Veröffentlicht auf Spanisch am 3. September 2019
„Die bürgerlichen Produktions- und Verkehrsverhältnisse, die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse, die moderne bürgerliche Gesellschaft, die so gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, gleicht dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor. Seit Dezennien ist die Geschichte der Industrie und des Handels nur die Geschichte der Empörung der modernen Produktivkräfte gegen die modernen Produktionsverhältnisse, gegen die Eigentumsverhältnisse, welche die Lebensbedingungen der Bourgeoisie und ihrer Herrschaft sind.“
Karl Marx, Friedrich Engels: Manifest der
Kommunistischen Partei
Das
kapitalistische System ist völlig zerrüttet. Der Wirtschaftsabschwung hin zu
einer schweren Rezession – wie sie auch von den globalen Finanzinstituten und
ihren Medien angekündigt wird – ist nur ein Aspekt der Situation. Blickt man
auf die turbulentesten Zeiten des 20. Jahrhunderts zurück, insbesondere auf die
dreißiger und siebziger Jahre, erkennt man, wie eng politische Ereignisse mit
den wirtschaftlichen Ereignissen verflochten sind, die in weiten Teilen der
herrschenden Klasse auf der ganzen Welt ein Klima der Unsicherheit und des
Pessimismus erzeugen.
Die
negativen Elemente dieser Dynamik erstrecken sich auf alle Ebenen:
1.
Der Aufschwung im interimperialistischen Kampf um die
Kontrolle von Märkten, Einflussbereichen und Rohstoffen ist mit größter
Intensität zu spüren. Die internationalen Beziehungen wurden stark erschüttert:
Alte Bündnisse zwischen den Großmächten und ihren Vasallenstaaten fallen
auseinander, während neue gegründet werden, was zu langen militärischen
Konflikten und der Balkanisierung der Welt führt.
2.
Der Kampf um die politische Vorherrschaft zwischen den USA
und China hat eine eigene Dynamik, die den Handelskrieg mit verheerenden Folgen
befeuert. Die wettbewerbsorientierte Abwertung der Währungen – der Yuan
erreichte Allzeittiefs und Trump, der die Federal Reserve zu einem drastischen
Zinssenkungen drängte – verschlechtert den Trend, während der Welthandel weiter
schrumpft.
3.
Der Brexit bedeutet das wichtigste Scheitern der EU und stellt
ihre Zukunft in Frage. Der europäische Block stürzt weiter in Unordnung und
erleidet einen Rückgang seiner Exporte auf dem Weltmarkt. Sowohl Deutschland –
die dominante Macht auf dem Kontinent – als auch Großbritannien leiden bereits
unter den Symptomen des rezessiven Zyklus (ihr BIP sank im zweiten Quartal um
0,1% bzw. 0,2%). Italien befindet sich mit zwei Perioden des Abschwungs, zwei
Perioden der Stagnation und nur einem leichten Aufschwung über fünf Monate ebenfalls
in einer politischen Krise mit unvorhersehbaren Folgen.
4.
Die wirtschaftlichen und sozialen Zersetzungserscheinungen
des Kapitalismus in Lateinamerika kündigen einen Zyklus von Arbeitskämpfen und
sozialen Konflikten an, der eine neue revolutionäre Krise auf die Tagesordnung
setzen wird.
5.
Die Dekadenz der parlamentarischen Demokratie und die
bonapartistischen und autoritären Tendenzen vieler westlicher Regierungen – das
jüngste Beispiel ist Boris Johnson in Großbritannien – sind Ausdruck des
Zusammenbruchs der Stabilität und des inneren Gleichgewichts des
kapitalistischen Systems, das auch durch eine tiefe Spaltung der herrschenden
Klasse in jedem Land gekennzeichnet ist. Die tiefe soziale und politische
Polarisierung, die Spaltung des Bürgertums nach rechts und links sowie die
Delegitimierung der Sozialdemokratie und der traditionellen konservativen
Parteien sind das Ergebnis der Zunahme der Ungleichheit nach Jahren des
Sozialabbaus und des Sparkurses.
6.
