US-Bourgeoisie steht an einem historischen Scheideweg. In Wirtschaftszeitschriften veröffentlichte Zahlen über den Rekord von 121 Monaten ununterbrochenem Wachstum und einer offiziellen Arbeitslosenquote von 3,6% - der niedrigste Wert seit fünfzig Jahren - können den Rückgang der großen Weltmacht nicht verbergen. Das durchschnittliche BIP-Wachstum in der Trump-Ära ist mit 2,3% das niedrigste seit 70 Jahren.

Die Industrieproduktion der USA ist seit 1970 von 25 auf heute 11 % des BIP zurückgegangen. Gleiches gilt für Investitionen und Anlagen: Ende der 90er Jahre machten sie rund 50% der Gesamtinvestitionen aus und liegen heute unter 30%. Die Verantwortung dafür liegt nicht bei Peking, sondern bei der herrschenden Klasse der USA, die die Verlagerung von Industrien nach China und in andere Länder mit niedrigen Löhnen und Sklavenarbeitsbedingungen gefördert hat.

Trumps wirtschaftliche Maßnahmen haben die soziale Verelendung nur noch verschärft und die chronische Ungleichheit, die unter der Obama-Regierung angehalten hat, weiter verstärkt. Seine Steuersenkung, die angekündigt wurde, um der Mittelschicht zu helfen, hat nur die sehr Reichen bereichert. Milliardäre stiegen von 267 im Jahr 2008 auf 607 im Jahr 2018, während 39 Millionen Menschen staatliche Hilfe für Lebensmittel erhalten.

Das durchschnittliche Familieneinkommen ist zwischen 2009 und 2017 um 8% gestiegen, aber diese Tatsache verbirgt, dass ein Fünftel der einkommensschwächeren Bevölkerungsgruppen gerade einmal 0,2% davon erhalten. Der Gini-Koeffizient, der die Ungleichheit in der Einkommensverteilung misst, steht nun in den USA auf dem Prüfstand: 0,48% gegenüber 0,38% in den späten 1960er Jahren, d.h. ein Anstieg von 30%.

Die amerikanische Mittelschicht, das traditionelle Bollwerk der Reaktion und des republikanischen Konservatismus, wird ausgelöscht. Laut der Verbraucherumfrage der Fed sagen ein Drittel der Erwachsenen mit mittlerem Einkommen, dass sie Geld leihen oder etwas verkaufen müssten und sonst nicht in der Lage wären, eine unerwartete Ausgabe von 400 Dollar zu bezahlen. Ein Viertel sagte, dass sie 2018 eine Art medizinische Versorgung wegen der Kosten übersprungen hätten. Fast drei von 10 Erwachsenen mit mittlerem Einkommen tragen die meiste Zeit einen negativen Saldo auf ihren Kreditkarten. Unterdessen stieg der Anteil der Mieteinnahmen von Vermietern der Mittelschicht von 18% im Jahr 2007 auf 25% im Jahr 2018, was einem Anstieg von 40% entspricht. Dies erklärt die Schwankungen dieser Sektoren nach links und rechts und die Volatilität der Unterstützung für Trump.

Wirtschaftsnationalismus und Handelskrieg

Die nach dem Crash von 1929 ausgelöste Weltwirtschaftskrise – um die es in diesem Artikel nicht geht – wurde durch die weit verbreitete Einführung protektionistischer Maßnahmen und wettbewerbsbedingter Abwertungen zwischen den verschiedenen Mächten verstärkt, die durchgeführt wurden mit der Absicht ihre Märkte zu „schützen“. Infolgedessen schrumpfte der Welthandel zwischen 1929 und 1935 um über 30% und das BIP in den USA und in den wichtigsten europäischen Ländern schrumpfte um über 14%.

