(Internationale Revolutionäre
Linke im Spanischen Staat) Madrid,
5. Februar 2020
Die
Coronavirus-Epidemie (2019-nCoV), die ihren Ursprung in der chinesischen Stadt
Wuhan hat, droht das ganze Land ins Chaos zu stürzen, sich über die ganze Welt
auszubreiten und unabsehbare Folgen für die empfindliche und fragile
Weltwirtschaft zu haben.
Nach offiziellen Angaben hat das Virus zum Zeitpunkt des
Erscheinen dieses Artikels mehr als 20.000 Menschen infiziert und 425
Todesfälle auf dem chinesischen Festland sowie einen in Hongkong und einen
weiteren auf den Philippinen verursacht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
hat aufgrund der wachsenden Zahl von Fällen außerhalb Chinas einen
internationalen Notstand ausgerufen.
Die chinesische Regierung hat die Provinz Hubei vollständig
abgeriegelt, so dass mehr als 48 Millionen Menschen eingesperrt sind. Die
Bilder von Wuhan, der Hauptstadt der Provinz, deren Bevölkerungszahl die von
Washington und Hongkong übersteigt, isoliert und vom Militär bewacht, sind um
die Welt gegangen.
Sozialer Abstieg: fruchtbarer Boden für Epidemien
Es gibt mehrere Faktoren, die das Entstehen und die
Entwicklung dieser neuen Epidemie in China erklären. Der erste Umstand, der den
Ausbruch dieser gesundheitlichen Krise begünstigt hat, ist die Verschlechterung
der Lebens-, Arbeits-, Wohn- und Hygienebedingungen usw. der Mehrheit der
Bevölkerung, verbunden mit einem weitgehend privatisierten Gesundheitssystem
und einem völlig unzureichenden und kaputtgesparten öffentlichen
Gesundheitssystem.
Die Realität, mit der Hunderte von Millionen Menschen in
China konfrontiert sind, steht in scharfem Kontrast zur wirtschaftlichen
Entwicklung der zweiten Weltmacht. Laut Geopolitical Futures liegt das
Durchschnittseinkommen der Bevölkerung Chinas trotz der Tatsache, dass das
Pro-Kopf-BIP bei etwa 18.000 Dollar liegt, in den Städten bei 4.500 Dollar im
Jahr. In ländlichen Gebieten, wo 40% der Bevölkerung des Landes leben, liegt es
sogar bei nur 1.500 Dollar. Hier arbeiten die meisten auf kleinen Bauernhöfen
fernab von Gesundheitseinrichtungen, fließendem Wasser und einem
funktionierenden Abwassersystem.
Auch die Lebens- und Arbeitsbedingungen der großen Mehrheit
der Stadtbevölkerung sind schlecht. 60% der Arbeitskräfte arbeiten 6 Schichten
pro Woche mit je etwa 13 Stunden. Für hunderte Millionen Menschen sind extreme
Erschöpfung, unbegrenzte Ausbeutung der Arbeitskraft und Armut eine
schmerzliche Realität.
Die Umweltbedingungen in den Städten sind nicht viel besser.
In städtischen Gebieten beträgt die durchschnittliche Anzahl der in der Luft
schwebenden Mikropartikel das 15fache des von der WHO empfohlenen Höchstwertes,
wodurch jährlich 1,6 Millionen Menschen an durch Umweltverschmutzung
verursachten Krankheiten sterben, ein Fünftel aller solcher Todesfälle weltweit.
Die katastrophale Situation des Gesundheitssystems macht den
Schwelbrand dann zur Stichflamme. Das chinesische Gesundheitswesen ist
weitgehend privatisiert. 32% der medizinischen Kosten werden von den Patienten
getragen. Arme Menschen, die mit großer Mühe eigene Ersparnisse zusammenkratzen
konnten, sind, wenn sie krank werden, gezwungen, sie zu opfern, um behandelt zu
werden, was zu lebenslangen Schulden führt.