Obwohl die nationalistische Reaktion heute eine größere
Macht innehat als in den vorangegangenen Jahrzehnten (Trump, Bolsonaro und Salvini
sind Beispiele dafür), wäre es ein Beweis für politische Blindheit, wenn man
nur diesen Aspekt der Realität betrachtet. Der heutige historische Prozess
zeigt viele widersprüchliche Elemente und tiefliegende Prozesse im Bewusstsein
der Massen, die sich unter dem Deckel dieser Regierungen entwickeln. Die
konservativen Traditionen, die der demokratische Staat seit Jahrzehnten befördert
hat, wenden sich zu einer Infragestellung des Kapitalismus bei großen Teilen
der Arbeiterklasse und Jugend, die sich der Linken zuwenden. Die riesigen
Mobilisierungen von arbeitenden Frauen für ihre Rechte oder die Streiks der
Jugend gegen den Klimawandel sind nur die Spitze des Eisbergs des Aufbruchs und
der Radikalisierung des Klassenkampfes auf der ganzen Welt.
Finanzspekulation und
Verschuldung. Die Lehren aus der Vergangenheit wurden nicht gezogen
Es
kann nicht geleugnet werden, dass ein großer Verdienst des Kapitalismus darin
besteht, die Technik und Produktivität der Arbeit auf das höchste Niveau gehoben
zu haben und eine globale Wirtschaft und die objektiven Bedingungen dafür
bereitet zu haben, die Ressourcen des Planeten rational zu nutzen. Aber der
Kapitalismus des 21. Jahrhunderts ist nicht nur weiter denn je von der
Erfüllung dieser Aufgabe entfernt, sondern der Überfluss an Kapital und
Rohstoffen sowie der Fortschritt der Technologie sind unter dem Dach des
Privateigentums und des Nationalstaates zu einer der Hauptursachen für
Kürzungen, Armut,
strukturelle und Massenarbeitslosigkeit und extreme Arbeitsplatzunsicherheit
geworden.
Die
kapitalistische Agenda, die zur Abwehr der Großen Rezession von 2008 eingesetzt
wurde, war nicht in der Lage, auf die Herausforderung zu reagieren und hat die strukturellen
Widersprüche, die vor einem Jahrzehnt die Krise verursachten, weiter verschärft.
Die Weltbourgeoisie beabsichtigte keineswegs dieses Ergebnis, aber die
Produktivkräfte haben sich ihrer Kontrolle entrissen und werden die
Gesellschaft letztendlich entweder in den Ruin oder in die Revolution treiben.
Die globale Stagnation hat sich
auch im Welthandel deutlich gezeigt. Es sei daran erinnert, dass in den 90er
Jahren und zu Beginn des neuen Jahrhunderts wichtige politische Faktoren wie
der Zusammenbruch des Stalinismus in der UdSSR, Osteuropa und China die
Erschließung neuer Märkte und Produktionszweige zur Förderung einer neuen
internationalen Arbeitsteilung ermöglichten. Die Ausweitung des Handels war ein
Schlüsselfaktor für den europäischen und US-amerikanischen Kapitalismus und
China, um zwei Jahrzehnte lang ein nachhaltiges Wachstum zu erzielen, das mit
kurzen Rezessionen (etwa von 1987 bis 2007) verbunden war. Der
durchschnittliche Anteil der Exporte und Importe am Welt-BIP stieg von 20% im
Jahr 1995 auf 30% im Jahr 2014, und im gleichen Zeitraum vervierfachten sich
die weltweiten Exporte von Rohstoffen.
Der Rückgang des Welthandels ist
nun eine Tatsache: Nach einem durchschnittlichen Wachstum von 7% vor einem
Jahrzehnt wird er 2019 um lächerliche 2,6% zunehmen (im ersten Quartal des
Jahres gingen die weltweiten Exporte um 2,7% zurück und die Importe um 3,1%).
Auch die privaten Investitionen,
ein Schlüsselfaktor für die Wiederbelebung des Konjunkturzyklus, unterliegen
einem starken Rückgang. Nach den im vergangenen April veröffentlichten
OECD-Daten schrumpften die weltweiten ausländischen Direktinvestitionen (FDI) im
Jahr 2018 um 27% und im Jahr 2017 um 16%.
Nach Ausbruch der Krise 2008 endeten
die G7 (oder G8, während Russland teilnahm) und G20-Gipfel für gewöhnlich mit
großen Erklärungen zugunsten einer starken Regulierung der Investmentbanken und
der öffentlichen Kontrollen, um eine neue Spekulationsblase zu vermeiden. Aber
diese Propaganda konnte nicht verbergen, was die Regierungen weltweit wirklich
taten: wahllose Liquiditätszufuhr, um die Großbanken, Finanzkonzerne und
hochverschuldeten Unternehmen mit großen Solvenzproblemen zu retten,
öffentliche Ressourcen durch wilde Sozialkürzungen und massive Privatisierungen
zu plündern.