Der Kurs des wirtschaftlichen Nationalismus war nicht ausschließlich das Werk von Hitler oder Mussolini, sondern aller kapitalistischen Mächte, sowohl faschistisch als auch „demokratisch“. Die gegenwärtige Renaissance des ökonomischen Nationalismus und des Rechtspopulismus, der in vielen Ländern von einem breiten Sektor der Kapitalistenklasse angenommen wird, erklärt sich nicht durch subjektive Faktoren, die sich aus dem Charisma bestimmter Individuen ableiten, sondern durch eine objektive Entwicklungstendenz der Prozesse in Wirtschaft und Weltpolitik.

Als Donald Trump Ende August beim G7-Gipfel in Biarritz ankam, wurde in den Medien über seinen enormen Zorn berichtet: „die riesigen Geldbeträge, die China den Vereinigten Staaten von Amerika von Jahr zu Jahr und jahrzehntelang gestohlen hat, werden und müssen aufhören.“ „Wir brauchen China nicht und wären ohne sie offen gesagt viel besser dran." Diese und ähnliche Botschaften füllten die Schlagzeilen der Zeitungen.

Glaubte Trump wirklich, dass das Pekinger Regime untätig zusehen würde, ohne auf seine Maßnahmen zu reagieren? Natürlich glaubte er es nicht, und seine Tapferkeit ist ein Bekenntnis zur Machtlosigkeit des US-Imperialismus.

Schließlich traten am Sonntag den 1. September zusätzliche Zölle von 15% auf einen Teil der 300 Milliarden Dollar an importierten chinesischen Waren in Kraft, die bisher nicht durchgesetzt wurden. China reagierte mit Abgaben zwischen 5 und 10% auf US-Produkte im Wert von insgesamt 75 Milliarden Dollar (über 68,2 Milliarden Euro).

Diese Entscheidungen werden die Produktionskosten in den USA, aber auch in China und Europa erhöhen. Sie werden den Automobilsektor in den Vereinigten Staaten schwer treffen, die 2018 in China Fahrzeuge im Gesamtwert von 250 Milliarden Dollar verkauften. Aber sie werden auch Öl, Soja (China ist der größte Importeur von amerikanischem Soja), Nüsse, Schweinefleisch, gefrorenen Fisch und Meeresfrüchte, Rindfleisch und vieles mehr betreffen. Der asiatische Riese ist der viertgrößte landwirtschaftliche Exportmarkt für die Vereinigten Staaten (9,3 Milliarden Dollar im Jahr 2018).

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass fast 77 % der Exporte, die die USA aus dem asiatischen Land erhalten, Halbfabrikate sind, die zur Herstellung von Waren in der US-Industrie verwendet werden. Trumps protektionistische Politik wird keine Lösung bieten. Im Gegenteil, die Situation wird sich weiter verschärfen.

Aber auch China wird mit dem Handelskrieg verlieren. Zwischen 2011 und 2016 gingen die von China auf dem Weltmarkt verkauften Technologien an drei seiner direkten Konkurrenten: 27% an die USA, 17% an Japan und 11% an Deutschland. China produziert 75% der Smartphones und 90% der Computer der Welt, und die Blockade der internationalen Märkte, wie im Falle von Huawei, von dem wir in anderen Artikeln gesprochen haben (2), könnte äußerst negative Folgen für die chinesische Wirtschaft haben.

Derzeit produzieren ausländische Unternehmen 87% der chinesischen Elektronik und 60% der Maschinen, und die Gesamtzahl der in China tätigen ausländischen Unternehmen stieg von 203.000 im Jahr 2000 auf 481.000 im Jahr 2015, als sie fast 14 Millionen Arbeiter beschäftigten. Fast 40% der chinesischen Exporte werden in Fabriken mit ausländischem oder gemischtem Kapital produziert.
Die Eurozone wird sich den harten Auswirkungen dieses Krieges nicht entziehen können. Derzeit ist sie der Block mit dem größten Leistungsbilanzüberschuss, 465 Milliarden Dollar im Jahr 2018. Seit Januar ist dieser Überschuss jedoch um 21% gesunken, was sich direkt auf die deutsche Wirtschaft (bei der Exporte 50% des BIP ausmachen), Frankreich und Italien auswirkt.