Auch die öffentliche Infrastruktur ist bemerkenswert
schlecht. Eine recht aufschlussreiche Tatsache ist das Verhältnis von Patient
und Arzt; es ist mehr als dreimal so hoch wie in den entwickelten Ländern. Und
die Schwierigkeiten hören damit nicht auf. Die wirtschaftlichen Barrieren
werden durch die bürokratischen Barrieren noch vertieft. Rechtlich gesehen kann
man keine öffentliche Unterstützung erhalten, wenn man sich weit von seinem
Herkunftsort entfernt befindet. So wird für arme Bauern und Arbeiter die
Überwindung bürokratischer Hindernisse beim Zugang zu Diagnose und Behandlung
praktisch zu einer unmöglichen Aufgabe. Tatsächlich ist diese Tatsache ein
klarer Hinweis darauf, dass die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten
Menschen viel höher sein könnte als bisher gemeldet.
Hinzu kommt die Überbevölkerung, deren Auswirkung die unteren
Schichten in den chinesischen Städten zu ertragen haben. Noch schlimmer ist
dies im Fall von Einwanderern aus anderen asiatischen Ländern, wo Millionen
dutzendweise in kleine Häuser eingepfercht sind. Erwähnenswert ist auch der
enorme Andrang bei den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Kurz gesagt, die Situation der hunderten Millionen von Arbeitern
und ihrer Familien, auf deren Arbeit die rasche industrielle Entwicklung des
chinesischen Kapitalismus beruht, bietet den idealen Rahmen für einen
Virusausbruch, der sich zu einer Epidemie entwickeln könnte. Es besteht kein
Zweifel, dass das chinesische Modell des Urbanismus zusammen mit bitterer
Armut, Ausbeutung der Arbeitskraft, Umweltverschmutzung und mangelnder
Gesundheit die Mehrheit der Bevölkerung extrem anfällig für
Infektionskrankheiten wie das Coronavirus macht.
Ein verantwortungsloses und nachlässiges Regime
Der andere Faktor, das die Explosion dieser neuen Epidemie
erklärt, ist die überall um sich greifende bürokratische Nachlässigkeit, die
alle Institutionen und Behörden des chinesischen Regimes zersetzt. Viele
Analysten, auch diejenigen, die für regierungsfreundliche Zeitungen arbeiten,
sind sich über die Gefahr einer Wiederholung der SARS-Krise (Schweres Akutes
Respiratorisches Syndrom) von 2003 einig. Dieses Virus, das aus derselben
Familie wie das derzeitige stammt, hat weltweit 765 Todesfälle und
wirtschaftliche Verluste in Höhe von schätzungsweise 40 Milliarden Dollar
verursacht. Während dieses Ausbruchs konnte die chinesische Regierung nicht
verhindern, dass öffentlich bekannt wurde, dass es eine bewusste Politik
der Informationsverschleierung, der Datenmanipulation und der ständigen
Nachlässigkeit gab. Dies war ein schwerer Schlag für die Glaubwürdigkeit der
Regierung und der Institutionen des asiatischen Giganten und machte deutlich,
dass die Auswirkungen dieses Ausbruchs ohne die Inkompetenz des Regimes viel
schwächer gewesen wären.
Im Fall des Coronavirus 2020 wurden die Daten über die Anzahl
der Infizierten und die Langsamkeit bei der Isolierung und Behandlung der
ersten Patienten wiederholt verschleiert. Eine am Donnerstag, dem 30. Januar,
von der britischen medizinischen Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichte
Studie, die ihre Schlüsse auf statistische Hochrechnungen stützt, die auf der
Entwicklung anderer ähnlicher Krisen beruhen, weist darauf hin, dass sich das
Virus wahrscheinlich schon Wochen früher als von chinesischen Beamten gemeldet
verbreitet hat; dass seit dem 25. Januar etwa 75.000 Menschen in Wuhan
infiziert sein könnten und dass sich die Epidemie in mehreren Städten Chinas
noch erheblich ausbreiten könnte, so dass das tatsächliche Ausmaß der Epidemie
möglicherweise noch nicht klar ist. Die Verzögerung bei der Ergreifung von
Eindämmungsmaßnahmen hat dazu beigetragen, dass sich das Coronavirus in ganz
China ausbreitet, seine Grenzen überschreitet und zu einer globalen Bedrohung
wird.