Dies ist der Grund für
beispiellose finanzielle Profite, die den parasitären Charakter dieser Art von
Kapital verdeutlichen, das zunehmend fiktiv und von der Realwirtschaft getrennt
ist, die Kapitalgewinne nicht aus produktiven Investitionen und dem Verkauf von
Rohstoffen, sondern aus seiner Verbreitung an den Aktienmärkten durch
spekulative Finanzprodukte erzielt. Derzeit besitzen die US-Banken 157
Billionen Dollar an Finanzderivaten, also das Doppelte des Welt-BIP und 12%
mehr als 2008. (1)
Zusammen mit der großen
spekulativen Blase, die in rasanten Schritten voranschreitet, hat die globale
Verschuldung, sowohl die öffentliche als auch die private, alle Rekorde
gebrochen, die die Erholung behindern und die Voraussetzungen für einen noch
dramatischeren Rückfall in die Krise schaffen. Nach Angaben des Institute of
International Finance (IIF) beliefen sich die Verschuldungen von Haushalten,
Unternehmen, Banken und Regierungen Ende 2018 weltweit auf 243,2 Billionen
US-Dollar, was 317% des globalen BIP entspricht.
Rezessionstendenzen werden auch
noch an zwei weiteren Phänomenen deutlich: Die Staatsverschuldung vieler Länder
mit negativen Zinssätzen (wie im Falle Deutschlands) ist in den letzten drei
Monaten um 50% auf 15 Billionen Dollar gestiegen. Diese Ausnahmesituation hat
dazu geführt, dass der ehemalige Vorsitzende der Fed Alan Greenspan erklärt
hat: „Definitiv ist etwas außer Kontrolle geraten. Die Zentralbanken haben so
viel Liquidität auf den Markt gebracht, dass Risiko und Wert eine sehr geringe
Bedeutung haben.“
Der andere Faktor ist die exzessive
Rendite der zweijährigen US-Anleihe, die derzeit höher ist als die der
10-jährigen Anleihe. Mit anderen Worten, Großinvestoren sind skeptisch, was
mittelfristig mit der US-Wirtschaft passieren könnte, trotz brillanter Wachstumszahlen
und geringer Arbeitslosigkeit.
Kampf um Hegemonie
Der Handelskrieg zwischen den USA
und China stellt eine qualitative Veränderung der internationalen Beziehungen in
einem viel größeren Kampf um die Weltherrschaft dar. Obwohl die USA in
vielerlei Hinsicht weiterhin die führende Position einnehmen, können sie ihre
großen Schwierigkeiten nicht verbergen, mit der Stärke des chinesischen
Imperialismus mitzuhalten.
Einige Daten können als Beispiel
dienen. Zwischen 2000 und 2015 stieg China von 3% der weltweiten
Stahlproduktion auf 50%, und nur zwischen 2011 und 2013 verbrauchte es mehr
Zement als die Vereinigten Staaten im gesamten 20. Jahrhundert (International
Cement Review).
Im Jahr 1980 machten die
chinesischen Exporte nur 1% der Weltproduktion aus, aber 2018 hat sich China
mit rund 12,8% als wichtigste Exportmacht der Welt positioniert, gefolgt von
den USA (8,5%) und Deutschland (8%). Das US-Handelsdefizit mit China lag 2018
bei über 420 Milliarden US-Dollar. China macht 30% der weltweiten Autoverkäufe
aus, 43% der Elektrofahrzeuge und 42% der Einzelhandelsverkäufe von
kommerziellen Transaktionen (diese und andere Daten aus China und der Welt: „Inside
a changing economic relationship“, Bericht des McKinsey Global Institute).
China ist auch führend im elektronischen Handel: 50 Milliarden Pakete wurden
2018 innerhalb der Landesgrenzen verschickt, 71 Milliarden werden
voraussichtlich im nächsten Jahr verschickt. Das Beratungsunternehmen eMarketer
prognostiziert, dass der elektronische Handel in China im Jahr 2020 einen
Umfang von 2,5 Billionen Dollar erreichen wird, fast eine Billion mehr als der Rest
der Welt zusammengenommen.
China machte 2017 etwa 10% der
weltweiten ausländischen Direktinvestitionen (FDI) aus, verglichen mit nur 1%
im Jahr 2000, und war für mehr als ein Drittel des globalen Wachstums in den
letzten zehn Jahren verantwortlich. Es ist auch zur „Bank der USA“ geworden, die
18,7% der US-Schulden kontrolliert: 1,18 Billionen Dollar.