Sozialismus oder Barbarei

Alle bisherigen Daten zeigen, dass die kapitalistische Produktion verallgemeinert wurde und eine internationale Arbeitsteilung und einen Weltmarkt geschaffen hat, von dem sich keine Volkswirtschaft abkoppeln kann. Autarkie und wirtschaftlicher Nationalismus stellen einen reaktionären Traum dar, wie sich in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts gezeigt hat, und hinter seinem Bildschirm verbirgt sich der aggressivste aller Imperialismen.

Um Trotzki zu paraphrasieren sehen die, die für die weltpolitische Lage am verantwortlichsten sind, aus wie Kinder, die vor einem Ausbruch am Hang eines Vulkans herumlaufen. Die Rezession scheint unmittelbar bevorzustehen, aber die großen kapitalistischen Mächte, die mehr denn je gespalten sind, berechnen nicht die Auswirkungen einer neuen Krise auf das Bewusstsein der Massen. Jahre der Entbehrung und Verarmung haben eine kollektive Wut hervorgerufen, die weiter wächst. Die herrschende Klasse wird sich nicht auf die Maßnahmen verlassen können, die angesichts einer neuen Explosion von Arbeitslosigkeit, Betriebsschließungen und wirtschaftlicher Zersetzung bereits ihre Erschöpfung gezeigt haben.

Wir steuern auf einen grundlegenden Konflikt zwischen den Klassen zu. Ja, die Realität unterstreicht das marxistische Programm, wie es in Werken wie dem Kapital oder der Theorie des Mehrwerts enthalten ist, die vor über 150 Jahren geschrieben wurden. Aber die Arbeiterklasse wird diese Schlussfolgerungen nicht nur durch Lesen, sondern auch durch ihre Erfahrung erreichen.

Der Sozialismus wird nicht wie eine reife Frucht vom Himmel fallen, sondern kann nur durch das bewusste Eingreifen der Arbeiterklasse und der Jugendlichen in Aktion geschaffen werden. Nur die Vergesellschaftung der Produktionsmittel kann den wirtschaftlichen Zusammenbruch und die Barbarei, die vor unseren Augen geschieht, lösen. Die weltweiten Produktivkräfte brauchen ein neues System, in dem ihr Einsatz demokratischer Planung und Organisation unterliegt. Durch ihre Fehler und Niederlagen werden die Arbeiter, die die Unterdrückten der Welt anführen, die entsprechenden politischen und praktischen Schlussfolgerungen ziehen und die revolutionäre Partei schmieden, die in der Lage ist, die Aufgabe erfolgreich zu erfüllen, und die Enteigner werden definitiv enteignet werden. Der Sozialismus wird siegen, die Menschheit wird siegen.

ANMERKUNGEN:

(1) "Die Großbanken, die 2008 von der US-Regierung gerettet wurden, weil sie als zu groß galten, um zu scheitern, sind noch größer geworden, um zu scheitern, mit den "Big Six" US-Banken - JP Morgan Chase, Citigroup, Wells Fargo, Bank of America, Goldman Sachs und Morgan Stanley -, die zusammen 43 Prozent mehr Einlagen, 84 Prozent mehr Vermögenswerte und eine Verdreifachung der Geldmenge vor der Krise 2008 erlebt haben. Im Wesentlichen haben sie die Gefahren, vor denen das Bankensystem im Jahr 2008 stand, verdoppelt.“ Walden Bello, Global Finance, Power and Instability Capitalism, bereitet die Rezession vor 2.9., 19. Juni 2019.

http://longreads.tni.org/state-of-power-2019/global-finance/

 (2) Nacionalismo económico y guerra comercial. El capitalismo ante el abismo, Bárbara Areal, junio 2019. https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/economia/11563-nacionalismo-economico-y-guerra-comercial-el-capitalismo-ante-el-abismo