Als Zeichen für den Grad der Nachlässigkeit der Regimebeamten
fand nur vier Tage vor der Schließung der Stadt am 19. Januar das traditionelle
Frühlingsbankett in der Innenstadt von Wuhan statt, zu dem mehr als 400.000
Familien kamen. Die Feierlichkeiten wurden mit der Ausgabe von 200.000
Eintrittskarten für Museen und Attraktionen in der Stadt fortgesetzt. Nachdem
er zu diesen fahrlässigen Handlungen befragt worden war, rechtfertigte Zhou
Xianwang, der Bürgermeister von Wuhan, sein Vorgehen damit, dass er diese
Veranstaltungen autorisiert habe, weil die Wissenschaftler die genaue Form der
Ansteckung nicht kannten. Dies ist zwar richtig, aber es ist auch richtig, dass
das Protokoll zur Verhinderung der Ausbreitung eines unbekannten Virus als
Grundproblem die Vermeidung von Menschenansammlungen dieser Art vorsieht.
Darüber hinaus wurde in diesem speziellen Fall und zu diesem Zeitpunkt in den
Empfehlungen des Gesundheitspersonals, die mit denen der WHO übereinstimmen,
eindeutig darauf hingewiesen, dass jede Art von Menschenansammlungen vermieden
werden muss.
Bedrohung für die Weltwirtschaft
Das Coronavirus hat vor dem Hintergrund des globalen
Konjunktureinbruchs bereits starke Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, auch
wenn die allgemeinen Auswirkungen noch nicht quantifiziert werden können.
Am Montag, dem 30. Juni, fielen die wichtigsten Aktienmärkte
Chinas, die Börsen von Shanghai und Shenzhen, um 7,72% und 8,45%. Auch der
japanische Nikkei-Index erreichte ein Drei-Monats-Tief. Darüber hinaus werden
die von der chinesischen Regierung eingeleiteten Eindämmungsmaßnahmen
unweigerlich starke Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit des asiatischen
Giganten und damit auf die Weltwirtschaft haben. Wuhan, das Epizentrum der
Krise, das jetzt geschlossen ist, ist eines der Hauptzentren der Automobil- und
Stahlproduktion. Insgesamt trägt es 1,6% zum BIP Chinas bei, was dem BIP
Portugals entspricht.
Die Regierung hat die Verlängerung des bezahlten Urlaubs für
das neue Jahr angeordnet. Unternehmen wie McDonald's und Starbucks haben
Zehntausende von Filialen geschlossen, Disney-Themenparks haben ihre Pässe
ausgesetzt, während die Aktivitäten in den Fabriken von Tesla, Nike, Coca-Cola,
Apple und Deere&Co auf einem niedrigen Niveau liegen. Auch die Zahl der
Touristentickets ist stark gesunken, unter anderem weil Fluggesellschaften wie
American, Delta, Lufthansa, British und United ihre Flüge nach China abgesagt
haben.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit der Handel zwischen dem Rest
der Welt und dem asiatischen Riesen, dessen BIP zu 20% vom Export abhängt,
beeinträchtigt wird, und inwieweit die USA im Rahmen ihres permanenten
Handelsstreits mit China versucht sein könnten, die Umstände zu nutzen, um
gegen ihren mächtigen Konkurrenten im Osten vorzugehen.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen von SARS im Jahr 2003 waren
erheblich. Eine damals von der Korea-Universität durchgeführte Studie kam zu
dem Schluss, dass China einen Wachstumspunkt seines BIP verloren hat und der in
der Welt produzierte Wohlstand um ein Zehntel gesunken ist.