China kämpft in zahlreichen
Bereichen mit den USA um die Weltmärkte und investiert dank seiner hohen
Handelsüberschusses und seiner gigantischen Devisenreserven Milliarden von
Dollar, um die Kontrolle über die Produktion strategischer Rohstoffe zu
erlangen.
Aber auch der chinesische
Staatskapitalismus betreibt Überproduktion, und trotz aller staatlichen
Konjunkturprogramme wuchs sein BIP 2018 nur um 6,6%, das niedrigste Niveau seit
1990. Das ist der objektive Grund, warum das Pekinger Regime nicht nachgeben
kann. Mit dem Megaprojekt „One Belt One Road“ führen sie eine aggressive
Politik internationaler Vereinbarungen durch, die Millionen von Dollar in
Infrastrukturinvestitionen binden und das Mittel sein sollen, zukünftig um die
Kontrolle und Führung des Welthandels zu kämpfen.
Die US-Bourgeoisie steht an einem
historischen Scheideweg. In Wirtschaftszeitschriften veröffentlichte Zahlen
über den Rekord von 121 Monaten ununterbrochenem Wachstum und einer offiziellen
Arbeitslosenquote von 3,6% - der niedrigste Wert seit fünfzig Jahren - können
den Rückgang der großen Weltmacht nicht verbergen. Das durchschnittliche
BIP-Wachstum in der Trump-Ära ist mit 2,3% das niedrigste seit 70 Jahren.
Die Industrieproduktion der USA
ist seit 1970 von 25 auf heute 11 % des BIP zurückgegangen. Gleiches gilt für
Investitionen und Anlagen: Ende der 90er Jahre machten sie rund 50% der
Gesamtinvestitionen aus und liegen heute unter 30%. Die Verantwortung dafür
liegt nicht bei Peking, sondern bei der herrschenden Klasse der USA, die die
Verlagerung von Industrien nach China und in andere Länder mit niedrigen Löhnen
und Sklavenarbeitsbedingungen gefördert hat.
Trumps wirtschaftliche Maßnahmen haben
die soziale Verelendung nur noch verschärft und die chronische Ungleichheit,
die unter der Obama-Regierung angehalten hat, weiter verstärkt. Seine
Steuersenkung, die angekündigt wurde, um der Mittelschicht zu helfen, hat nur
die sehr Reichen bereichert. Milliardäre stiegen von 267 im Jahr 2008 auf 607
im Jahr 2018, während 39 Millionen Menschen staatliche Hilfe für Lebensmittel
erhalten.
Das durchschnittliche
Familieneinkommen ist zwischen 2009 und 2017 um 8% gestiegen, aber diese
Tatsache verbirgt, dass ein Fünftel der einkommensschwächeren
Bevölkerungsgruppen gerade einmal 0,2% davon erhalten. Der Gini-Koeffizient,
der die Ungleichheit in der Einkommensverteilung misst, steht nun in den USA
auf dem Prüfstand: 0,48% gegenüber 0,38% in den späten 1960er Jahren, d.h. ein
Anstieg von 30%.
Die amerikanische Mittelschicht,
das traditionelle Bollwerk der Reaktion und des republikanischen
Konservatismus, wird ausgelöscht. Laut der Verbraucherumfrage der Fed sagen ein
Drittel der Erwachsenen mit mittlerem Einkommen, dass sie Geld leihen oder etwas
verkaufen müssten und sonst nicht in der Lage wären, eine unerwartete Ausgabe
von 400 Dollar zu bezahlen. Ein Viertel sagte, dass sie 2018 eine Art
medizinische Versorgung wegen der Kosten übersprungen hätten. Fast drei von 10
Erwachsenen mit mittlerem Einkommen tragen die meiste Zeit einen negativen
Saldo auf ihren Kreditkarten. Unterdessen stieg der Anteil der Mieteinnahmen von
Vermietern der Mittelschicht von 18% im Jahr 2007 auf 25% im Jahr 2018, was
einem Anstieg von 40% entspricht. Dies erklärt die Schwankungen dieser Sektoren
nach links und rechts und die Volatilität der Unterstützung für Trump.
Wirtschaftsnationalismus und Handelskrieg
Die
nach dem Crash von 1929 ausgelöste Weltwirtschaftskrise – um die es in diesem
Artikel nicht geht – wurde durch die weit verbreitete Einführung
protektionistischer Maßnahmen und wettbewerbsbedingter Abwertungen zwischen den
verschiedenen Mächten verstärkt, die durchgeführt wurden mit der Absicht ihre
Märkte zu „schützen“. Infolgedessen schrumpfte der Welthandel zwischen 1929 und
1935 um über 30% und das BIP in den USA und in den wichtigsten europäischen
Ländern schrumpfte um über 14%.
Der
Kurs des wirtschaftlichen Nationalismus war nicht ausschließlich das Werk von
Hitler oder Mussolini, sondern aller kapitalistischen Mächte, sowohl
faschistisch als auch „demokratisch“. Die gegenwärtige Renaissance des
ökonomischen Nationalismus und des Rechtspopulismus, der in vielen Ländern von
einem breiten Sektor der Kapitalistenklasse angenommen wird, erklärt sich nicht
durch subjektive Faktoren, die sich aus dem Charisma bestimmter Individuen
ableiten, sondern durch eine objektive Entwicklungstendenz der Prozesse in
Wirtschaft und Weltpolitik.
Als
Donald Trump Ende August beim G7-Gipfel in Biarritz ankam, wurde in den Medien
über seinen enormen Zorn berichtet: „die riesigen Geldbeträge, die China den
Vereinigten Staaten von Amerika von Jahr zu Jahr und jahrzehntelang gestohlen
hat, werden und müssen aufhören.“ „Wir brauchen China nicht und wären ohne sie
offen gesagt viel besser dran." Diese und ähnliche Botschaften füllten die
Schlagzeilen der Zeitungen.
Glaubte
Trump wirklich, dass das Pekinger Regime untätig zusehen würde, ohne auf seine
Maßnahmen zu reagieren? Natürlich glaubte er es nicht, und seine Tapferkeit ist
ein Bekenntnis zur Machtlosigkeit des US-Imperialismus.
Schließlich
traten am Sonntag den 1. September zusätzliche Zölle von 15% auf einen Teil der
300 Milliarden Dollar an importierten chinesischen Waren in Kraft, die bisher
nicht durchgesetzt wurden. China reagierte mit Abgaben zwischen 5 und 10% auf
US-Produkte im Wert von insgesamt 75 Milliarden Dollar (über 68,2 Milliarden
Euro).
Diese Entscheidungen werden die
Produktionskosten in den USA, aber auch in China und Europa erhöhen. Sie werden
den Automobilsektor in den Vereinigten Staaten schwer treffen, die 2018 in
China Fahrzeuge im Gesamtwert von 250 Milliarden Dollar verkauften. Aber sie
werden auch Öl, Soja (China ist der größte Importeur von amerikanischem Soja),
Nüsse, Schweinefleisch, gefrorenen Fisch und Meeresfrüchte, Rindfleisch und
vieles mehr betreffen. Der asiatische Riese ist der viertgrößte
landwirtschaftliche Exportmarkt für die Vereinigten Staaten (9,3 Milliarden
Dollar im Jahr 2018).
Wir dürfen auch nicht vergessen,
dass fast 77 % der Exporte, die die USA aus dem asiatischen Land erhalten,
Halbfabrikate sind, die zur Herstellung von Waren in der US-Industrie verwendet
werden. Trumps protektionistische Politik wird keine Lösung bieten. Im
Gegenteil, die Situation wird sich weiter verschärfen.
Aber auch China wird mit dem
Handelskrieg verlieren. Zwischen 2011 und 2016 gingen die von China auf dem
Weltmarkt verkauften Technologien an drei seiner direkten Konkurrenten: 27% an
die USA, 17% an Japan und 11% an Deutschland. China produziert 75% der
Smartphones und 90% der Computer der Welt, und die Blockade der internationalen
Märkte, wie im Falle von Huawei, von dem wir in anderen Artikeln gesprochen
haben (2), könnte äußerst negative Folgen für die chinesische Wirtschaft haben.
Derzeit produzieren ausländische
Unternehmen 87% der chinesischen Elektronik und 60% der Maschinen, und die
Gesamtzahl der in China tätigen ausländischen Unternehmen stieg von 203.000 im
Jahr 2000 auf 481.000 im Jahr 2015, als sie fast 14 Millionen Arbeiter
beschäftigten. Fast 40% der chinesischen Exporte werden in Fabriken mit
ausländischem oder gemischtem Kapital produziert.