Chinas Position als Weltwirtschaftsmacht ist heute stärker
als noch 2003. Betrug der Beitrag zur Weltwirtschaft in diesem Jahr 1,6
Billionen Dollar, so waren es 2019 14 Billionen Dollar. Seitdem ist China von
4% des weltweiten BIP auf über 16% gewachsen und ist für ein Drittel des
weltweiten Wachstums verantwortlich.
David Lafferty, Chefstratege der französischen
Managementgesellschaft Natixis IM, erklärt, dass „der Ausbruch China zu einem
ungünstigen Zeitpunkt trifft“, da sich sein Wachstum verlangsamt, und er
schätzt, dass „der Gesundheitsnotstand wahrscheinlich zwischen 1% und 2% des
jährlichen BIP kosten wird“. Und er stellt klar, dass diese Prognosen bei einer
Verlängerung der Krise möglicherweise nicht eingehalten werden können.
Coronavirus schürt wachsende soziale Unzufriedenheit
Die Gesundheitskrise, ihr Management und ihre noch ungewissen
Folgen untergraben das Regime. In Hongkong ist das Coronavirus nach einem von
Protesten geprägten Jahr zu einem weiteren Streitpunkt zwischen den Hongkonger
Massen, den Behörden in Peking und den Marionetten, die die britische
Ex-Kolonie regieren, geworden. Die Ärztegewerkschaften haben angeprangert, dass
sowohl die Regierung als auch die Krankenhäuser nicht genügend Mittel zur
Eindämmung der Epidemie zur Verfügung gestellt haben, weshalb am Montag, dem
30. Juni, 1000 Ärzte in den Streik traten und darüber hinaus die Schließung der
Grenze zum chinesischen Festland forderten. Gleichzeitig fordern die Aktivisten
die Rücknahme des Gesetzes, das die Verwendung von Schutzmasken verbietet und
das als repressive Maßnahme gegen die Mobilisierungen der vergangenen Monate
verabschiedet wurde.
Ebenso nimmt die Diskreditierung des Regimes innerhalb seiner
eigenen Grenzen zu. Ein Indiz für das Ausmaß der Unzufriedenheit ist die Kritik
aus der KPCh selbst. In der historisch regimefreundlichen South China Morning
Post kann man lesen: „Es scheint, dass der Ausbruch von SARS die Einstellung
der Bürokraten nicht geändert hat, die Geschäfte beizubehalten. Sie stellen
ihre politische Karriere weiterhin über das öffentliche Wohl.“
Wie wir erklärt haben, steht die Entwicklung dieser neuen
Virusepidemie in direktem Zusammenhang mit den schrecklichen Lebensbedingungen,
zu denen der chinesische Kapitalismus die Mehrheit der Bevölkerung verurteilt,
mit der Profitorientierung der Konzerne, der Vergiftung von Luft und Wasser,
dem Kaputtsparen des öffentlichen Gesundheitssystems und seiner Privatisierung,
mit den beklagenswerten hygienischen Bedingungen in den Vierteln und Häusern
der Arbeiterklasse und der armen Bauern, mit der bürokratischen Ineffizienz
usw. Das ist die krasse Wahrheit des chinesischen Kapitalismus, eine Wahrheit,
die ein anderes Gesicht hat: Kapitalismus ist gleichbedeutend mit Klassenkampf.
Mit einer jungen und immer mächtiger werdenden Arbeiterklasse werden die
Umstände für den Ausbruch einer sozialen Rebellion, die die Macht der
chinesischen Bourgeoisie, der verrotteten Bürokratie des Regimes und der falsch
benannten Kommunistischen Partei Chinas erschüttert, immer stärker.