Die Eurozone wird sich den harten
Auswirkungen dieses Krieges nicht entziehen können. Derzeit ist sie der Block
mit dem größten Leistungsbilanzüberschuss, 465 Milliarden Dollar im Jahr 2018.
Seit Januar ist dieser Überschuss jedoch um 21% gesunken, was sich direkt auf
die deutsche Wirtschaft (bei der Exporte 50% des BIP ausmachen), Frankreich und
Italien auswirkt.
Sozialismus oder Barbarei
Alle bisherigen Daten zeigen,
dass die kapitalistische Produktion verallgemeinert wurde und eine
internationale Arbeitsteilung und einen Weltmarkt geschaffen hat, von dem sich
keine Volkswirtschaft abkoppeln kann. Autarkie und wirtschaftlicher
Nationalismus stellen einen reaktionären Traum dar, wie sich in den dreißiger
Jahren des letzten Jahrhunderts gezeigt hat, und hinter seinem Bildschirm
verbirgt sich der aggressivste aller Imperialismen.
Um Trotzki zu paraphrasieren
sehen die, die für die weltpolitische Lage am verantwortlichsten sind, aus wie
Kinder, die vor einem Ausbruch am Hang eines Vulkans herumlaufen. Die Rezession
scheint unmittelbar bevorzustehen, aber die großen kapitalistischen Mächte, die
mehr denn je gespalten sind, berechnen nicht die Auswirkungen einer neuen Krise
auf das Bewusstsein der Massen. Jahre der Entbehrung und Verarmung haben eine
kollektive Wut hervorgerufen, die weiter wächst. Die herrschende Klasse wird sich
nicht auf die Maßnahmen verlassen können, die angesichts einer neuen Explosion
von Arbeitslosigkeit, Betriebsschließungen und wirtschaftlicher Zersetzung
bereits ihre Erschöpfung gezeigt haben.
Wir steuern auf einen
grundlegenden Konflikt zwischen den Klassen zu. Ja, die Realität unterstreicht
das marxistische Programm, wie es in Werken wie dem Kapital oder der Theorie des
Mehrwerts enthalten ist, die vor über 150 Jahren geschrieben wurden. Aber die
Arbeiterklasse wird diese Schlussfolgerungen nicht nur durch Lesen, sondern
auch durch ihre Erfahrung erreichen.
Der
Sozialismus wird nicht wie eine reife Frucht vom Himmel fallen, sondern kann
nur durch das bewusste Eingreifen der Arbeiterklasse und der Jugendlichen in
Aktion geschaffen werden. Nur die Vergesellschaftung der Produktionsmittel kann
den wirtschaftlichen Zusammenbruch und die Barbarei, die vor unseren Augen
geschieht, lösen. Die weltweiten Produktivkräfte brauchen ein neues System, in
dem ihr Einsatz demokratischer Planung und Organisation unterliegt. Durch ihre Fehler
und Niederlagen werden die Arbeiter, die die Unterdrückten der Welt anführen,
die entsprechenden politischen und praktischen Schlussfolgerungen ziehen und die
revolutionäre Partei schmieden, die in der Lage ist, die Aufgabe erfolgreich zu
erfüllen, und die Enteigner werden definitiv enteignet werden. Der Sozialismus
wird siegen, die Menschheit wird siegen.
ANMERKUNGEN:
(1) "Die Großbanken, die
2008 von der US-Regierung gerettet wurden, weil sie als zu groß galten, um zu
scheitern, sind noch größer geworden, um zu scheitern, mit den "Big
Six" US-Banken - JP Morgan Chase, Citigroup, Wells Fargo, Bank of America,
Goldman Sachs und Morgan Stanley -, die zusammen 43 Prozent mehr Einlagen, 84
Prozent mehr Vermögenswerte und eine Verdreifachung der Geldmenge vor der Krise
2008 erlebt haben. Im Wesentlichen haben sie die Gefahren, vor denen das
Bankensystem im Jahr 2008 stand, verdoppelt.“ Walden Bello, Global Finance,
Power and Instability Capitalism, bereitet die Rezession vor 2.9., 19. Juni
2019.
http://longreads.tni.org/state-of-power-2019/global-finance/
(2) Nacionalismo económico y guerra comercial. El
capitalismo ante el abismo, Bárbara Areal, junio 2019.
https://www.izquierdarevolucionaria.net/index.php/economia/11563-nacionalismo-economico-y-guerra-comercial-el-capitalismo-ante-el-abismo